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A f g h a n i s t a n  I I

 

 

GAO/AFG-Fragen: ...mist

22. April 2009

Dem U.S.-Bundesrechnungshof GAO sei wieder einmal Dank, dass wir eine kurzweilige Arbeit haben. Auf 37 Seiten hat das “Government Accountability Office” zu 11 Feldern der Afghanistan-Politik Daten und Fragen für die U.S.-Parlamentarier zusammengestellt, die auch für die deutsche AFG-Politik von Belang sind:
http://www.gao.gov/new.items/d09473sp.pdf

Wer das zentrale zukünftige Problem Afghanistans sucht, wird u.E. auf pdf-S. 28 fündig. In Tabelle 3 werden die Ausgaben und Einnahmen für die international (in 2006?) vereinbarte “Afghanistan National Development Strategy” (ANDS) bis 2013 beziffert. Während für den Zeitraum 2008/9 “nur” 500 Mio. USD fehlen, klettert das Delta ab 2009/10 bis 2012/13 von 3,2 Mrd. kontinuierlich auf 5,8 Mrd USD (50 % des Etats!). Klar ist, das die genannten Beträge von den internationalen Geberländern aufgebracht werden müssen. Angesichts der finanzwirtschaftlichen Trends bei den Gebern müsste ein gewisser Pessimismus eigentlich erlaubt sein.

{Nicht entweder oder, sondern Pessioptimist (oder Optipessimist)}

 

Malakand-Accord: einfach

14. April 2009

Vor zwei Monaten (16.2.09) hatten pakistanische Regierungsvertreter mit Sufi Mohammad, dem Taliban-Führer der TNSM (Movement for the Enforcement of Mohammed’s Law), einen bisher unveröffentlichten Entwurf eines 5-Punkte-Vertrages unterzeichnet, der die Einführung des Rechts der Sharia im SWAT-Tal in der “Northwest Frontier Province” Pakistans gegengezeichnet.

Lt. “SPIEGEL Online” ist der Vertragsentwurf nun vom pakistanischen Präsidenten Zardari unterzeichnet worden:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,618808,00.html

Wer die entsprechenden Medienberichte zum Thema in den vergangenen 2 Monaten verfolgt hat, wird darüber wahrscheinlich nicht erfreut sein. Die TNSM-Taliban haben so operiert, wie es von ihnen seit langem bekannt ist. Berichtet wird, dass von den 1,5 Mio. Menschen im SWAT-Valley 500.000 bereits geflüchtet sind.

Bisher hatten wir auf eine gute geografische Karte des Westens Pakistans geschaut ...
http://www.fas.org/sgp/crs/row/RL34763.pdf (pdf-S. 19)
und angenommen, dass die Gültigkeit der Sharia im doch nicht so grossen SWAT-Tal nicht soo beängstigend sei.

Allerdings endet solcher “Trost” sofort, wenn man Bill Roggio liest:
http://www.longwarjournal.org/archives/2009/04/swat_peace_agreement.php

Er nennt den SWAT-Vertrag richtig “Malakand Accord” und meint, dass er nicht nur die SWAT-Provinz umfasst, sondern auch die Provinzen Malakand, Shangia, Buner, Dir, Chitral und Kohistan, was dann mehr als ein Drittel der gesamten “Northwest Frontier Province” umfassen würde.

Wenn uns jemand aus unserer Unwissenheit helfen würde, wäre das natürlich toll. Sachdienliche Hinweise ...

{Wenn’s am Einfachsten fehlt ... }

 

AFPAK-Lage: fastnix

9. April 2009

Sorry, etwas besseres haben wir für heute nicht gefunden: WIKILEAKS bietet ein 59-seitiges “Feind”-Lage-Handbuch über AFPAK an, welches das U.S.-Army Training and Doctrine Command (TRADOC) für U.S.-Soldaten verfasst hat:
http://www.wikileaks.org/wiki/Afghanistan_Paramilitary_Terrorist_Insurgent_Groups%2C_1_Ma r_2009

{Fastnix ist besser als garnix}

 

Obamas AFG-Strategie: zäh

30. März 2009

Nun liegt sie endlich vor, die langerwartete neue Strategie des U.S.-Präsidenten für Afghanistan, und Pakistan. Um die entscheidenden Papiere zu finden, muss man sich auskennen lernen auf der (idiotischen) Website, die entscheidende Dokumente auf das “Blog” des Präsidenten postiert (der Begriff “Blog” wird orwelllsch degeneriert):

Man darf sich hin- und hergerissen fühlen, ob das alles wirklich “we can do” ist:

  • Die zusätzliche zivile Unterstützung für Pakistan beträgt zwar 1,5 Mrd. USD, aber über fünf Jahre. Welchen Effekt haben 300 Mio. USD jährlich?

    Man darf erwarten, dass bei der im April stattfindenden Konferenz in Tokyo der Rest der Welt zu zusätzlichen Spenden aufgerufen wird. Die deutsche Regierung wird sich vorbereiten müssen, wieviel sie zusätzlich aufbringen will.

    Man ist verstört, wenn man die Zahlen liest, die Madeleine Bunting im GUARDIAN am 23. März nennt:
    40 Mrd. USD sollen (von den Europäern allein?) seit 2001 für das Nation-Building versprochen worden sein, 15 Mrd. sind bis 2008 tatsächlich ausgegeben worden. Fast die Hälfte soll an “western consultants” geflossen sein
    (im “White Paper” heiss es dazu auf S. 2:
    “A large portion of development assistance ends up being spent on international consultants and overhead, and virtually no impact assessments have yet been done on our assistance programms”);
     
  • Wenn man den Angaben von MdB Winfried Nachtwei folgt, sollte es im westlichen Pakistan etwa 150 Ausbildungslager für Taliban-Terroristen geben. Nach Barack Obama’s neuer Strategie hat das pakistanische Militär viel zu tun - oder die U.S.-Luftwaffe?:
    “Pakistan must demonstrate its commitment to rooting out al Qaeda and the other violent extremists within its borders. And we will insits that action be taken - one way or another - when we have intelligence about high-level terrorist targets.”
    (o.k., ein Lager ist nicht “high-level”);

    Wer sich manchmal von der Seite des schwarzen Humors in der Sicherheitspolitik angezogen fühlt, liest über das Pakistan-Problem mit Sicherheit das:
    http://www.foreignpolicy.com/story/cms.php?story_id=4782 .

Auch bei dem “White Paper” der Bruce (Willis) Riedel-Truppe will bei uns keine rechte Begeisterung aufkommen. 15 kurzkommentierte Empfehlungen werden abgefackelt; sie sind richtig wohlfeil.

Spassig zu lesen ist der Text des Presse-Briefings, weil es u.E. einen so tiefen Einblick in das wirkliche “Washington” zulässt:

  • Bruce (W.) Riedel mag Verteidigungsminister Gates überhaupt nicht, und Holbrooke auch nicht;!
    (siehe seine “Valhalla-Passage, S. 6);

    Klassisch brutal sagt Riedel auch etwas zum strategischen Kern von Obamas Politik (sozusagen seine Worte):
    “And it’s a goal that is about protecting American citizens and American interests.”
     
  • Dass der hochgelobte Richard Holbrooke von einem anderen Stern ist, belegen wir so:

    - in den Barack-”Remarks” finden wir kein Wort zum Thema “Strategic Communication”;

    - wer das Presse-Briefing studiert, sieht auf S. 8 “Botschafter” Holbrooke zu diesem Thema plötzlich explodieren. Was in alten Tagen “psychological operations or strategic communications” genannt worden sei, müsse heute als “major, major gap” gefüllt werden, und Senator Kerry würde dieses Thema richtig “pushen”, meint Richard;

    - vorher hat Holbrooke aber die sicherlich geheimgeschütze Info preisgegeben, dass es (allein!) im schweizerisch anmutenden SWAT-Tal  150 illegale Rundfunkstationen (FM) gäbe (und TALIB Fazlullah im Nacht-Fernsehen die Namen der zu Enthauptenden und tatsächlich Enthaupteten preisgäbe);

    Wir sehen schon die speziell ausgerüsteten C-130 der STRATCOM-Forces über dem SWAT, den FATA und der NWFP fliegen, wie sie mit mächtigen Electronic-Warfare-Generatoren die gegnerischen FM- und TV-Stationen “unterdrücken” und darüber hinaus ihr holperiges “Good Morning” abstrahlen, alles für die “Information Dominance”!
     
  • Michelle Flournoy, augenscheinlich eine einflussreiche Eminenzin bei O.B, kann man auch (ohne Bild) kennenlernen:

    - Es erscheint evtl. etwas “stutenbissig”, wenn sie die Presse-Mannschaft extra darauf hinweist und unterstreicht, dass das, was “Bruce” sagt, wirklich wichtig sei (S. 7)!

    - Michelle’s Kompetenz muss man wegen ihrer dezidierten (richtigen) Hinweise auf
    -- den “shift” auf “bottom-up-approaches” (S. 4) und
    -- die Irak-Lektion, “partnering” mit den einheimischen Streitkräften,
    im Auge bealten.

Sorry, es ist etwas quarckig geworden.

{Die Zeit wird es uns (er) zäh ..... len}

 

AFG-Lektüre: kämpfen

18. März 2009

Der Markt der Informationsflut ist total unreguliert: Nützliche Hinweise werden nicht wirklich honoriert, durch Info-Quatsch erzeugte Zeitverschwendung wird nicht in finanziellen Regress genommen. Deshalb fühlen wir uns frei, heute wieder ganz dringliche Lese-Empfehlungen auszugeben, die u.E. garantiert keine Regress-Fälle sein könnten:

{Wer nicht kämpft, sollte wenigstens lesen}

 

Winfrieds AFG: well done

13. März 2009

Wir wiederholen uns gern, wenn wir Winfried Nachtwei, Bundestagsabgeordneter der GRÜNEN, heute erneut loben. Wer sich immer über die Entwicklung auf dem afghanischen Kriegsschauplatz ausreichend informieren will, muss Winfrieds ausführliche Arbeiten lesen. Gerade hat er seinen jüngsten Beitrag ins Netz gestellt:
http://www.nachtwei.de/index.php/articles/822

Vielleicht hilft uns jemand bei der Nachprüfung unserer These, dass

das beste und faktenreichste Dokument zum Thema (in deutscher Sprache) ist. Herzlichen Glückwunsch, Herr Abgeordneter, well done, Danke!

{Best News}

 

AFG-Surge: CHB?

18. Februar 2009

Gestern hat U.S.-Präsident Barack Obama seinen ersten Truppen-Entsendebefehl unterschrieben:

  • 8.000 Soldaten der “2nd Marine Expeditionary Brigade” (Camp Lejeune, N.C.) werden im Spät-Frühling d.J. im Süden Afghanistans stationiert;
     
  • 4.000 Soldaten der “5th Stryker Brigade” der “2nd Infantry Division” (Ft. Lewis, Wash.) werden im Sommer auch in den Süden folgen;
     
  • Weitere 5.000 Soldaten, sog. Force enabler (Ingenieure, Hubschrauber, Führungs- und Aufklärungseinheiten, Militärpolizei) werden ihre Marschbefehle später erhalten.

Damit steigt die Zahl der U.S.-Truppen in AFG von derzeit 38.000 auf 55.000 (+ 45 %). In Kabul, dem Westen und Norden AFG sind jeweils 3-5.600 ISAF-Soldaten stationiert, im Osten sind es schon 20.000. Mit der beschlossen Truppenstationierung wird im Süden AFG die Stärke von derzeit 22.360 auf mehr als 34.360 angehoben (+ 54 %). Ob sich, die AFG-Streitkräfte eingerechnet, damit eine CHB-Strategie (Clear/Hold/Build) durchführen lässt, können nur diejenigen beurteilen, die über alle statistischen Daten des Südens verfügen.

Nachholen dürfen wir, dass das U.S.-Verteidigungsministerium dem Parlament wieder einen 103-seitigen Bericht über die Entwicklung in AFG vorgelegt hat, dessen Sachstand allerdings Ende August 2008 ist:
http://www.defenselink.mil/pubs/ (“Report on Progress toward Security and Stability in AFG 01/2009”).

{“Surge” sollte man lieber als Sturzsee verstehen}

 

Sieg in AFG: auch

10. Februar 2009

Wer keine intellektuellen Berührungsängste vor Neo-Konservativen hat, sollte sich zu lesen trauen, was Frederick W. Kagan vom “American Enterprice Institute” (AEI) für “Planning Victory in Afghanistan” zu bieten hat:
http://www.aei.org/publications/filter.all,pubID.29346/pub_detail.asp

Bevor man Kagan’s 9 Sieg-Prinzipien liest, sollte man sich aber zunächst selbst entfrusten:

  • Da wäre zunächst der quotengeile Totschlagsvorsatz, mit dem Argument “Konflikte sind nicht militärisch zu gewinnen” fetten Beifall einzuheimsen. Darf man fragen: Wer hat das je behauptet? Höchstens irgendein Idiot;
     
  • Traut man sich noch zu sagen?: Wenn irgendwo ein absolut gewaltbereiter Feind (netter: Gegner) gegen mich anrennt, lebe ich oder er.
     
  • Wer mehr Soldateska statt (oder und ?) Friedensarbeiter fordert, muss eh blöd sein. Dass es eine empirisch abgeleitete Korrelation zwischen der Zahl der Sicherheitskräfte, bezogen auf eine Population, gibt (20:10.000), interessiert Ignoranten natürlich überhaupt nicht.

An Kagan’s Argumentation gefällt uns besonders:

  • Die Betonung des “Örtlichen” (local). Und dass die lokale “Aufstandsbekämpfung” (Counterinsurgency, COIN) in AFG nicht eine städtische (urban), sondern ländliche (rural) ist (Ja, Gen. Ramms sieht das anders). Die taktischen Konsequenzen sind enorm (auch die Truppenzahlen). Erinnere: “Clear/Hold/Build”;
     
  • Kagan führt vorsichtig an das systemische, genuin politische Zentral-Problem des Konflikts heran: Wer im Auftrag des “Bürgermeisters von Kabul” für die omnipotente Zentral-Macht kämpft, hat schon verloren. AFG hat traditionell eine lokale Machtstruktur, in der ohne die “Elders”, die Clan-Chefs, überhaupt gar nichts läuft (die sind mega-förderal);

    Je mehr sich ISAF dieser Wirklichkeit beugt, desto eher “verrät” sie die “demokratisch” gewählte Zentral-Regierung samt der AFG-Verfassung.

Der (westliche) “Demokratie-Export” (mit all seinen merkwürdigen kulturellen Aspekten) ist mit Sicherheit kein Erfolgsmodell. Wäre es die “Doktrin” von der Würde des Menschen (und der sonstigen Schöpfung), die allen Führenden dieser Welt zum Wohle ihrer Geführten auferlegt ist, wäre man vielleicht in einer besseren Position.

{Die Top-Down-Litanei ist (auch) das Problem}

 

Pakistan-SITREP: lesen

5. Februar 2009

2009 könnte man als das Pakistan-Jahr voraussagen. Wenn der absolute Spitzen-Journalist Syed Saleem Shahzad darüber den 4-Teiler “On the Militant Trail” in der “Asia Times” schreibt, dann muss man das unbedingt lesen:
http://atimes.com/atimes/South_Asia/KB03Df02.html
(Achtung: Seite 2 von PART 1 extra markieren und dann ausdrucken).

Und die U.N.-Mitarbeiter haben sich aus Quetta zurückgezogen; einige von ihnen sind gezielt ermordet worden.

{Shahzad muss man immer lesen}

 

AFG-Welle II: BO-Memo

3. Februar 2009

Sorry, wenn wir heute nur einen Nachklapp auf gestern schaffen (morgen beginnt so hässlich früh die DWT mit ihrem Unmanned Vehicles II-Forum).

Die Welle der Strategie-Empfehlungen für AFG hielt auch gestern noch an, mit einer bestimmten Tendenz:

Es war zu ahnen, dass einer unserer Besten (Danke) das korrekte Zitat locker aus der Tasche zaubert:

  • “GOTT gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.”

    (Zugeschrieben dem württembergischen Prälaten und Theologen Friedrich Christoph Oetinger, 1702 - 1782; auch als “Oetinger”-Gebet / “Gelassenheitsgebet” bekannt).

Oetinger schaut ganz einsam auf diese “Yes we can”-Allmachts-Hype und freut sich, dass das Prinzip Hoffnung die Demokratie immer noch sattsam nährt.

{Memo to BO: Do’nt forget Oetinger}

 

AFG-Strategie-Welle: volatil

2. Februar 2009

Der Blick in den internationalen Blätterwald der letzten Tage zeigt, dass es eine hohe Welle von Beiträgen gibt, die U.S.-Präsident Obama Vorschläge für den politischen Teil seiner AFG-Strategie unterbreiten:

Leider bekommen wir den (deutschen) Namen (und den Original-Text) des “Yes we can”-Kritikers jetzt nicht hin, aber wir lieben seine Erkenntnis (ist Wahlspruch des Zentrums für Innere Führung, Koblenz), geht irgendso:
Der HERR (oder wer und was auch immer) gebe mir die Kraft, Dinge zu ändern, die Einsicht in die Unlösbarkeit mancher, und die Weisheit, beides voneinander zu unterscheiden.

Demnach wäre es u.E. so:

  • Indien ist paranoid auf Pakistan fixiert, vice versa. Nachrangig ist Pakistan auf seinen Hinterhof AFG fixiert, während AFG PAK systemisch attackiert:
    Change?
     
  • PAK ist masslos gespreizt: ist praktisch bankrott, taumelt bei der Erkenntnis der inneren Bedrohung (SWAT, FATA):
    Change?
     
  • AFG-Präsident Karzei wird ganz massiv als das zentrale Problem beschrieben. Aber es ist kein Gegenkandidat in Sicht. Er wird wiedergewählt - und erstarkt?:
    Change?
     

Wer an “taktischen Stellschrauben” (Truppenstärke, Knete, Org.) rumfummelt, hat offensichtlich keine guten Karten. Alle Welt wartet auf den grossen “strategischen Wurf”.

{Der Wechselkurs ist immer volatil}

 

AFG/Drogentöter: Tag

29. Januar 2009

SPIEGEL-Online hat gestern um 20.08 Uhr mit seinem Titel “NATO-Oberbefehlshaber erteilt rechtswidrigen Tötungsbefehl” einen Steinwurf gelandet, der sicherlich noch einige Wellen schlagen wird:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,604137,00.html

SPIEGEL-Autorin Susanne Koelbl, die seit Jahren in AFG lebt, sauberste Analysen (incl. Buch) geschrieben hat, verfasste den Kracher. Sie besitzt den “geheimen” Wortlaut des Briefes von NATO-Oberbefehlshaber John Craddock, der den Tötungsbefehl gegen Drogenbarone erteilt, und dem sich der deutsche General Egon Ramms (SHAPE) und der U.S.-General David McKiernan (ISAF) widersetzen.

Rein analytisch muss man u.E. zunächst feststellen, dass sich die Minister der NATO-Staaten auf ihrem letzten Treffen im Dezember 2008 (oder Okt. 2008?) politisch augenscheinlich darauf geeinigt haben, gegen die Drogen-Problematik wesentlich aktiver vorzugehen (wo ist der Wortlaut?).

Dann hat U.S.-Verteidigungsminister Robert Gates in seiner Presse-Konferenz am 22. Januar 09 eröffnet, dass er die neuen, dementsprechenden “Rules of Engagement” unterschrieben habe (siehe hier). Den Kernsatz wiederholen wir:

  • If we have evidence that the drug labs and drug lords are supporting the Taliban, then they’re fair game.”

Zu der entscheidenden Frage der “evidence” stellt Susanne Koelbl dagegen (mit Befehls-Zitat) fest, dass General Craddock auch ohne diese Gate’sche Bedingung einen unterschiedslosen Drogentötungsbefehl gegeben habe, also ohne die bedingende “evidence”.

Wenn dies tatsächlich so ist, müsste man folgerichtig für den heutigen (oder morgigen) Tag die sofortige Ablösung des NATO-Oberbefehlshabers John Craddock durch Weisung des U.S.-Präsidenten erwarten dürfen (müssen) - oder die evidence des geheimen Craddock-Befehls, die ihn “entlastet”.

{Wer sagt denn sowas: “Alles kommt an den Tag”}

 

AFG-Strategie: aufwachen

27. Januar 2009

Sorry, wenn wir erst heute aufgreifen, was U.S.-Verteidigungsminister Robert M. Gates und Admiral Michael Mullen, Chariman des Joint Chiefs of Staff der U.S.-Streitkräfte, am 22. Januar während einer Pressekonferenz zum Thema Afghanistan angeboten haben:
http://www.defenselink.mil/transcripts/transcript.aspx?transcriptid=4343

Auf S. 5 des Transkripts breitet sich der Wechsel der neuen U.S.-AFG-Strategie aus, ohne das wir ahnen, was das konkret bedeutet:

  • In Sachen Krieg gegen die Drogen-Barone hat Gates neue “Rules of Engagement” unterschrieben:
    “If we have evidence that the drug labs and drug lords are supporting the Taliban, then they’re fair game”;
     
  • Den emotionalen Ausbruch von Gates (Mitte S. 5) muss man von hinten lesen: Gates kotzen die vielen Pläne, die alle haben, schlicht nur an;
     
  • Noch wichtiger ist Gates’ Ritt gegen die bisherigen Ziele der AFG-Pläne:

    - “too broad”,

    - “too far into the future”,

    und was er stattdesssen empfiehlt. Und der Zeitrahmen ist zu beachten:

    “within three to five years” !!
     
  • Und Admiral Mullen setzt drauf:
    “... all the military troops in the world aren’nt going to make any difference”.

Unsereins beruhigt sich. Die Finanzkrisen-Jongleure haben doch wirklich keine Peilung auf der 3-Jahres-Linie. Wer kommt eigentlich auf die Idee, das von den Sicherheits-Freaks zu verlangen?

{Du wachst auf - und stimmt Deine Strategie noch?}

 

NATO’s AFG-Lage: einsam

16. Januar 2009

Wenn man sich in das systemische Geflecht der Kommunikations-Kalamitäten der ISAF-NATO eindenkt, kann man sich deren jüngste ÖA/PR?-Aktivität gut erklären. Wenn eine ansonsten geheime, 2-seitige “Tactical Directive” des Kommandeurs der ISAF, U.S.-General David D. McKiernan, der schnöden Öffentlichkeit präsentiert wird, muss man geradezu vermuten, dass die alte Hütte lichterloh brennt:
http://www.nato.int/docu/update/2009/01-january/e0114b.html (siehe rechter Kasten “Official texts”)

Never, ever: einem toskana-gebräunten Quoten-Junkee wird man das Club-Med-Erlebnis nicht vermitteln können, welches den Helmand-”Touristen” aufdrückt wird. Folglich ist für uns der in seiner Tiefe für Zivilisten eigentlich unverständliche Satz (und Folgesatz) von McKiernan in Ziff. 5,
“No one seeks or intends to constrain the inherent right of self defense of every member of the ISAF-Force”,
der Kern des Problems. Wenn ich in wilder Flur plötzlich zugeballert werden würde, rüfe ich sogleich Bagram an. Wer soll mir denn sonst den Allerwertesten retten?

In der Wirklichkeit könnte dieses Selbstverteidigungs-Dilemma nur durch adäquate Truppenstärken gelöst werden. Wenn unsereins die von McKiernan für jederman befohlene Gardinenpredigt hören würde, wären die Gedanken genau in der kritischen Lage, die nur der versteht, der sie erfahren hat (und in der ein feuchter Händedruck nun keine Hilfe ist).

Wer sich in die AFG-Lage versetzen will, wird wahrscheinlich das Info-Bombardement begrüssen, welches die NATO “unter’m Ladentisch” bietet, und uns unser Lieber geschenkt hat:

“Security Summary” der NATO zu AFG (pdf)

{Wirklichkeit ist Einsamkeit}

 

Zuflucht: besser

18. Dezember 2008

Wer sich gern Unterricht für komplexe Probleme erteilen lassen will, findet jeden Tag irgendwo eine tolle Nachhilfe, die er nur noch aufsaugen muss. Zum Thema AFG empfehlen wir heute zuerst Ann Marlowe. Im “Weekly Standard” breitet sie über fast 6 Seiten ihre Geschichte zum Stichwort “Polizei in AFG” aus:
http://www.weeklystandard.com/Content/Public/Articles/000/000/015/922gzotm.asp

Dank Steven Aftergood von der “Federation of American Scientists” können wir auf die Studie des von uns sehr geschätzten “Congressional Research Service” verbinden, die sich allerfeinst mit der Zufluchtsstätte beschäftigt, die wohl die dichteste Konzentration der grössten Zahl der brandgefährlichsten “Steinzeit”-Krieger (= AK-47, RPG 7, IED, Selbst-Spreng-Gürtel, + WMD?) aller Zeiten darstellt:
http://www.fas.org/sgp/crs/row/RL34763.pdf

Der “Safe Haven”, die geschützte Zufluchtsstätte, vermittelt evtl. ganz komische Assoziationen. Man fiebert mit den “armen” Flüchtigen, die doch nur “Schutz” suchen; die “Bösen” wollen sie in ihren “Nestern ausräuchern”! In der Real-Sicherheit (vgl. die “Real-Wirtschaft”) haben sie doch eine gute Postition?

{Geht es MIR so oft eigentlich besser, als ICH das so gemeinhin denke?}

 

Brahimi’s AFG: Schuld

8. Dezember 2008

In der “Washington Post” hat sich der super-erfahrene Weltpolitiker Lakhdar Brahimi zum Thema Afghanistan zu Wort gemeldet; er war von 2001 bis 2004 der “Special Representative” des U.N.-Generalsekretärs für und in Afghanistan.

Seine Vorschläge für einen “New Path for Afghanistan” sollte man gelesen haben:
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2008/12/05/AR2008120503191.html?na v=rss_opinion/columns

Bemerkenswert ist u.E.:

  • Brahimi’s Rückschau auf den für die AFG-Entwicklung bestimmenden “Petersberger Gipfel” 2001 in Bonn ist deutlich kritisch;
     
  • Für 2002 vermerkt Brahimi zwei U.N.-Vorschläge (willige Taliban einzubziehen und ISAF ausserhalb Kabul zu stationieren), die er leider nicht nachdrücklich genug unterstützt habe;
     
  • Seine drei Vorschläge (eigentlich nur zwei) für einen “neuen Pfad” sind zwar richtig, sind aber in der Umsetzung sehr monströs:

    - Die genaue Differenzierung des Sammelbegriffs “Taliban” könnte noch einfach sein;
    - Im Dreieck von Afghanistan, Pakistan und Indien heutzutage die pakistanische Regierung zu etwas zu bewegen, darf nach den Terror-Anschlägen in Bombay (Mumbai) für längere Zeit als aussichtslos gelten. Ebensowenig ist zu erwarten, dass es Hamid Karzai aufgibt, bei jeder Gelegenheit die Regierung in Islamabad öffentlich an den Pranger zu stellen. Wer permanent Gegnerschaft schürt, steht nicht im Verdacht, wirkliche Fortschritte zu wollen. Der Verweis auf den äusseren “Feind” ist seit Jahrtausenden die erprobte Strategie, von der eigenen Unfähigkeit ablenken zu wollen, was für die Wiederwahl doch sehr hilfreich ist.

{Ich unfähig - Du Schuld!}

 

ANSO-Report: toll

4. November 2008

Nein, nicht Militärs verdanken wir einen anständigen Überblick über die Sicherheitslage und -entwicklung in Afghanistan, sondern dem “Afghanistan NGO Safety Office” (ANSO). Dieses Büro verfasst für die in AFG tätigen NGO’s (Non-Gouvernmental Organizations) Lageberichte zur Sicherheit im Lande, unterstützt von der EU, den Schweizern und den Norwegern.

Einer ist uns in die Hände gefallen:

  • The ANSO Report, 16.-31. Oct. 2008 (pdf) (Sorry, mussten wir rausnehmen)

Um ein plastisches Bild von der Lage zu bekommen, müsste man alle 13 Seiten intensiv studieren. Wer hastig unterwegs ist, muss wenigstens die Seiten 5 (ab Kunduz) bis Seite 7 (Baghlan) lesen, denn das sind die Provinzen des unter deutschem Oberbefehl befindlichen Regionalkommandos Nord (RC North):

  • Über 4 der 9 nördlichen Provinzen kann ANSO leider nicht berichten (das ist immerhin die Hälfte aller “missings”, siehe S. 8- wie das?);
     
  • Als gefährlichste Nord-Provinz gilt Kunduz. Aber die Provinz Balkh weist Kunduz gegenüber eine doppelt so hohe Anschlagshäufigkeit auf, wenn man die Anschläge der bewaffneten (AOG) und der kriminellen Gruppen (ACG) zusammenrechnet;
     
  • Die Provinzen Frayab und Jawzjan sind relativ ruhig;
     
  • Im September 08 ist in Baghlan ein Anstieg der AOG auf 12 zu verzeichnen;
     
  • In die östliche Provinz Kunar strömen die Kämpfer aus der pakistanischen Nachbar-Provinz Bajaur, die in den vergangenen Wochen wohl massive Einsätze der pakistanischen Armee erlebt hat. Überdurchschnittlich stieg die Zahl der Anschläge der AOG in Kunar im Okt. auf 90!;
     
  • Von einem hohen Niveau ist die Zahl der Anschläge deutlich gefallen in den Provinzen Kandahar und Ghazni.

Zugern hätten wir einen Netzwerker, der uns den neuesten ANSO zuschickt. Auf jeden Fall wissen wir jetzt, dass ANSO eine ganz feine Alternativ-Adresse ist (Danke!).

{Ist die Geheimniskrämerei der Militärs politisch oder psychologisch?}

 

AFG-Umfrage: fette Nerven

29. Oktober 2008

Über Christian Windeck auf www.defpro.com haben wir gestern gelernt, dass die U.S.-finanzierte “Asia Foundation” wieder eine Umfrage unter mehr als 6.000 Afghanen in allen 34 Provinzen durchgeführt hat, die u.E. jeder intensiv studieren sollte, der sich ernsthaft mit dem Problem beschäftigt:
http://www.asiafoundation.org/country/afghanistan/2008-poll.php

Nach Überflug stellen wir fest:

  • Es gibt genügend ermunternde Aspekte;
  • Man muss die Regionen (Nord, West, Süd, Ost) ganz dezidiert auseinander halten, städtische von ländlichen Befindlichkeiten trennen;
  • Durch westliche Medien geprägte (Vor-)Urteile müssen neu kalibriert werden (z.B. Polizei, Poppies, Stellenwert der Korruption);
  • Wie soll man das arge Problem der Arbeitslosigkeit in einem ärmsten Land angehen?
  • Gibt es für den vorrangigen Wunsch nach Elektrizität keine Patent-Lösung?
  • Der Abwärts-Trend ist zwar durchgehend, muss aber nicht als verloren gelten.

Permanent wird posaunt, das Militär müsste die “hearts and minds” gewinnen. Fast ganz falsch: Die Zivilisten müssen es, z.B. mit Arbeitsplätzen und Elektrizität. Es stimmt, dass die militärischen Vorgänge in AFG ganz im Vordergrund des öffenltichen Interesses stehen. Würden die zivilen Aufbau-Leistungen genau so intensiv untersucht, könnte man vielleicht mit einigen Überraschungen rechnen (oder auch nicht - siehe Postscriptum).

{Gilt das Diskriminierungs-Verbot eigentlich auch für das Militär?}
(P.S. Man kann das aber auch so sehen:
- Wie kann man ein bettelarmes Land, nach 30 Jahren Krieg, von heute auf morgen mit einer Arbeitslosenrate von 10 %, Elektriziät, Strassen, Schulen, fliessend Wasser versorgen?
- Bei einem Anteil von ?% Steinzeit-Ideologen, die religiös-kulturell verbrämt, auch noch mit ethnischem Überlegenheitsanspruch umherballern, bei gutem Sold?
- Das braucht fette Nerven (Lerne: Wenn Du sie nicht hast, lass es).

 

AFG/Abgrund?: Bettgeflüster

22. Oktober 2008

Wenn man diese Internet-Adresse aufruft http://www.worldpoliticsreview.com/blog/blog.aspx?id=2796 ,
hat man auf einen Schlag alle Links zu einer Debatte, die Nir Rosen mit seinem “Embedded with the Taliban” ausgelöst hat. Vor allem die Hinweise auf Dexter Filkin’s NYT-Artikel und das pdf von Vikram Singh und Nate Fick sind für Interessierte eine Fundgrube.

Seit Jahren wird über die Frage gestritten, ob man mit den Taliban reden, verhandeln solle. Dabei wird natürlich jede Differenzierung und Konditionierung ausser Acht gelassen, und blind drauflos gedroschen:

  • Dass man zu seinem Feind/Gegner einen Kommunikations-Kanal haben sollte, ist schon arg trivial. Dass man bei allem Feuer öfter “einen Ping” senden sollte, ebenso;
     
  • Verborgen dürfte niemandem geblieben sein, dass sich die Taliban aufgliedern in wieviel? Fraktionen, die alle zu allen Aspekten ihres Krieges gegen die ISAF ein breites Spektrum an differenzierten Ansichten haben. Man darf sicher sein, dass eine Handvoll von Polit-Forensikern die Profile des Taliban-Spektrums seit längerem zu Papier gebracht haben;
     
  • Ein “Feind” zeichnet sich u.E. durch ein gerüttelt Mass an Unerbittlichkeit aus. Er stellt seinem Feind Vorbedingungen für Verhandlungen, die für diesen die vollständige Kapitulation bedeuten. Ein “Gegner” hingegen ist ggfs zu einem “Deal” bereit, der der Sache förderlich sein könnte;
     
  • Wer einen richtigen Feind am Halse hat, sollte nach dessen Freund Ausschau halten. Der Freund meines Feindes ist der Einzige, der auf ihn eventuell noch einigen Einfluss besitzt (siehe die lobenswerten saudi-arabischen Anstrengungen);
     
  • Das letzte Problem ist “systemischer” Art. Wenn - wie hier die afghanische Regierung - ein Dritter “zuständig” ist für die Verhandlungsführung, muss man selbst eine interne Druckkulisse aufbauen, die es in sich hat.

Wenn man so sehen will, ist das “im Bett mit den Taliban” für eine öffentliche Debatte nicht so recht geeignet.

{Bettgeflüster ist immer “off the records”}

 

Umsonst-Staat: Meinung

21. Oktober 2008

Gestern sind wieder 2 deutsche Soldaten und fünf afghanische Buzzies (so liebenswerte Kinder) tötliche Opfer eines ambitionierten Typs geworden, der meinte, dass das ihm die jenseitige Glückseligkeit bescheren wird. Kulturell darf man vielleicht resümmieren, dass der Narzissmus in den dekadenten westlichen Gesellschaften sich wenigstens noch auf Bohlen-Niveau bewegt, in der muslimischen Rand-Kultur aber weiterhin völlig abgedreht ist.

In der globalisierten Gemengelage der Kultur (= wie man lebt) sucht man nach Haltepunkten:

  • Der Staat, als Bollwerk gegen die gesellschaftliche Tendenz zum Marodieren bei Ordnungslosigkeit, muss sich gegen das drohenden Chaos durchsetzen, und sei es mit dümmsten Argumenten, als morbide erscheinenden Konzepten;
     
  • In der Finanzkrise kann Kritik leicht abgebürstet werden mit dem Hinweis auf die Alternative des Nichtstuns; die Apokalypse droht. Die wirtschaftliche (innere) Staatsräson lässt sich (natürlich im Eilverfahren) leicht herstellen;
     
  • Zur “äusseren” Staatsräson sind ehrliche Bekenntnisse rar. Sie müssten beinhalten, dass der Staat zur Erlangung seiner Ambitionen notfalls bereit ist, “Söhne” zu opfern;
     
  • U.E. wird das in den westlichen Gesellschaften unterschiedlich verstanden. Hierzulande ist das untere Ende erreicht. Deutsches Blut zu opfern für jemanden ausser für sich selbst? (Erklärt sich so der egomane Nazi-Wahn?);
     
  • Völlig fremd ist der deutschen Zivilgesellschaft, in welche Kategorie die “Opfer-Bereitschaft” der Soldaten-”Seele” einzuordnen ist (oder ist das eine Propaganda-Schimäre?). Verlangen getötete Soldaten-Seelen und ihre Hinterbliebenen zu Recht wenigstens, dass sie nicht “umsonst” gestorben sind?

Aus Frackigkeit (von Wrak abgeleitet) überhöhen wir die Fragestellung makaber so:

{Umsonst ist der Tod: er kostet das (wahre) Überleben}

 

Freund-Konzeption: systemisch

13. Oktober 2008

Die Woche fängt gar nicht gut an, nach dem wir den entsprechenden Teil der Lese-Auswahl von www.realclearworld.com gelesen haben:

Wenn man als Lehnstuhl-Stratege gerade auf die Welt gekommen wäre, würde man schnell auf die konzeptionelle Frage kommen, wie man eine inzwischen mächtig souveräne Regierung der zu bildenden (nation-building) Nation ggfs. auf den Pfad guter Regierungsführung zurückführen kann.

Konkret: Oft sieht man den wohlgekleideten afghanischen Regierungschef, dem von westlicher Seite stets untertänigst alle Avancen gemacht werden (müssen, was der auch weiss). Andererseits liest man allenthalben (insbesondere von höchstrangigen Repräsentanten des Westens, auch des U.S.-Militärs), dass das wohlgekleidete Regime korrupt und unfähig ist bis in die Haarspitzen (viel Spass bei der Wiederwahl).

Eine kluge und wohlbegründete (sound) Strategie des Westens müsste für diesen Fall eine operativ orchestrierte Politik zur Hand haben, deren Chancen auf Durchsetzungsfähigkeit offensichtlich wären. Dem ist, aus systemischen Gründen, offenbar nicht der Fall.

In der deutschen Dabatte um die internationale Finanzkrise ist uns aufgefallen, dass der Begriff “systemisch” mehr und mehr auftaucht. Deshalb haben wir wieder einen Studienauftrag zu vergeben: “Die Bedeutung der Systemik in der internationalen Sicherheitspolitik”.

{Auweia: Das System ist systemisch}

 

Teueres Gut: Meinung

8. Oktober 2008

In der gestrigen Bundestagsdebatte zur 1. Lesung des neuen ISAF-Mandats haben wir wieder das mindestens schludrige Lamento gehört, man müsse die zivilen Anstrengungen erhöhen, nicht die militärischen. Wohlfeil wird beklagt, dass für die Sicherheit das Geld verbrannt werde, während der zivile Aufbau Hunger leide.

Aus einer Antwort der Bundesregierung auf die Frage der MdB Gesine Lötsch (Die Linke) geht hervor, dass das BMVg vom 22. 12. 2001 bis 2008 (incl. der 487 Mio. EUR für 2008) ganze 2,42 Mrd. EUR ausgegeben habe. Die konkrete Regierungsangabe für die zivilen Aufbauhilfen haben wir zwar nicht zur Hand, aber nach unserer Erinnerung darf man sie im Mittel auf grob 100 Mio. EUR p.a. seit 2001 beziffern, also insgesamt 700 Mio. EUR bis 2008. Damit ergibt sich ein Verhältnis von 1 : 3.45 von zivilem Aufbau zur Sicherheit (aufseiten der U.S.A. ist es nach unserer Erinnerung 1 : 10).

Warum haben die zweifelsohne exorbitanten Ausgaben für die Sicherheit ein derart “schlechtes Image”?

  • Sicherheit ist, vor allem wenn der Faktor einer fühlbaren Bedrohung existiert, leider auch dann eine nicht messbare Grösse. Trotzdem hat sie fundamentale Auswirkungen auf das “Gemüt” (mindset) der nicht-intellektualisierenden, sondern direkt betroffenen Massen (siehe den bei der Diskussion über die internationale Finanzkrise im Mittelpunkt stehenden Begriffs des “Vertrauens” ... in die Sicherheit der Einlage).

    Die “hearts and minds” kann man nur gewinnen, wenn man ihnen den Fundamentalwert Sicherheit garantiert (Wasser und Strom ist nichts dagegen).
     
  • Aus dem neuen Nachtwei-AFG-Report vom 5.10.08 (demnächst auf www.nachtwei.de , wieder “Hut ab”, muss man lesen!) kann man die notwendigen Daten entnehmen (S. 6):
    Man hat für die Provinz Kunduz (so gross wie Rheinland-Pfalz und Saarland) 600 Mann, aber “brutto”!
    (wieviel Polizisten gibt es in Rheinland-Pfalz und im Saarland?)

    Und diesen eingeklammerten Nachtwei-Satz (S. 5) zitieren wir auch gern, weil er einen, von “Hardlinern” immer behaupteten, strategischen Wirkungszusammenhang belegt:
    “(Eindeutig scheint der Zusammenhang zu sein zwischen Kräfteumfang und Angriffshäufigkeit. Als zusätzlich in der ersten Jahreshälfte eine ganze Fallschirmjäger-Kompanie (ca. 200 Mann) vor Ort war, gingen die Attacken zurück.
    Sie nahmen zu, als nur noch zwei Züge vor Ort waren.)”
     
  • So intellektualistisch lieblich die wohlfeile Forderung nach Verstärkung der zivilen Aufbauanstrengungen auch immer ist: Unsere Betrachtung kommt eher zu dem Ergebnis:

    - Ohne tatsächliche Sicherheit ist der zivile Aufbau schlicht eine Illusion;
    - Je grösser die Unsicherheit ist, desto immenser sind die Kosten für ihre Beseitigung (vgl. die Kosten für die “Beseitigung” der Piraten-Bedrohung);
    - die reale Bedrohung der Sicherheit muss durch die entsprechenden Fakten klar belegt werden (es ist nicht lustig, wie die tatsächliche Bedrohung im Osten und Süden AFG in Deutschland wahrgenommen wird; Helmand ist auch nur eine Provinz - leider fehlen uns die entsprechenden Daten);
    - es ist für die mentale Gesundheit Deutschlands überhaupt nicht förderlich, wenn eindeutige Wirkungszusammenhänge und die entsprechenden Fakten von Spin-Doktoren orwellsch in den Populismus gedreckt werden.

{Sicherheit wird nur der definieren können, der sie verloren hat}

 

Saudi-Gespräche: Patent

6. Oktober 2008

Nachdem, augenscheinlich von französischer Seite, vernichtende Bemerkungen des britischen Botschafters in Kabul durchgestochen worden sind:
http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/asia/article4860080.ece
und der britische Brigade-General Mark Carleton-Smith ebenfalls negative Schlagzeilen produzierte:
http://www.timesonline.co.uk/tol/news/uk/article4882597.ece?print=yes&randnum=122324368 5953
muss man den ersten positiven Sonnenstrahl geniessen, der in Saudi-Arabien aufgeht:
König Abdulla hat 4 Tage lang hochrangige Vertreter der afghanischen Regierung und der Taliban in Mekka zu Gesprächen zusammengeführt (soll 2 Jahre gedauert haben):
http://edition.cnn.com/2008/WORLD/asiapcf/10/05/afghan.saudi.talks/index.html

Für uns ist die Geschichte eine lehrreiche Erinnerung an die Prinzipien der Aussenpolitik:

  • Suche Dir einen Mediator, der wirklichen Einfluss auf Deinen Gegner hat (sind die Saudis selbst auf die Idee gekommen oder gab es einen klugen Macht-Flüsterer?);
     
  • Sind die Saudis deshalb die grosse Hoffnung, weil sie seit langem im Verdacht stehen, den Taliban die “Charity” zu sein? Oder ist die von CNN-Reporter Nic Robertson genannte Iran-Drohung das treibende Motiv?

Angesichts des Beispiels träumt unsereins davon, die Technik kennen zu lernen, die z.B. bei den Saudis vonnöten ist:

  • Wie bringst Du als relativ armes Würstchen völlig absolute Machtbolzen dazu, ein gerüttelt Mass an Vernunft, Menschlichkeit etc. aufzubringen? Wie muss man mit 1,60 Höhe gestrickt sein, um in 2m friedliche Wirkung zu erzielen?

Angesichts unserer 0,00001-Höhe können wir auch nur 100 EUR für dieses Patent-Rezept ausloben (Günter Jauch hilft uns ja nicht).

{Geisteswissenschaftliche Patente sind äusserst rar}

 

CSIS/Afghanistan: Nachsatz

24. September 2008

Wenn Anthony Cordesman vom anerkannten “Center for Strategic & International Studies” (CSIS) etwas zu Afghanistan schreibt, muss (!) man das wenigstens abladen und durchblättern.

In seiner am 22. Sept. veröffentlichten Studie vergleicht Altmeister Cordesman die U.S.-Anstrengungen hinsichtlich Irak und Afghanistan; die Ressourcen-Verteilung (und das Ergebnis?) ist klar zum Nachteil AFG:
http://www.csis.org/component/option,com_csis_pubs/task,view/id,4929/type,1/

Für die deutsche Debatte ist die 113-seitige Cordesman-Arbeit vom 18. Sept. vor allem deshalb unverzichtbar, weil sie die Bedrohung datenreich aufzeichnet. Natürlich werden Typen wie Herr Gertz nie und nimmer zur Kenntnis nehmen wollen, dass Taliban & Co nur im Osten und insbesondere im Süden AFG eine ganz erhebliche Bedrohung aufbringen und es darauf nur eine einzige Antwort gibt: den militärischen Kampf mit all seinen hässlichen Begleiterscheinungen:
http://www.csis.org/component/option,com_csis_pubs/task,view/id,4885/type,1/

Man muss die Menschen schon bewundern, die mit grinsender Dreistigkeit immer wieder den selben Schrott feilbieten, der jeder Lage-Beschreibung Hohn spricht. Es kann keine Dummheit sein, aber dann wäre es Vorsatz.

{Dem Vorsatz folgt der Nachsatz}

 

Nachtwei’s AFG: Hut ab

19. September 2008

Gestern um 20.35 Uhr ist uns eine e-mail des Bundestagsabgeordneten Winfried Nachtwei (Die GRÜNEN) ins Postfach gerauscht. Sie enthällt einen 40(!)-seitigen Bericht über seine 11. AFG-Reise vom 6. - 16. August 2008.

Nach der Lektüre stellen wir fest:

  • Im Bereich Aussen/Sicherheitspolitik ist MdB Nachtwei unserer Kenntnis nach der einzige Abgeordnete, der andauernd seine (Reise)-Eindrücke sachlich, detailliert und sehr ausführlich dokumentiert, und vor allem öffentlich präsentiert. Die dahinter “versteckte” Haltung ist nur allerhöchstes Lob wert. Für eine differenzierte Meinungsbildung eignen sich seine Arbeiten ganz hervorragend. Hut ab!

Das pdf unter der roten Zeile Nachtwei: Reisebericht Afghanistan, Sommer 2008” abladen:
http://www.nachtwei.de/index.php/articles/742

{Zur Abwechselung wünschen wir mal ein spannendes Wochenende!}

 

Todesbilanz: 1.445

17. September 2009

Navi Pillay, U.N. High Commissioner for Human Rights, hat gestern die Statistik über zivile Tote im Afghanistan-Krieg von Jan. bis Aug. 2008 herausgegeben:
http://www.unhchr.ch/huricane/huricane.nsf/view01/B72C967D56F5D9B8C12574C60047A203? opendocument (Presse-Text bis Ende scrollen, 5-S.-Dok abladen).

Von den 1.445 zivilen Toten (+ 39% gegenüber gleichem Zeitraum in 2007) werden 800 den “Anti Government Forces”, 577 den Pro Government Forces zugeschrieben (davon 395 durch Luftangriffe).

{}

 

Local COIN: Mangel

16. September 2008

So sicher sind wir nicht, ob die heutige Empfehlung grosses Interesse findet. U.E. ist aber der Artikel von Thomas H. Johnson und M. Chris Mason, “All Counterinsurgency Is Local” für die Afghanistan-Experten nachprüfenswert:
http://www.theatlantic.com/doc/200810/afghan

Die Startpunkte der Autoren dürften unumstritten sein: Die Distrikte (woleswali) innerhalb der 37 (?) Provinzen Afghanistans, die lokale Ebene also, sind der richtige Anfang der Lage-Analyse. Hier herrschen die entscheidenden Clans, Tribes, Elders. Johnson/Mason schlagen vor, mit 100-köpfigen Teams in die 200 Distrikte (wahrscheinlich nur RC EAST) zu gehen, anstatt in Provinz-Stützpunkten (PRT’s) massiert zu hocken.

Den zentralen Einwurf gegen ihr Konzept sehen die Autoren:
“Deploying relatively small units in numerous forward positions would undoubtedly put more troops in harm’s way”.

Konzeptionell richtig ist der Ansatz u.E. auf jeden Fall. Die grosse Frage ist, ob eine ausreichende Ressourcen-Verteilung für die Umsetzung des Konzepts gefunden werden kann. Das herauszufinden ist nun wieder die Aufgabe für ein Experten-Team, welches einen mächtigen Befürworter haben muss, der wiederum über die entsprechenden Ressorcen verfügt (Weisungs- und Knete-Gewalt), und anschliessend mächtig Druck macht.

{Der Mangel dreht uns immer durch dieselbige}

 

AFG-Update: tickt

12. September 2008

Für den Überblick der afghanischen Entwicklungslinien sind u.E. zwei Papiere mit ins Wochenende zu nehmen:

  • Wer immer sich mit dem Thema U.S.-Bombardement von “Hochzeitsgesellschaften” beschäftigt, muss die Studie von Marc Garlasco und Michael Shaikh, “Human Rights Watch”, gelesen haben: “Troops in Contact’ - Airstrikes and Civilian Deaths in Afghanistan”:
    http://www.hrw.org/english/docs/2008/09/08/afghan19766.htm

    Die Daten und Fakten werden Referenz werden, und die Abhandlung der Problematik kann man nur sauber nennen.
     
  • Admiral Michael G. Mullen, Chairman Joint Chiefs of Staff, hat vor dem U.S.-Repräsentanten-Haus eine beachtenswerte Beurteilung abgegeben. Mullen ist zwar zunächst überzeugt, den Krieg gewinnen zu können, aber die dann folgenden  Forderungen (S. 4) sind schon heute als kaum erfüllbar einzustufen. Nur den Satz möchten wir zitieren:
    “And frankly, Sir, we are running out of time” (S. 3, unten):
    http://www.house.gov/hasc/hearing_information.shtml (scrollen: Sept. 10, 10.00 am).

{Zeit kann nicht laufen - man tickt nur nicht richtig}

 

BMVg-ÖA: Witz

7. September 2008

Man muss ja nicht alles lesen, was die Presseabteilung des Pentagon jeden Tag an Marketing-Meldungen raushaut. Aber es ist auch saubere Öffentlichkeitsarbeit (ÖA, PR) dabei, z.B. diese:
http://www.defenselink.mil:80/transcripts/transcript.aspx?transcriptid=4283

Per Telekonferenz wird Generalmajor Jeffrey Schloesser, Kommandeur der Koalitions-Streitkräfte in der Region Ost von Afghanistan (CJTF 101, RC East), einer Gruppe von Journalisten in Washington zugeschaltet, die erst einem 3-Seiten-Referat von General Schloesser zuhören, dass gespikt mit jeder Menge interessanter Details ist, um dann eine nicht minder wichtige Frage&Antwort-Chance von 4 Seiten haben, die man auch noch lesen muss.

Wird der deutsche Verteidigungsminister jemals die Weisung an seinen Presse-Chef geben - oder wird der seinen Minister treiben - solche “Öffentlichkeitsarbeit” zu betreiben? Der deutsche kommandierende General Waigt (RC North) in einer Tele-Pressekonferenz?

Hhuuhuhuuh, wie kann man denn solche Witze machen?

{Soviel Jux darf doch sein?!}

 

Feuerkraft: einsam (+ 1. mail)

4. September 2008

Zunächst muss man dem ZDF Anerkennung zollen, dass es den 35-minütigen französischen Beitrag “Krieg im Namen des Friedens” ab 0.35 Uhr ins Bild gehoben hat:
http://dokumentation.zdf.de/ZDFde/inhalt/19/0,1872,1021587_idDispatch:7988758,00.html?dr= 1 (ganz unpolitsch, reine Wirklichkeit, sachlich, trocken).

Entlang dieser Bilder mögen wir eine Frage an die deutsche Community stellen, die sicher schnell verurteilt werden kann, weil journalistische Geil- und Dummheit wider den militärischen Sachverstand löckt (sorry, wir sind so unbescheiden).

Wir haben die plastischen Beschreibungen des Taliban-Angriffs auf den U.S.-”out-post” gelesen, der 9 U.S.-Soldaten das Leben gekostet hat, ebenso den auf den französischen Konvoy, bei dem 10 französische Kameraden gefallen sind.

Was auch immer: U.E. stellt sich die Frage nach der Feuerkraft unserer Einheiten (30-Mann-Stärke, Konvoi, ‘”outpost”) angesichts eines massierten Überfalls des Gegners im Stärke-Spektrum von 200 (Kalaschnikow, schweres Maschinengewehr, RPG7), aber auch generell.

  • Über die Aufklärungs-Komponente wollen wir hier nicht reden. Sie ist selbstverständliche und unverzichtbare Komponente aller Missionen;
     
  • Im Grunde unterscheidet sich die Bewaffnung eines 30-Mann-Zuges des II. Weltkrieges nicht wesentlich von der heutigen. Die Limitierung ist durch die Tragkraft der Soldaten bedingt. Zu untersuchen wäre, ob der Besatz des 30-Mann-Zuges mit Feuerkraft auf der Höhe der Zeit ist (Zahl der 40mm-Granatwerfer, Scharfschützen-Gewehre, Rucksack-Mörser etc.);
     
  • Die zweite Frage ist, welche Feuerkraft auf den benutzten Fahrzeugen installiert wird. Unter Schutz zu bedienende Waffen-Anlagen müssen ein durchsetzungsfähiges Kaliber haben, müssen verheerende Feuerkraft gezielt verbreiten (ist das bei uns angelegt?);
     
  • Die Problematik ist dann auf das Reichweitenband zu projezieren, “joint” und “combined”:

    - Wählt der “Forward-Air-Controller” im Bedrängungsfall die Tel.-Nr. von Bagram Air Force Base (und wartet vielleicht 4 h)?

    - Ist die Panzerhaubitze 2000 stationiert, die über 40 km Entfernung noch “helfen” kann?

    - Und ganz konkret auf die (recht ferne) Zukunft gerichtet: Soll man WABEP (HAROP) durchwinken, weil alle heutigen Szenare die politische Einsamkeit des Heeres nahelegen?

Mit untertänigstem Verlaub in journaille-artigem Ton bitten wir um Hilfe: Ohne Ihr sachkundiges Korrektiv kommen wir nicht weiter (Vertraulichkeit ist Ehrensache).

{Ohne guten Rat ist man immer einsam}

- kann man auch hier offen diskutieren:
http://www.defpro.com/groups/group/geopowers_com/
(die Kreation der Log-in Adresse muss man allerdings einmalig schaffen)


Nachtrag 5.9.08, 1. mail:

Lieber Herr Forster,

zwar als Journalist, aber immerhin mit der (Dienst-) Erfahrung von 14 Jahren und drei Monaten in der Bundeswehr sowie 13 Jahren als Kriegsreporter möchte ich mich an der heute angeschobenen Diskussion um Feuerkraft beteiligen.

Sie streuen aus meiner Sicht Salz in die Wunde:

- Nein, die Feuerkraft eines Zuges reicht nicht aus, um zielgerichtet einem quantitativ überlegenem Angriff afghanischer Aufständischer im Kompanieäquivalent begegnen zu können.

- Nein, die Ausbildung der Infanteriezugführer und –kompaniechefs reicht nicht aus, das Gefecht der verbundenen Waffen zu koordinieren und zu führen.

- Nein, sie sind weder von der Ausrüstung noch vom Truppenmix dazu in Lage.

Ja, es ist (militär-) politisch auch nicht gewollt.

Es fehlen

1. die Fähigkeit, gezielt Führer ausschalten zu können (Scharfschützenkapazität auf der Zugebene – die Fähigkeit ist ja in aller Regel auf Bataillonsebene konzentriert (und der Kommandeur gibt dieses „Spielzeug“ ungern aus der Hand, erst recht nicht an einen Hauptfeldwebel)),

2. die Fähigkeit, die Feueranforderungen „zerschlagen“, „niederhalten“ und „blenden“ in akzeptabler Zeit umzusetzen (es fehlen die Rohre (gleichgültig ob Mörser oder PzH 2000) sowie die Fähigkeit, das Feuer zu leiten (VBs – der Zugführer greift auf das antiquierte Notfallverfahren des Sehstreifens zurück – wenn er es denn zwischen zwei Auslandseinsätzen überhaupt wieder einmal am Schießsandkasten geübt hat)),

3. CAS – insbesondere Kampfhubschrauber (naja, die hat Deutschland ja auch noch nicht im Programm) anzufordern und zu leiten und mit den Bewegungen von Bodentruppen zu koordinieren (FAC sind Rarität – und wer bitte sonst soll es denn machen? – verfügbar sind die Dinger ja relativ schnell (ein US-FAC versicherte mir, dass innerthalb von 70 Min an jedem Punkt Afghanistans Kampfhubschrauber verfügbar seien, Jets entsprechend schneller, wenn auch seltener genehmigt),

4. die Fähigkeit, einen in Hit-and-Run-Taktik kämpfenden, ausweichenden Gegner zu stellen und zu schlagen (ich vermeide bewusst das in anderen NATO-Streitkräften verwendete Wort „vernichten“) – hierzu müsste nicht nur Lufttransportkapazität auf taktischer Ebene etabliert werden (ach ja, die haben die Deutschen ja auch nicht im Programm …), sondern auch mit operativer Aufklärungsfähigkeit (Drohne) kombiniert und in schnelles, entschlossenes Handeln umgesetzt werden.

Ein „Taliban-Führer“ sagte mir vor zwei Wochen in einem Gespräch, dass ihre Verluste vergleichsweise gering seien, weil sie in der Lage seien, sich nach einem „Gefecht“ schnell zurückzuziehen. Bei aller Vorsicht über Taliban-eigene Aussagen zu eigenen Verlusten, eines scheint mir im Kern richtig: Nach Anschlägen, Attacken, wird vergessen, dass es im früheren taktischen Ost-West-Konflikt-Denken noch den Gegenstoß gab. Einen zeitlich wie örtlich begrenzten, ungeplanten Angriff des taktischen Führers, der beispielsweise die Zerschlagung ausweichender Feindkräfte zum Ziel hatte. Für solche Aktionen ist die Feuerkraft eines Infanteriezug – gleichgültig ob im outpost, bei der Sicherung von Konvois (ich gehe davon aus, dass Konvoistrecken erkundet wurden – auch pioniertechnisch) oder während einer Patrouille ausreichend. So bleibt den Aufständischen genügend Zeit, sich zu zerstreuen (z.B. verschwinden in der Bevölkerung), zu reorganisieren und vor allem ihre „lessons learned“ inzwischen akribisch zu betreiben.

Dass sie dazu fähig sind, ist auf das totale Versagen der HUMINT-Komponente zurückzuführen …

{Das ist mail! Danke!}

 

AFG-Sitrep: Hirn

4. August 2008

Wir vermuten, dass der Sättigungsgrad zu Situations-Reportagen (SITREP) über Afghanistan langsam erreicht wird. Weil der nur 7-seitige SITREP des amerikanischen Ex-Generals Barry McCaffrey aber u.E. richtig gut und dichtgepackt ist (mit den von uns gemochten “Facts and Figures”), nehmen wir ihn in unser Tagebuch auf; gefunden haben wir ihn hier:
http://www.prnewswire.com/cgi-bin/stories.pl?ACCT=109&STORY=/www/story/07-31-2008/000 4859666&EDATE

Es ist eigentlich herrlich, via Internet die “Welt” zu begreifen, ohne einen Fuss aus dem eigenen Niemandsland zu setzen. Surfer wissen, dass der wirkliche “Kick” nur dann eintritt, wenn man die “richtige” Informationsflut-Welle erwischt.

{Pass auf!: Die nächste Welle erwischt Dein Hirn}

 

Pakistan-Momentum: ahnt

31. Juli 2008

Wenn dieser Tage Boulevard-Blätter über die Angst der Deutschen vor Gewittern titeln, muss u. E. einem Jörg Kachelmann der Sicherheitspolitik die Front auffallen, die sich über Pakistan zusammenzieht.

Heute haben wir uns wieder durch die derzeitige Lieblings-Opensource-Intelligence (OSINT)-Quelle www.newstin.org (und andere Sites) gequält und die Häufung empfunden:
In Pakistan braut sich ein “Momentum” (frei nach Clausewitz) zusammen (sorry: aus Faulheit belegen wir nicht jeden der folgenden Listenpunkte mit dem entsprechenden Link):

Ach wie wäre das schön, wenn man jetzt einen PAK-Experten zur Hand hätte, der einem das innenpolitisch dominierte Power-Puzzle auf die Zukunft legen könnte! Aber es reicht vielleicht die Ahnung, das eine unglaubliche Bewegung in PAK stattfindet, die erhebliche Konsequenzen für das westliche Engagement in der Region haben könnte; PAK, nicht AFG ist das Problem!

{Wer ahnt, sündigt nicht unbedingt}

 

AFG-Wochenende: Cover

25. Juli 2008

Zum wohlverdienten und prima gewünschten Wochenende kann man sich etwas Lektüre zum Thema Afghanistan einpacken, die u.E. lohnenswert ist:

Als Workoholic kann man doch gar nicht länger als 10 min. flach auf der Liege hängen!

{Texte mit Zeitschriften-Cover einbinden - Liege in Lese-Position - kühles Bier}

 

Afghanistan-Lektion: ökonomisch

17. Juli 2008

Nach stundemlangen Surfen haben wir etwas gefunden, was u.E. der Befassung wert ist:
Anton Minkov und Gregory Smolynec haben für das “Defence R&D Canada” im Herbst 2007 Studien über die Lektionen aus der sowjetischen Militärintervention in Afghanistan in der Zeit von 1979 bis 1989 verfasst, die reichhaltigen Stoff für Nachdenklichkeit bieten:
http://pubs.drdc-rddc.gc.ca/BASIS/pcandid/www/engpub/SDF?FORM_OB=Repdate&FORM_SO= Descend&KEYWORDS=afghanistan (2. und 4. Titel abladen!).

Militärisch verloren wurde der Krieg nicht; er kostete 15.000 sowjetische Soldaten das Leben - und 1 - 1,3 Millionen Afghanen. Die trivial klingende Erkenntnis von Minkov und Smolynec ist: er wurde ökonomisch verloren. Anhand der aufgeführten Daten müssten nun die Strategen von der ökonomischen Front nachrechnen, ob sich die Geschichte wiederholen wird.

Verblüffend war für uns z.B. der Hinweis der Verfasser auf die Bedeutung der Gasvorkommen für die Staatseinkünfte Afghanistans in den 80iger Jahren: 1982 deckten sie 47 %! Was ist mit der afghanischen Gasindustrie heute??

Natürlich enthalten die Minkov/Smolynec-Ausführungen auch militärische Forderungen, die von ISAF nicht erfüllt werden. Wenn aber die Ökonomen in ihrer “Kriegführung” versagen, wirft dies eine völlig neue Lage in der allgemeinen politischen Diskussion auf; die Militärs sind völlig aus dem Spiel! Ob das hierzulande oder bei NATO verkraftet wird?

{Sun Tsu sagt: Soldaten verlieren Kriege nie - eher sich selbst}

 

AFG-SITREPs: Transparenz

10. Juli 2008

Was soll man sagen, wenn man den Artikel “Taliban conflict ‘cannot be won’ in Afghanistan” von Sally Neighbour im “The Australian” gelesen hat?:
http://www.theaustralian.news.com.au/story/0,25197,23996698-2702,00.html

Zitiert wird ein vormaliger, “eingeschworener” Feind der Taliban (Ahmad Shah Amadzai), der nun überzeugt ist, dass ein Taliban-Regime “much better than the current regime” ist, weil es Sicherheit (!) gewährleisten würde. Ist das Neighbour-Bild repräsentativ? Wer sich nicht abhalten lassen will, “Feindpropaganda” zu lesen, sollte sich anschauen, was die U.S.-Regierung zur Situation in AFG dem Parlament berichtet:

Unsereins hat in letzter Zeit vermehrt über das Phänomen Transparenz nachgedacht; es mutiert immer mehr zu einem der wichtigsten Prinzipien. Je geheimer jemand operieren darf, desto grösser ist die Verführung zu Betrug und Machtmissbrauch oder schlichter Schlamperei etc. Je mehr man zur faktenbasierten Offenlegung gezwungen ist, desto wirkungsvoller kann Korrektur erfolgen. Nur detaillierte (und “ehrliche”) Lage-Transparenz kann sinnstiftende Diskussionen und letztlich Gefolgschaft erzeugen.

Auf die deutsche AFG-Debatte übertragen hiesse das:

  • Ohne eine faktengetreue und marketing-freie Darstellung wird die Bundesregierung (oder die Parteien) den Stammtisch-Trend nicht umkehren können;
     
  • Führung ohne wirkliche Transparenz kann in “modernen” Gesellschaften letztlich keine Gefolgschaft erzeugen.

Sorry, wenn wir wieder den doktrinären Ausrutscher haben (man gönnt sich doch sonst nichts!).

{Schreib mir doch die ultimative Strategie für den Meinungskrieg!}

 

SITREP AFG Sicherheitskräfte: düster

20. Juni 2008

In gewohnt hervorragender Art berichtet der U.S.-Bundesrechnungshof (GAO) über die Lage der afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF = Armee, ANA und Polizei, ANP); diesen SITuation REPort muss man sich ansehen:
http://www.gao.gov/new.items/d08661.pdf und die Erklärung von C. M. Johnson
http://www.gao.gov/new.items/d08883t.pdf

In 2005 hatte das GAO das U.S.-Aussenministerium und das Verteidigungsministerium aufgefordert, einen detaillierten Plan für den Aufbau der ANSF zu erarbeiten; das Pentagon hat immerhin 5 Seiten zustande gebracht. Nun hätte das U.S.-Parlament die Option, zukünftige Finanz-Bewilligungen von der Vorlage eines konkreten Entwicklungsplans abhängig zu machen.

Der ANSF-SITREP ist eine Fundgrube konkreter Daten:

  • Seit 2002 haben die U.S.A. 10 Mrd. USD in die ANSF gepumpt; zukünftig sind jährlich 2 Mrd. USD notwendig;
     
  • Von den 105 Armee-Einheiten (ANA) sind derzeit
    2 voll einsatzfähig,
    38 nur mit internationaler Hilfe (OMLT).
    In der Ausrüstung klafft eine Lücke von 40 %.
     
  • Der Zustand der afghanischen Polizei ist ganz düster; nicht eine Einheit ist wirklich einsatzbereit.

Neu ist das grundsätzlich nicht, aber die genaue (amtliche) Beschreibung ist wertvoll (man stelle sich vor, der deutsche Bundesrechnungshof würde einen solchen SITREP verfassen dürfen und noch dazu www.-präsentieren!).

Gelesen, aber nicht wieder finden wir einen Artikel des American Forces Press Service. U.S.-Verteidigungsminister Gates soll sein Redemanuskript beiseite gelegt haben, um kantig zu werden. Der Grund: Zum ersten Mal seien die U.S.-Verluste in AFG höher als im Irak.

{Trotz allem: Gute Wünsche für den Kurzurlaub}

 

Pariser AFG-Konferenz II: 2020

13. Juni 2008

Man muss die französische Regierung loben, dass sie zu der gestrigen Pariser Afghanistan-Konferenz einiges ins Netz gestellt hat, was Faktenhuber suchen:
http://www.diplomatie.gouv.fr/en/country-files_156/afghanistan_498/international-conference-i n-support-of-afghanistan-paris-12th-june-2008_6366/index.html

Wir empfehlen zur Ansicht:

  • Zuerst die Deklaration der Konferenz (Vorsitz Sarkozy, Karzai, Ban Ki-moon). Sie ist u.E. doch sehr diplomatisch getextet;
     
  • Wer buchhalterisch veranlagt ist, wird die “State’s Contributions to AFG” (rechte Spalte) zu einer schönen Tabelle verarbeiten; mit einem passenden Anteilsfaktor (BIP etc.) liesse sich eine schöne “Burden-Sharing”-Rechnung erstellen. Dabei wird es eine Kunst sein, alte und neue Zusagen von den tatsächlich geleisteten Zahlungen zu separieren;
     
  • Der seit dem 7.3.08 als SRSG (Special Representative des Secretary General der U.N.) berufene Oberkoordinator für AFG berufene Norweger Kai Eide hat eine Rede gehalten, die man als Maßstab für eine kritische Betrachtung gewichten kann;
     
  • Die 288-Seiten starke ANDS (Afghanistan National Development Strategy) ist von der Pariser Konferenz als das zentrale Dokument anerkannt worden; das von der Karzai-Regierung geschriebene Papier ist damit verbindliche Grundlage für den Zeitraum 2008 bis 2013. Ausdrucken sollte man die pdf-Seite 78; sie zeigt die Finanzplanung und die einzelnen Ausgabenbereiche. Die Summe, die man von den Geberländern für 2008 bis 2013 für die Auffüllung des nationalen Haushalts erwartet, beläuft sich auf rund 25 Mrd. USD (eigener Anteil 6,8 Mrd. USD);

    Wenn man die Presse-Erklärung des Auswärtigen Amtes vom 11.6.08 liest, könnten man meinen, dass die deutsche Regierung mit der Zusage von 420 Mio. EUR für 2008 bis 2010 besondere Anstrengungen unternommen hat. Dem ist nicht so, denn der Betrag entspricht genau der linearen Fortschreibung der 140 Mio. EUR für 2008.

Als Anlage zur der o.a. Konferenz-Deklaration ist ein Situationsbericht von Kai Eide verabschiedet worden, den wir stundenlang gesucht und nicht gefunden haben; die Gründe für die Verheimlichung sind offensichtlich (Hinweise auf den Eide-Bericht nehmen wir sehr dankbar an, um sie weiterzugeben).

Die “Vision”, die die ANDS (pdf-Seite 5) für das Jahr 1400 (2020) hat, muss man mögen.

{Wirkliche Visionen sind nur eine Frage der Zeit}

(P.S. Ab Montag verweilen wir in Paris auf der EUROSATORY. Die Berichterstattung wird bis Mittwoch etwas wackelig und rüstig sein - sorry)

 

Pariser AFG-Konferenz: 2015

11. Juni 2008

Wenn Präsident Sarkozy morgen die Internationale Konferenz zur Unterstützung Afghanistans mit der Teilnahme hochrangiger Vertreter aus 80 Nationen eröffnet, ist lt. SPIEGEL (S. 16) nicht viel zu erwarten: Das Auswärtige Amt sieht keine “operative Bedeutung”, und das Verteidigungsministerium meint, das von dem Pariser Gipfel “gar nichts abhängt”.

Wer zwei Quellen zu Rate zieht, die sich sachkundig mit den anstehenden Aufgaben auseinandersetzen, wird zu einer anderen Auffassung kommen:

  • Citha D. Maaß von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) beschreibt die Übernahme der “Eigenverantwortung” durch die Regierung Karzai, die von einem neuen Selbstbewusstsein der afghanischen Eliten begleitet wird. Die Maaß-Arbeit zeigt uns, dass das politische System Afghanistans zu einer zentralistischen Struktur getrieben wird, welche personell durch das Diktat des Präsidenten bestimmt wird:
    http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?asset_id=5014
     
  • Die RAND Corp. hat gerade eine Studie herausgegeben, in der Seth G. Jones 3 Faktoren nennt, die über den Erfolg von Counterinsurgency entscheiden (pdf-S. 13):

    1. Kapazitäten einheimischer Sicherheitskräfte, speziell Polizei,
    2. lokale Verwaltung (governance),
    3. Verhinderung auswärtiger Unterstützung der “Aufständischen”, incl. Sanktuarien:
    http://www.rand.org/pubs/monographs/2008/RAND_MG595.pdf

Misst man mit den Seth-Kriterien, ergibt sich u.E.:

  • Gerade der Aufbau der afghanischen Polizei ist bisher ein einziges Desaster (der Zusammenhang zu “local governance” ist ganz eng);
     
  • Mit dem Karzai’schen Ansatz eines personellen Zentralismus wird man sich die kulturell verankerten “Elders”(Clan)-Sturkturen zum Feind machen; es sind schliesslich Machtfragen. Lokale Selbstbestimmung kann so nicht entstehen;
     
  • Auch das dritte Seth-Kriterium wird man höchstwahrscheinlich nicht erfüllen können. Die Ausbildungskapazität für “Aufständische” ist in den pakistanischen Westgebieten heute eher grösser, als sie es in Afghanistan vor 2001 jemals war (Hannings Folie haben wir leider immer noch nicht).

Nach Seth’s Erkenntnissen aus 90 Insurgent-Kriegen dauert die Niederschlagung durchschnittlich 14 Jahre. Bis 2015 haben wir also Zeit, Sieg oder Niederlage zu konstatieren.

{Es ist doch ganz furchtbar, wenn alles immer so lange dauert}

 

NL/Port: Hochachtung

22. Mai 2008

Wir wissen nicht, wo diese Meldungen in den Medien versanden werden:

  • Ausgerechnet unsere orangen Westnachbarn, die mit ihren knuddeligen Wohnwagen-Anhängern im Sommer jeden Autobahn-Parkplatz zur käsigen Idylle machen, haben sich bereiterklärt, nicht nur ein 9, sondern ein 12-monatiges Kommando im Süden Afghanistans zu übernehmen. Ab November 2008 werden die Käsköppe das Kommando von den Kanadiern in dem Bereich AFG übernehmen, der der Tödlichste ist:
    http://www.defenselink.mil/transcripts/transcript.aspx?transcriptid=4232
    (Wer abseits aller nicht zu dieser Problematik gehörenden Diskursiererei nicht den Hut zieht, hat das mit sich selber abzumachen).
     
  • Leider haben wir für die folgende Story keine Links:

    Das sonnige Portugal soll seine (wie auch immer umfangreichen) Streitkräfte plangemäss in den (weitgehend “befriedeten”) Osten AFG entsandt haben. Dabei muss die portugisiesche Regierung nicht genügend “nationale Vorbehalte” (caveats) eingelegt haben, denn das NATO-Oberkommando (ISAF) hat die Kameraden flugs in den “heissen” Süden umgepolt (Uups).

    Deutsche Beobachter betrachten den Vorgang mit einiger Skepzis: Die deutschen Caveats reichen nicht aus, im “Notfall” die ISAF-Prärogative zu überspielen (RCNorth-QRF anywhere?).

{Niederländisch-Kurse sind hierzulande nicht so sehr frequentiert}

 

Feind-Kontakt: 1. Prinzip

28. April 2008

Es gibt wieder ein Lehrbeispiel für die Frage, ob man mit seinem Gegner (Feind) irgendwelche “Kontakte” pflegen sollte. Unsere Empfehlung würde immer lauten: JA! Aber das darf nie öffentlich werden, weil die politische Debatte darüber immer nur blöd endet.

Syed Saleem Shahzad von der “Asian Times” hat eine absolut lesenswerte Geschichte vom Kampf um den Khyber-Pass geschrieben, die alle Kracher für einen Hollywood-Streifen enthällt:
http://atimes.com/atimes/South_Asia/JD26Df01.html

150.000 USD muss man zur Hand haben, um einen zentralen Akteur (Haji Namdar) zu bestechen, damit die hässlichen Attacken auf die Brennstoff-Routen von ISAF aus Pakistan enden. Voraussetzung ist aber, die Denkungsweise der “Tribals” vor Ort richtig einzuschätzen.

In diesem Lichte hat man zu beurteilen, ob die “neue” Strategie der pakistanischen Regierung hinsichtlich des Taliban-Kommandeurs Baitullah Mehsud “richtig”ist. Man muss 15 Punkte abklopfen, ob die Vereinbarung tragfähig ist:
http://www.memri.org/bin/latestnews.cgi?ID=IA43208

Zu einer “Feind”-Beurteilung gehört immer das äusserste Misstrauen, in jeder Beziehung. Als echter Stratege würde man aber einen Fehler machen, das “Blinzeln” im Auge des Gegners zu übersehen. Man sollte sich davor hüten, ihn schlicht “platt” machen zu wollen.

Es gibt eine Form von “Leben” und “Leben lassen” (Trench-Warfare), die sich für eine Form von Friedlichkeit anbietet; man darf dabei nicht zu ambitiös (“mächtig”) sein.

{Verstehe ich: Kommunizieren ist das 1. Prinzip}

 

Noch 1 GERTZ: jipinee

23. April 2008

Unsereins hat sich schon mehrfach über die sicherheitspolitische Masseinheit für die Hoheit über Stammtischen erregt: 1 GERTZ (zuletzt hier). Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes (über 200.000 Mitglieder) hat nun erneut bewiesen, was deutschnationaler Unverstand zu Wege bringt:
http://blog.focus.de/wiegold/?p=400 und
http://www.dbwv.de/dbwv/interd.nsf/d/starta

Gemeint dabei sind nicht seinen richtigen Forderungen bezüglich der quantitativen Mandatsausweitung, sondern das “tote Pferd”.

Ungerührt von jeglicher Sachkenntnis schwadroniert der Vorzeige-Stratege der öffentlich-rechtlichen TV-Sender selbstverliebt in Oberst-Uniform über Lage und Lage-Entwicklung im Süden Afghanistans. Als Proktologe kann man dabei nur feststellen, dass unsere alliierten Kameraden (Amerikaner, Kanadier, Niederländer, Engländer etc.) die ausgemachten Dumpfbacken sind, die sich nicht mit der “Mentalität der Afghanen” beschäftigt haben und die Ursache des Problems sind (Nein, Taliban kennt Herr Gertz nicht; siehe dazu Simon Wunders Kommentar:
http://www.weblog-sicherheitspolitik.net/ ).

Dass die deutschen Patrioten ihn wegen seiner infamen und verhöhnenden Schelte nicht kritisieren, muss man schlucken. Dass die besagten Alliierten sich diese intellektuelle Schweinerei gefallen lassen, kann man nicht glauben:

  • Im Posteingang des Verbandsvorsitzenden müssten einige Briefe liegen, die aus den U.S.A., UK, NL, CDN eingegangen sind;
     
  • Falls nicht, ist die Situation noch ernster: Man überlegt sich als dummdreist Abgemeierter, ob man diesem “Kameraden” noch eine Zeile widmet. Es kann nicht sein, dass dem DBwV bei seinen dementsprechenden internationalen Kontakten noch ein Quentchen Respekt entgegengebracht wird.

{Oberst “Totes Pferd” reitet wieder - jipinee}

 

FATA: Aufschrei

18. April 2008

Die “Federally Administered Tribal Areas” (FATA), das wieviel qkm (?) umfassende, von 3.1 Mio. Menschen bewohnte, zu Pakistan gehörende Gebiet an der 373 Meilen-Grenze zu Afghanistan darf als der “sichere Zufluchtsort” für Al-Qaida und die Taliban gelten.

Die U.S.-Administration hat von den zwischen 2002 und 2007 für Pakistan aufgewendeten 10,5 Mrd. USD 5,8 Mrd. nur für die FATA-Gebiete angewiesen (96 % für militärische Zwecke, 3 % für die Grenzsicherung und 1 % für Entwicklungshilfe). Die pakistanische Regierung hat 120.000 Soldaten in die FATA entsandt, 1.400 pakistanische Soldaten sind bei den Kämpfen gefallen, “einige Hundert” Gegner sind entweder gefangen genommen oder getötet worden.

Das U.S.-Government Acountability Office (GAO = Bundesrechnungshof)) hat jetzt die Bush-Administration gerügt, für das FATA-Problem keinen umfassenden und konkreten Plan zu haben. Zwar hätten alle beteiligten Amtsstellen eigene Pläne, aber die seien nicht zu einem “comprehensive approach” zusammengefügt:
http://www.gao.gov/new.items/d08622.pdf

Überfliegt man die FATA-Fakten (pdf-Seiten 10 - 12), wird man zweifeln, ob ein Master-Plan die Lösung erbringen kann. Das Profil der FATA weist alle Merkmale eines “failed state” (oder un-governed territory) auf, die Stadt Quetta darf als Hauptstadt von AQI/Taliban angesehen werden (wir erinnern uns an eine Vortragsfolie von BMI-Staatssekretär Hanning, die die unübersehbare Flut von AQI-Ausbildungslagern im FATA-Gebiet zeigte).

FATA ist u.E. ein klassisches Anti-Beispiel für die Erfüllung unserer drei “Küchen”-Kriterien militärischen Handelns:

  1. Du musst “hinkommen” (Zugang, Transport);
     
  2. Den Gegner (Feind) “identifizieren” (ISR);
     
  3. (Ganz/fast ohne zivile “Nebenschäden”) präzise “treffen” (bekämpfen).

Wenn der eigene “Zugang” (access) schon verwehrt ist, musst Du Dich auf Deinen “willigen” Koalitionspartner verlassen (im Notfall verletzt man die Souveränität seines Koalitionärs und hofft, dass seine innenpolitischen Nebenschäden nicht allzu gross werden).

Das “Hinkommen”-Diktat hat die Potenz, zum schwerwiegendsten Problem der asymetrischen Kriegführung zu werden. Andererseits wird die einzige Militärmacht, die über die entsprechenden Mittel zu dessen Überwindung verfügt, versucht sein, diese letztlich konsequent einzusetzen. Wie gross wird der internationale “Aufschrei” sein?

{Die Rheinische Strategie hat wieder die Antwort: “Et kütt wie et kütt”}

 

NATO’s AFG Vision: Secrete

14. April 2008

Fast hätten wir verschlafen, dass die NATO eine alte Forderung auf dem Bukarester Gipfel erfüllt hat, nämlich die nach einem Gesamtkonzept für Afghanistan. Seit dem 3. April liegt es vor, und es hat den Anschein, dass “ISAF’s Strategic Vision” überhaupt nicht diskutiert wird:
http://www.nato.int/docu/pr/2008/p08-052e.html

Das muss man dem NATO-Apparat lassen: Die Amtsschreiber haben eine “Wish I on” entworfen, die keine Wünsche offenlässt, keinen Aspekt vergisst und eigentlich alle Teilnehmer glücklich machen müsste.

Ob die unspezifizierten, aber doch konkreten “Verpflichtungen” der Ziff. 4 auch nachhaltig geschultert werden?:

  • Gegenseitige Unterstützung der Bündnispartner beim Tragen der Bürde,
     
  • Bereitstellen der “tools”, Füllen der bisherigen Lücken bei ISAF, damit die Militärs “Erfolg” haben können (Ausschneiden und nachprüfen),
     
  • Maximale Flexibilität der Nutzung militärischer Kräfte für die ISAF-Kommandeure ermöglichen,
     
  • Jede Massnahme ergreifen, um zivile Verluste zu vermeiden,
     
  • Die extremistische Propaganda kontern und die eigenen Ziele effektiv kommunizieren.

Mit einer Forderung in der Ziff. 5-Listung (Pos. 3) verrät die NATO, dass es mit ihrer militärischen Kommunikationsfähigkeit zur AFG-Ownership nicht weit her ist: Falls es die “Umstände erlauben”, will man das ISAF-Hauptquartier “ermuntern”, einem (1) “senior Afghan military officer” den Zutritt in das Stabsgebäude zu erlauben (vielleicht kann man wenigstens schon gleich mit der Sicherheitsüberprüfung eines Kandidaten anfangen). Bei der Gelegenheit fragt man sich, ob es einen (oder mehrere) Liasion-Officer von ISAF im Hauptquartier der Afghanischen Armee (ANA) gibt.

Ob und wie genau die NATO-Staaten ihre Bukarester AFG-Vision als Verpflichtung ernst nehmen und umsetzen, werden nur die Buchhalter im NATO-Hauptquartier wissen, und das ist natürlich alles SECRETE.

{Es ist unschicklich, über unerfüllte Wünsche Buch zu führen}

 

SWP/Bw/AFG: legitim

26. März 2008

3 Wochen hat sich Sascha Lange in den Bundeswehr-Stützpunkten in Afghanistan das Personal und die technische Ausstattung angeschaut. Der sehr sachkundige Wissenschaftler des Regierungs-Think-Tanks “Stiftung Wissenschaft und Politik” (SWP) hat nun seine Beobachtungen und Empfehlungen in einer 33-seitigen Studie vorgelegt. Leider wird es wieder 6 Wochen dauern, bis die SWP das Gesamtwerk ins Netz stellt (wer als Soldat oder Zivilist irgend einen etwas handfesteren Grund angeben kann, warum er die Papier-Fassung schon jetzt benötigt, sollte per Brief um ein Exemplar bitten). Die Zusammenfassung der Lange-Forderungen findet man jedoch schon jetzt:
http://www.swp-berlin.org/de/produkte/swp_studie.php?id=8851&PHPSESSID=b111aa54232b8 9b337a51ab4244f1126

In 5 Tabellen hat Autor Lange 23 konkrete und zustimmungspflichtige Empfehlungen gelistet  (ESB = “Einsatzbedingter Sofortbedarf”; Haushaltstitel, der Eilbeschaffungen ermöglicht):

  • Aufklärungsverbund:

    - Mehr und voreingewiesenes Personal für Aufklärung,
    - bessere Einbindung des CIMIC-Erfahrungsschatzes,
    - ESB des Mobilen Sensor-Systems (MOSES),
    - ESB eines unbemannten Aufklärers (UAV-Male).
     
  • Führungsverbund:

    - Anfangsausstattung moderner Funkgeräte ab 2010,
    - Teilstreitkraftübergreifender Funk (SVFuA) ab 2009 (statt 2012),
    - keine Einsparungen beim NATO-Datentransfer-System MIDS,
    - Verdoppelung des Personalansatzes für die Ausbilder in der afghanischen Armee (OMLT).
     
  • Wirkungsverbund:

    - Waffenausbildung sicherstellen,
    - Einweiser für Artillerie- und Luftnahunterstützung (JTAC/JFST) zur breiten Verfügung bis 2010,
    - ESB für Mörser-Systeme bis 2009,
    - ESB für mehrrollenfähiges, leichtes Lenkflugkörper-System (MELLS),
    - Verfügbarkeit der Gewehre G22 und G82.
     
  • Unterstützungsverbund:

    - ESB für Schutzwände/-wälle für Feldlager,
    - ESB für SKYSHIELD (nicht 2, sondern 10 Systeme ab 2009),
    - ESB für schnellere Beschaffung von Schutzwesten.
    - Sicherung der Produktqualität bei A400M,
    - Produktverbesserung der CH-53 GA ab 2011 (CH-53 GS),
    - Sicherstellung der Nutzungsfähigkeit des NH-90 ab 2010,
    - Nachfolgebeschaffung für CH-53 ab 2020 sicherstellen,
    - Zulauf der geschützten Fahrzeuge deutlich beschleunigen,
    - Nutzwertsteigerung bewährter Fahrzeuge (vom beliebtesten Fahrzeug, dem FUCHS, sollen noch gut erhaltene 1.000 Stück (!) in heimischen Hallen herumstehen).
    (ich glaube, die aus dem Bw-Plan 2008 gestrichenen “gelenkten Gleitschirme” hat SL bei den Tabellen vergessen).

Auf S. 6 summiert Sascha Lange recht trocken:

  • “Auf die drohende Lageverschlechterung in Afghanistan ist die Bundeswehr im Einsatzgebiet materiell nicht vorbereitet. Fähigkeitslücken werden zwar erkannt, wurden bisher aber nicht geschlossen. Unter den Voraussetzungen der derzeitigen Rüstungsplanung (Bundeswehrplan 2008) wären die meisten derzeitigen Mängel, wenn überhaupt, nicht ohne grosse Verzögerung (erst im Verlauf des nächsten Jahrzehnts) zu beheben.”

Wassermühlenmässig plätschert Verteidigungsminister Jung seit Amtsantritt, dass für die Soldaten im Einsatz alles getan wird. Seit November 2007 hat unsereins das Glück gehabt, durch liebe Hilfe
1. die Erfahrungsberichte der Bw-Kommandeure in AFG vom
Sommer 2007 lesen zu können, dann
2. den
“Warnecke”-Bericht, und
3. den
“van Heyst-Bericht.

Hat der verantwortliche Minister davon gar nichts mitbekommen? Kann man angesichts solcher Mängellisten noch den Kopf ruhig halten? Gibt es vielleicht so etwas wie Handlungsbedarf?

Den Minister kann man vergessen, aber nicht die “Sache”.

U.E. gibt es allerdings noch eine Rettung: Wenn der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages (auf Betreiben der Vorsitzenden) nicht schleunigst eine Art von Untersuchungsausschuss in Sachen “Bw in AFG” einsetzt, der zivile und militärische Sachverständige umfassend und konkret befragt und hurtig seinen Untersuchungsbericht schreibt und veröffentlicht, verspielt auch das Parlament seinen Ruf, Hüter von Wohl und Wehe der von ihm in diesen Einsatz beorderten Schutzbefohlenen zu sein.

Die politikwissenschaftlichen Regeln der Koalitionsarithmetik des deutschen Parlamentarismus sind unsereins so fremd ja nicht. Sie bei Fragen von Tod und Verwundung unserer Soldaten unvermindert gelten zu lassen, wäre auf gar keinen Fall legitim.

{Glücklich ist, wer nicht vergisst ...}

 

ORF-Profil II: brav

18. März 2007

Gestern hat sich die Panzerbrigade 21 (“Lipperland”), Augustdorf, prima den stark angereisten Medien auf dem NATO-Truppenübungsplatz BERGEN (bei Celle) gezeigt: Ihr Kommandeur, Brigadegeneral Jürgen Weigt, präsentierte per Vortrag, “dynamischer” und statischer Vorführung die in der Ausbildung befindliche Quick Reaction Force (QRF), die ab Juli d.J. die Norweger ablöst. Weigt wird dann Kommandeur des “Regional Command North” (RC North) der ISAF und damit erstmals über eine deutsche Kampfreserve verfügen, die er in dem 1.200 x 400km ausgedehnten Gebiet einsetzen kann.

Aus dem Lagevortrag des zukünftigen RC-North-Kommandeurs konnte man aber u.E. deutlich schlussfolgern, dass die deutsche QRF nicht so ausgestattet wird, dass sie proaktive, sog. “offensive” Operationen (“Schlagarm”) durchführen kann, wie sie mit der Operation HAREKATE YOLO II vorgeführt worden sind:

  • Der Erkundungsbericht (siehe unten, “QRF Profil: Kaufhaus”) hatte eine Sollstärke von 450 Soldaten gefordert. Die “organisch” mitgeführten Unterstützungskräfte sollten eine weit über 72 h reichende Durchhaltefähigkeit ermöglichen.

    Nun wird, wegen der politisch kippeligen Mandatsobergrenze für das gesamte Bw-Kontingent in AFG, die QRF-Kompanie auf rund 200 Soldaten gedeckelt und damit abhängig von den sowieso schon überlasteten Unterstützungskräften des Bw-Lagers in Masah-e-Sharif (MeS); Operationen über 72 h hinaus sind damit ausgeschlossen.
    (um vom QRF-Lager MeS bis zum westlichen PRT-Stützpunkt Meymaneh, MEY, zu kommen, hätte die QRF in 12 h 330 km zu überwinden; bis zum 175 km ostwärts in unwirtlichem Gelände liegenden deutschen PRT Feyzabad, FEY, zu kommen, sind 14 h Marschzeit zu kalkulieren).

Dass sich die allgemein als Taliban bezeichneten “Opposing Militant Forces” (OMF) den Westen (Nord-Westen) strategisch als Aufmarschraum ausgesucht haben, müsste sich inzwischen herumgesprochen haben. Sollten sie nach ihrer YOLO II-Niederlage zu der Beurteilung kommen, dass RC-North-Kommandeur Weist, zusammen mit dem afghanischen 209. Corps, keine neuen Yolo-Operationen planen kann, werden sie wahrscheinlich neuen Mut fassen.

Das deutsche QRF-Konzept ist u.E. entscheidend von den politischen Angst-Kriterien vorgeprägt. Militärische Forderungen, die die Kräfte, den Raum und die Zeit beachten, werden eindeutig dem politischen Primat untergeordnet, was natürlich grundsätzlich absolut richtig ist. Folgerichtig darf dann aber nur der Politik angelastet werden, wenn ein Desaster eintritt.

{Soldaten sind letztlich nur brav}

(P.S. Die “Milan” ist dabei, wurde bei der statischen Waffenschau aber unterschlagen. Und: Thomas Wiegold war auch in Bergen:
http://blog.focus.de/wiegold/archives/370

 

QRF-Profil: Kaufhaus

17. März 2008

2 Wochen, nach dem der SPIEGEL (10/2008, S. 17) schon über den Vermerk des Erkundungs-Teams in Sachen Bw-QRF-Nachfolge NORW berichtet hat, und Stunden vor unserer Teilnahme an der QRF-Demonstration des Heeres nahe dem niedersächsischen Celle, möchten wir einige Facts nachtragen, die amtlich bestallte Experten gefunden haben:

  • Die norwegische QRF hat sich zum “Schlagarm” des “Regional Command North” (REC N) der ISAF entwickelt, “Alarm”-Einsätze sind die Ausnahme. Die Operationen dauern bis zu drei Wochen, bei Temperaturen von -25 bis 50+ Grad Celsius;
     
  • Alle militärischen Experten vor Ort (Masah-e-Sharif, MES) empfehlen nachdrücklich, dass die QRF über eigene Unterstützungskräfte (San, Aufklärung, Counter-IED) verfügt, und nicht die sowieso überlasteten aus dem Bw-Bestand von MES eingeplant werden, nur um die QRF-Mann-Stärke flach zu halten. Ohne ständige eigene Logistik-Komponente sei eine Durchhaltefähigkeit über 72 h hinaus nicht möglich;
     
  • Die QRF benötige redundante und gesicherte Fernmelde-Verbindungen über größte Entfernungen;
     
  • Die Unterbringung der QRF ist “ungeklärt”. Ein nicht unwesentlicher Grund scheinen die “baurechtlichen” Rahmenbedingungen zu sein, die die “Erdbebensicherheit” betreffen;
     
  • Die “Buchhalter” weisen darauf hin, dass der minengeschütze Typ des Schützenpanzers MARDER (SPz MARDER 1 A 5) bezüglich der “Antriebszahnkränze, des Kühlmittelausgleichsbehälters und weiterer Bau- und Bestandteile des Kühlungs- und Hydrauliksystems” Mängel hat, die “dutzendfach beobachtet” (und dokumentiert) worden seien.

    Frage ist nun, ob die Bw-QRF die seit längerem in MeS geparkten 4 A5-MARDER übernimmt (die haben seit Okt. 07 das unumgängliche “Anschiessen” der Bordwaffen nicht proben dürfen). Noch interessanter ist die Frage, wieviel MARDER für die QRF insgesamt vorgesehen sind;
     
  • Als “Haupteinsatzfahrzeug” wird aus vielfältigen Gründen der FUCHS empfohlen;
     
  • Unter Berufung auf den LEGAD (sorry, ist das der “Legal Adviser”, sprich Rechtsberater?) wird der offensive Einsatz der QRF als nach den geltenden Kampfführungsregeln (ROE, Rules of Engagement, siehe Taschenkarte) als “abgedeckt” eingestuft (Peter Dreist lässt grüssen).

Aus einer Mischung von Fernweh, Hoffnung auf Erkenntnisgewinn, und (pessimistisch) vorausahnender Dünne bricht unsereins nach Celle auf. Wir fragen auf jeden Fall: Ist die MILAN dabei? Wer sich an solcher Waffen-Narretei stösst, sollte tit for tat nicht vergessen.

{Jedes Kaufhaus weiss es: das Sortiment muss stimmen}

 

4. Petersberger: hessisch

10. März 2008

Am 8. März d.J. hat Ulrike Merten, SPD-MdB, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, ihr 4. “Petersberger Gespräch” bei Bonn aufgelegt. 6 Stunden haben grob 400 Gäste zum Thema “Kriseneinsätze von Streitkräften - Bilanz und Perspektiven” hochkarätigen Vortragenden gelauscht - und diskutiert. Sogar einige Berliner Oliv-Promis waren vertreten: Senkrechtstarterin Elke Hoff (FDP-MdB) war aus Unkel angereist und schmiss sich nachdrücklich in Positur, Wehrbeauftragter Reinhold Robbe konnte sich zurücklehnen.

Natürlich sind alle Vortragenden - allein von ihrer Position - nicht uninteressant. Wir mögen aber nur kurz das berichten, was geknallt hat:

  • Vom Papier muss man Brigadegeneral Dieter Warnecke schon mögen. Sein Vortag (in Vertretung des Brunsumer ISAF-Generals Egon Ramms) war wirklich grandios (der Arme wird sich vor den unzähligen Vortrags-Anforderungen nicht mehr retten können). Und er gerät in eine, von ihm selbst sicher nicht gewünschte Schieflage: Je beklatschter seine schnörkellose, differenzierte Kompetenz wirkt, desto heftiger werden die Attacken des obersten Establishments gegen ihn werden.

    Deshalb können unsere Vortragsnotizen nur als subjektiv wahrgenommen werden (frage immer nach dem Wortprotokoll):

    - Das von den Deutschen verantwortete “Regional Command North” (RC North) in AFG beheimatet 9 Millionen Afghanen; die Ausdehnung des Bereichs ist 1.200 km in west/östlicher Richtung und 400 km in nord/südlicher Audehnung;

    - Die Bedrohung in 2007 zeigt steigende Tendenz (die Lage ist nicht mehr wie 2002 - 2006). Für die Jahre nach 2001 nennt Warnecke folgende Zahlen: 25.000 (!) Gruppierungen mit 130.000 Kämpfenden! - mit den unterschiedlichsten Motivationen!. In unserem Notizblock steht, dass sie alle gegen Karzai seien;

    - Beachtenswert ist, dass Warnecke die Einsatzregeln für die Kampfführung als “robust” einstuft; “offensiv ist erlaubt”. Allerdings ist der General so frei, eine vom Politisch-Korrekten her angreifbare Formulierung nachzuschieben: “Etwas weniger ‘Taschenkarte”, etwas mehr Wirkmittel” (So etwas stuft unsereins als “tapfer” ein).
     
  • Den Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr (Potsdam) haben wir erstmalig “life” erlebt. Dabei erinnert man sich, dass sich Generalleutnant Karlheinz Viereck in seiner Funktion als Kongo-Kommandeur und in AFG gewisse Meriten erworben hat, die die Öffentlichkeit  nur deshalb erreicht haben, weil ein oberster “Spin-Doctor” des BMVg dabei die Anschubhilfe geleistet und über die “Leipziger Allgemeine” auch später mal nachlegt hat);

    Nach dem “Jubel”-Vortrag von Generalleutnant Viereck hat uns ein prominenter Journalist ins Ohr geflüstert, dass Viereck sich wohl keinen weiteren “Schuss” erlauben könne, und deshalb so “weichgespült” war. Dieses Urteil wird man u.E. nicht teilen können, wenn man (später) die absolut überraschende Tatsache vernimmt, dass der besagte General per DIN-A4-Seite eine (klar vorbereitete) “Zusammenfassung” seines Vortrags verteilen lässt.

    Wer der Ent-Codierungsfähigkeit der Sprache der politischen Korrektheit fähig ist, wird keine Schwierigkeiten haben. General Viereck sagt in Ziff. 6 seiner “Erfahrungen aus den Auslandseinsätzen der Bundeswehr” kryptisch:

    “Die Bundeswehr betreibt einen hohen Aufwand. Dieser Aufwand hat sich bisher gelohnt. Die Einsatzbereitschaft der Waffensysteme war auf hohem Niveau und die Standards zur Unterstützung waren konstant hoch. Wir müssen uns aber auch kritisch der Diskussion stellen, inwieweit wir diese Standards auch in der Zukunft auf diesem Niveau erbringen wollen oder können.”

    Weniger verschlüsselt erscheint uns die Ziff. 4 der Viereck’schen Punktation:

    “Mit dem Einsatz militärischer Mitttel sind in letzter Konsequenz immer Opfer verbunden. Die ‘Angst vor Opfern’ schränkt die Möglichkeiten des Handelns ein, macht berechenbar, erhöht das Risiko und führt im ungünstigstem Fall sogar zur Unwirksamkeit des militärischen Beitrags.”

    An wen ist diese Viereck’sche Botschaft eigentlich gerichtet? Man darf, bei Gültigkeit aller entsprechenden Gesetze, ausschliessen, dass solche gross-kaliberischen Geschosse wie Viereck keine Ahnung davon haben, welche “Wirkung im Ziel” sie haben wollen (Oder doch? - Nein!).

Sorry, wenn wir manchmal an den armen Bürger denken, der sich im Dschungel der führenden Kryptographen zurechtfinden soll. Wenn unsereins sich als “Entcodierer” empfiehlt, sollte man doch an die hessische Strategie denken:

{“Ma wässet nisch” (lautsprachlich; “man weiss es nicht”)}

 

Gefallenen-Tribut: besser

7. März 2008

Die gesamte Konfiguration der Gesinnung eines Menschen (“mind-set”) findet in der Computer-Technik wahrscheinlich seine beste Entsprechung: Nach Drücken der Re-set-Taste startet das System mit denselben Gegebenheiten.

Rudimentär haben “Betriebs”-Programme der Computer bereits eine gewisse Lernfähigkeit, vor allem wenn sie an rückgekoppelte, autoritative Update-Systeme angeschlossen sind. Inwieweit die “Orientierung” des Mind-Set des Menschen sinnstiftend lernfähig ist, darf als Fragestellung zeitlos gelten.

Aus eigener Erfahrung möchte unsereins dazu beitragen:

  • Lade deinen grössten Opponenten zum Besuch in das “Auge des Tornados (Hurrican)” ein - halte ihm ein Mikrofon vor und stelle ihm intelligente Fragen (Wer kneift, verliert);
     
  • Vermittele eine “internationale” Atmospäre” deiner egomanen, nationalen Befindlichkeit, sei also im wahrsten Sinne (deutscher) internationalistischer “Gutmensch”;
     
  • Stell Dir vor, Dein internationaler “Nächster” stände direkt neben Deinem Mikrofon, und würde Dir direkt antworten (aus der Kommunikations-Lehre wissen wir, dass ein falscher Satz Deine Informations-Dominanz für immer beendet).

Als sehr praktische Mind-Set-Übung empfehlen wir (nicht nur für Oberst Gertz) eine Bilderfolge, die

Diese u.E. geprüften Lehrsätze der Kommunikation kann man auch “umdrehen”:

  • Vermeide jede Strategie, die Dich in die u.a. Lage bringt!

Informations”dominanz” ist schon eine heikle Angelegenheit; Du musst vor allem wissen, wo Du bist (awareness - nicht “wellness”).

Übers markige Wochenende hat ja man Zeit, sich aufzustellen. Viel Erfolg!

{Das Bessere bringt Dich um}

 

1 Gertz (II): platzgreifen

Simon Wunder (und Oli) verdanken wir den Hinweis ( http://www.weblog-sicherheitspolitik.net/ ) auf das Interview, das “Deutschlandradio Kultur” mit dem Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, zum Thema AFG geführt hat:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/tacheles/743107/

Zunächst können wir uns der Kommentierung von Simon Wunder nur anschliessen. U.E. ist aber der “blanke Zynismus”, den Simon Wunder dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes attestiert, näher zu untersuchen.Vor gut einem Jahr haben wir über den Wert 1 Gertz als Stammtisch-Mass geschrieben. Heute müssen wir feststellen, dass die Kategorisierung von Gertz’schen Weisheiten als Dominanzgehabe am Stammtisch verniedlichend ist:

  • Bernhard Gertz präsentiert sich selbst gern in Uniform: Oberst der Luftwaffe. Was nicht adäquat bildhaft dargestellt werden kann ist, dass hier der Repräsentant des “Deutschen Bundeswehrverbandes” (mehr als 200.000 Mitglieder) spricht, dem von der nicht so sehr informierten, allgemeinen Öffentlichkeit ein gerüttelt Mass an Vertrauen entgegengebracht wird. Er gilt somit als führende Autorität (er weiss, dass er als “Stratege” eingestuft wird);
     
  • Für jedes Problemfeld gibt es ein Paket von Tatsachen, an denen jeder Normalsterbliche nicht vorbeikommen sollte. Zur AFG-Problematik gibt es dieses Paket ebenso. Wer, in dieser wirklichen Welt, würde denn (wie Gertz) verlauten, dass unsere
    “Verbündeten - Amerikaner, Kanadier, Briten - mit der Art und Weise ihres militärischen Vorgehens nicht gerade die Köpfe und Herzen der Menschen gewonnen (haben), der Paschtunen”.
    (Wer erklärt dem deutschen “Michel”, dass “die” Pashtunen nicht generell unter Terror-Verdacht gestellt werden dürfen, trotzdem aber am Rande der Millionen-Skala tatsächlich die identifizierte Rekrutierungsbasis für Tausende von Taliban-Kämpfern sind?);
     
  • Die Steigerung des Wirklichkeitsverlustes ist die Xenophobie (natürlich verbunden mit dem Verweis auf die gloriole eigene Rolle). Wenn Gertz “unsere lieben amerikanischen Freunde” anspricht, oder gar wirklich superzynisch “unsere kanadischen Freunde”, dann grüsst das Psychogramm des Senders, dass da entcodiert lautet: Ihr seid Riesen-Arschlöcher. Man darf sicher sein: Jeder Kanadier, Brite, Niederländer, Amerikaner, versteht diese Botschaft kristallklar.
     
  • Man darf “Globalisierung” nicht missverstehen: Wenn ich über meinen “Nächsten” einen riesen ***** verzähle, ist das nicht ein Zeichen von Charakterstärke. Es ist ein “Absahnen” von vermeintlichen Vorteilen, die geradezu erbärmlich sind.

Identifizieren sich tatsächlich die mehr als 200.000 Mitglieder des “Deutschen Bundeswehrverbands” mit der “Kultur” ihres Vorsitzenden?

Wer den Krieg in AFG in seiner gesamten Fülle begreifen will, dem empfehlen wir die ernüchternde Lektüre (15 S.), die die NYT zu bieten hat:
http://www.nytimes.com/2008/02/24/magazine/24afghanistan-t.html?ref=magazine

{Rede erst dann, wenn Dein Gegner platzgegriffen hat}

 

QRF-Debatte: heiss

13. Februar 2008

Wer die Debatte um die ab 1. Juli 2008 intakt sollende “Quick Reaction Force” (QRF), die von den Deutschen als Nachfolger der Norweger beabsichtigte Reserve-Kampftruppe im Regionalkommando Nord in AFG, genau mitverfolgen will, wird sich den gestern ausgelieferten (Bonner) BEHÖRDENSPIEGEL besorgen müssen. Thomas A. Meuter hat auf der ganzen Seite 55 die “Defizite bei Ausrüstung der QRF” abgehandelt. Wer genau hinschaut, kann lernen, dass der Autor nicht “gedichtet”, sondern eine handfeste Unterlage aus dem Planungs-Portfolio der verantwortlichen Instanzen des Heeres zur Verfügung hatte.

Demnach ergibt sich:

  • Es geht zwar um 240 Soldaten, aber der “harte” Kern umfasst 185 Soldaten. Aus Kabul werden dafür 115 Soldaten abgezogen. Würde die Verfügbarkeit zusätzlicher Kräfte zur zeitlich befristeten Verstärkung gefordert werden, müsste man bereits auf das der NATO Response Force (NRF) versprochene Kräftedispositiv (NRF 10) zurückgreifen;
     
  • Die in den Medien bereits abgearbeitete “Mörser”-Problematik übergehen die Heeresplaner mit dem Hinweis, dass die gemeinsam festgestellten Fähigkeitsforderungen nur durch die Artillerie erfüllt werden können, sprich die allermodernste Panzerhaubitze 2000 (55 t), die die Niederländer im Süden mit grossem “Erfolg” seit langem einsetzen (man ahnt, welche politische Brisanz hierzulande hinter dieser “dicken Bertha” steckt);
     
  • Wer sich immer von den NetOpFü-Schalmeien der Netz-Flüsterer hat einlullen lassen, wird richtig erschrecken, dass die Bundeswehr bereits bei der personellen Gestellung der “vorgeschobenen Luftkontrolleure” in heftigstes Schlingern gerät. Bei Anforderung einfachsten “handwerklichen” Könnens zeigt sich eine blamable Ressourcen-Lücke, die das Maulheldentum deutscher Konzeptionshoheit in der Umsetzung “Lügen” straft.

Bedenkt man, dass bis zum deutschen QRF-Antritt in AFG im prächtigen Sommer diesen Jahres noch viel Zeit ist, entspannt man sich dementsprechend.

{Wenn etwas zu heiss ist, isst man das eben nicht gleich}

 

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