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Interview mit Dr. Thomas Enders, Defence and Civil Systems Division der EADS
(Dr. Thomas Enders ist seit Juli 2005 Co-CEO der EADS)

Das Interview wurde am 12. Sept. in München geführt, die nachfolgende Fassung am 2. Okt. 2000 authorisiert. Durch ein Missverständnis unsererseits ist am 25. Sept. für wenige Stunden eine nicht letztlich authorisierte Version im Netz gewesen; sie ist ungültig.

Dr. Thomas Enders ist “Head” des Teils der EADS (www.eads-nv.com), der rund ein Fünftel des Umsatzes des drittgrössten Luft- und Raumfahrt-Unternehmens der Welt ausmacht, der Defence and Civil Systems. Dazu gehören die Abteilungen

  • “Missiles MBD”, Fabrice Brégier, Umsatz 526 Mio. Euro, 2.760 Mitarbeiter;
  • “Missiles AMM”, Pierre Dubois, Umsatz 634 Mio. Euro, 3.250 Mitarbeiter;
  • “Dasa Missiles”, Peter Ibbeken, Umsatz 496 Mio. Euro, 2.100 Mitarbeiter;
  • “Defense Electronics”, Dr. Stefan Zoller, Umsatz 1.243 Mio. Euro, 5.730 Mitarbeiter;
  • zusammen 3,83 Mrd. Euro, 20.080 Mitarbeiter (0,190737 Mio. Euro pro Mitarbeiter).

(vgl. zum Zusammenhang > >  IndustrieTrends)

Frage: Herr Dr. Enders, zur Position Ihrer Division „Defence and Civil Systems (DCS)“ innerhalb der EADS: Welchen Einfluss haben Sie dort für Operationen Ihres Gebietes?

Herr Dr. Enders:

Zunächst einmal, die DCS ist eine der fünf Divisionen, die wir in der EADS haben und generierte nach dem Stand des Jahres 1999 einen Umsatz von 3,8 Mrd. Euro. Zu meiner Division gehören 6 Geschäftseinheiten, die wir grenzüberschreitend organisieren. Ich habe die volle unternehmerische und rechtliche Verantwortung für alle geschäftlichen Belange der DCS. Dort wo wir in Joint Ventures, zusammen mit anderen Partnern arbeiten, also etwa im Lenkflugkörperbereich, vertrete ich die EADS-Interessen.

Frage: Wenn irgendwo in Europa ein interessantes Firmen-Objekt wäre, welches sich synergetisch in den Bereich DCS einfügen liesse und es wäre nicht ganz so billig, wäre dann Ihre Position so stark, dass Sie das finanziell in der EADS durchsetzen könnten?

Herr Dr. Enders:

Wir sind uns im Executive Committee völlig einig in der Strategie. Wir wollen profitabel wachsen und unser Geschäft ausbauen – gerade auch das Verteidigungsgeschäft. Deshalb habe ich keinen Zweifel, dass sich Projekte, die in unsere Strategie passen und einen interessanten „business-case“ darstellen, im Vorstand der EADS auch durchsetzen lassen.

Frage: Wenn Sie den Bereich „Defence Electronics“ ausbauen wollen, dann kommen Sie ja m. E. in die Bereiche Ihrer europäischen Konkurrenten, sprich BAE Systems und Thomson. Wenn man sich BAE Systems anschaut, dann sagen die, dass sie mit der EADS 25 % ihrer Umsätze erreichen, die EADS mit BAE aber 68 %. Wie ist das Verhältnis zu BAE? Ist das ein Konkurrent oder ist das genauso gut ein Kooperations-Partner? Kann man das Verhältnis genauer beschreiben?

Herr Dr. Enders:

Das Verhältnis mit BAE ist in der Tat eines des „cooperate and compete“. Wenn man sich das einmal genauer anschaut, dann kooperieren wir auf mehr Gebieten mit BAE als dass wir Konkurrenten wären. Das gilt für Airbus, wo wir 80 % halten,  BAE 20 %, das gilt für Raumfahrt, wo BAE ebenfalls  Minderheits-Partner ist. Auch für einen Bereich, der bei mir angesiedelt und sehr wichtig ist, gilt dies. Im Bereich Lenkflugkörper, haben wir ein 50:50-Joint Venture mit BAE Systems, Matra BAe Dynamics. Dieses Joint Venture bauen wir gerade im Einvernehmen mit dem britischen Partner aus, da die Lenkflugkörper-Aktivitäten der Alenia Marconi Systems dazukommen sowie die der alten Aerospatiale  Matra. Mit diesem Ausbau-Schritt sind wir das zweitstärkste Lenkflugkörperunternehmen der Welt. Im Bereich Verteidigungs-Elektronik ist das Bild in der Tat etwas differenzierter; hier liegen wir deutlich hinter Thomson und BAE zurück. Es wird aber nicht unbedingt unser Ehrgeiz sein, sie an Größe zu überholen, sondern genau zu schauen, wo wir komparative Vorteile und Stärken haben, um diese dann gezielt auszubauen.

Frage: Aber das ist weltweit ein 60 Mrd. US$-Markt, im Vergleich zu dem Flugkörper-Bereich, der 15 Mrd. US$ ausmacht. Reicht es dann, zu „fokussieren“?

Herr Dr. Enders:

Fokussieren heisst ja nicht, dass wir den ohnehin kleinen Bereich Verteidigungselektronik zusammenschmelzen würden. Es geht darum, dass wir uns so positionieren, dass wir in der Verteidigungselektronik das maximale Wachstum, aber auch entsprechende Profitabilität erreichen. Dazu müssen wir nicht auf allen Gebieten gleich stark sein. Aber wir schließen auch substantielle Akquisitionen nicht aus. Innerhalb der gesamten Bandbreite der Verteidigungselektronik wollen wir uns fokussieren, manche Bereiche sehr gezielt ausbauen und verstärken, andere dagegen vielleicht auch zur Disposition stellen; das ist für mich kein Tabu.

Frage: Noch einmal zurück zu dem Flugkörper-Bereich: Auf der Eurosatory haben ja Matra BAe Dynamics, Aerospatiale Matra Missiles und Alenia Marconi Systems gesagt, dass sie eine  gemeinsame „New MBD“ gründen wollen. Wenn ich mir dieses Konstrukt anschaue, scheint mir das so zu sein, dass Sie von hier aus für den Flugkörper-Bereich nicht genügend Einfluss haben und die EADS/DCS nur eine Holding-Funktion ausüben kann?

Herr Dr. Enders:

Nehmen wir einmal die jetzige Situation, die etwas einfacher ist: BAE und EADS sind gleichberechtigte, 50 zu 50 Shareholder. Wir haben einen Geschäftsführer, der von der EADS gestellt wird, Fabrice Brégier. Der „Chairman of the Board“ wird - im Gegenzug - von BAE Systems gestellt. Ich komme gerade von einer Sitzung des „Board of Directors“, wo wir den Geschäftsplan der New MBD ausführlich diskutiert haben. Die Shareholder haben entsprechend dem Shareholder-Agreement einen relativ starken Einfluss auf die Entwicklung dieser Gesellschaft, da beide Seiten das Missile-Geschäft  als Kerngeschäft betrachten. Wir greifen aber natürlich nicht in das Tagesgeschäft und die Verantwortung des Geschäftsführers ein. An diesen Grundregeln wird sich auch bei Hinzutreten der Italiener nichts ändern. Von einem Holding-Modell sind wir also weit entfernt.

Frage: Dabei fällt mir ein Einzelbeispiel ein, welches überführt zu den deutschen Wettbewerbern, die ja nicht ganz uninteressant sind, die Firma Diehl und STN Atlas. Mit der Panzer-Abwehr-Rakete Trigat MR erleiden Sie augenscheinlich eine erhebliche Niederlage. In dem Zeitungsartikel der FAZ (FAZ, 12. Juli 2000, „EADS fürchtet um die Rüstungskooperation“) heisst es: „Käme es zum Rückzug der Briten, wäre nach Enders´ Auffassung das Programm zum Scheitern verurteilt.“ Die im Vergleich zur EADS/DCS  klein erscheinenden Mitbewerber kommen mit dem Waffensystem EuroSpike und bereiten Ihnen augenscheinlich erhebliches Kopfzerbrechen.

Herr Dr. Enders:

Ja sicherlich, es ist gar keine Frage, dass es hier starke Wettbewerber gibt. Dieses Programm Trigat MR, welches im Kern „Tri“, nämlich englisch, französisch, deutsch war, das ist in der Tat tot, denn wir werden die Briten nicht mehr zurückbekommen. Aber wie es im Leben so ist: „It ain‘t over until it‘s over“. Warten Sie einmal ab, was für einen interessanten Vorschlag wir den verbleibenden Interessenten, insbesondere den französischen, deutschen und belgischen Verteidigungsministerien unterbreiten werden. Wir geben so schnell nicht auf, weil wir überzeugt sind, dass wir mit dem Geld des Steuerzahlers ein hervorragendes Produkt entwickelt haben.

Noch eine Frage dazu: Wenn ich es richtig sehe, haben Sie in diesem Gespräch (mit der FAZ) die deutsche Regierung schon kritisiert. Haben Sie eigentlich die britische Regierung aufgrund ihrer doch schon drastischen Entscheidung auch öffentlich kritisiert?

Herr Dr. Enders:

Aber natürlich. Wir haben klar gesagt, dass wir den britischen Rückzug aus dem gemeinsamen Programm für falsch halten. Wir scheuen uns nicht davor, auch ‘mal öffentlich Kritik zu üben, wenn wir das für erforderlich halten.

Dann ergibt sich eigentlich die Frage, ob die EADS mit einem wie auch immer modifizierten Trigat-System in dem von den Briten avisierten Off-the shelf-Wettbewerb gegen das System Javelin von Raytheon und gegen die in Finnland erfolgreiche Eurospike (Konsortium der Firmen Diehl, STN Atlas und der israelischen Rafael) antreten wird?

Herr Dr. Enders:

Ich habe ja bereits deutlich gemacht, wie wir selbst unser Produkt Trigat einschätzen. Und deshalb werden wir im Wettbewerb bleiben. Hier geht es letztlich auch um die Fortsetzung von 30 Jahren deutsch-französischer Zusammenarbeit im Bereich der Panzerabwehr-Lenkwaffen.

Erlauben Sie mir bitte, das Thema der transatlantischen Kooperation aufzugreifen. Auffällig ist m. E. Ihr Versuch, mit Northrop Grumman zusammenzuarbeiten. Ist das ein netter und guter Kooperationspartner oder passen Sie irgendwie von den Strukturen gut zusammen?

Herr Dr. Enders:

Northrop Grumman hat sehr früh verstanden, früher vielleicht als andere amerikanische Unternehmen, dass mit der Gründung der EADS auf dem europäischen Markt schon etwas von erheblicher strategischer Bedeutung passiert. Northrop Grumman versucht - wie andere amerikanische Unternehmen auch - auf dem europäischen Markt verstärkt Geschäfte zu tätigen  und hat erkannt, dass es gegen oder an der EADS vorbei nicht ganz so einfach geht, wie das in der Vergangenheit der Fall war, als wir noch fragmentiert aufgetreten sind. Umgekehrt haben wir ein grosses Interesse daran, auch auf dem amerikanischen Markt stärker Fuss zu fassen. Die Gespräche, die ich mit meinem Kollegen Ralph Crosby im April aufgenommen habe, verlaufen in sehr guter Atmosphäre und wir haben unsere Kooperation von vornherein so angelegt, dass wir nicht über spektakuläre Käufe oder Fusionen reden, sondern uns sehr konkret den Einzelfall anschauen, der für beide Seiten geschäftlich lukrativ ist. Wir haben eine ganze Reihe von Projekten, die wir diskutieren. Zwei MoU‘s haben wir bereits unterzeichnet, das letzte betraf Global Hawk, die HALE-Drohne (High Altitude - Long Endurance). Das passt gut in unsere Strategie, gerade den Drohnen-Bereich zu verstärken.

Frage: Ich habe gelesen, dass die STN Atlas auch von sich behauptet, dass sie in Sachen HALE mit Global Hawk etwas unternehmen will; das müsste ja auch mit Northrop Grumman zusammenhängen. Wissen Sie darüber etwas?

Herr Dr. Enders:

Ja, die STN wollte uns in der Tat zuvorkommen und mit Northrop Grumman ein Exklusiv-Abkommen schliessen. Northrop Grumman hat - und ich kann das nachvollziehen - befunden, dass EADS der interessantere Partner ist, um Global Hawk und Derivate, besser gesagt das HALE-Element, auf den Markt zu bringen. Das ist die Situation.

Frage: Stichwort UAV‘s: Wenn man sich den europäischen Markt anschaut, dann scheint es mir so zu sein, dass STN Atlas gut bestückt ist, während Aerospatiale als Teil der EADS sehr sehr wenig zu bieten hat. Gerade der UAV-Markt ist ja einer der interessantesten zukünftigen Märkte. Hier müsste bei der EADS doch etwas geschehen.

Herr Dr. Enders:

Ich teile Ihre Markt-Beurteilung und auch die Einschätzung, dass DCS sich auf dem UAV-Gebiet verstärken sollte. Aber genau das tun wir, siehe unsere Zusammenarbeit mit Northrop. Und wir werden auch in anderen Segmenten des UAV-Marktes angreifen. EADS hat als eine der weltweit größten Aeronautik- und Defence Firmen der Welt eine hervorragende Basis für das UAV-Geschäft. Die werden wir nutzen. Wir scheuen da keinen Vergleich. 

Einige Fragen zur Politik: Wenn man sich die einzelnen Beschaffungsprojekte in den Nationen anschaut, die große Beschaffungsbudgets haben, sprich Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das alles noch nationale Beschaffungspolitik ist. Da wird nicht über den eigenen Kirchturm gedacht. Ist abzusehen, dass die Politiker eines Tages, zugespitzt gesagt, nicht mehr fragen: Wieviel davon wird in meinem Wahlkreis, meinem Land gebaut? Kann man erwarten, dass das irgendwann einmal aufhört?

Herr Dr. Enders:

Ich bin da durchaus Optimist. Lassen Sie mich das Beispiel des 6-Staaten-Abkommens zur Rüstungskooperation aufgreifen, das in Farnborough unterzeichnet worden ist. Zwar haben die Regierungen zwei Jahre gebraucht, bis sie diesen Rahmen-Vertrag zustande gebracht haben. Nichts desto trotz - wir sind sehr froh, dass dieses Abkommen da ist. Aber es muss jetzt mit Substanz gefüllt werden.  Wir sind uns bei EADS bewußt, dass wir der politischen Europäisierung voraus eilen. Eine gemeinsame deutsch-französisch-spanische Verteidigungs- und Rüstungspolitik  wäre das Äquivalent zu dem, was wir industriell tun.  Letztlich können wir die Synergien, die dem Zusammenschluss zur EADS innewohnen, nur dann vollständig realisieren, wenn die nationalen Barrieren bei Seite geräumt werden . Ich denke aber, die Regierungen haben ein großes Interesse daran - insbesondere die französische, die deutsche und die spanische  - die aus der EADS erwachsenden Vorteile für die europäische Rüstungs-Kooperation nach Kräften zu fördern. Insofern bin ich optimistisch, dass wir auf dem Feld der politisch-militärischen Europäisierung vorankommen, und wir werden das als Industrie  unterstützen.

Frage: Lassen Sie mich bitte anhand des Interviews, welches der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Dr. Peter Struck, der Zeitung „Die Welt“ (9.9.2000) gegeben hat, einen Fall konstruieren. Vergleichbar der Lage beim Leopard-Panzer, müsste die EADS, wenn sie „wesentliche Teile“ einer Kriegswaffe zum Export beisteuert, eine Endverbleibsklausel gegenüber der Bundesregierung abgeben (Ziff. II., Abs. 5). Wenn ich das in Bezug zu einem Export in die Türkei bringe, ginge das bei Ihnen doch nicht?

Herr Dr. Enders:

Es gilt nach wie vor die „Ursprungsland“-Klausel, d.h. wir unterliegen nach wie vor den nationalen Export-Bestimmungen, die bekanntlich Anfang des Jahres in Deutschland noch einmal  verschärft worden sind. Zu diesem Zeitpunkt waren die Verhandlungen zu dem schon erwähnten Rahmenabkommen von sechs europäischen Regierungen schon sehr weit fortgeschritten. Die Bundesregierung befindet sich hier in einem gewissen Spagat: einerseits will sie europäische Harmonisierung, andererseits aber soll die deutsche Entscheidungsfreiheit nicht beeinträchtigt werden. Das wird nicht durchzuhalten sein. Mehrere Bundesregierungen haben sich über viele Jahre hinweg dafür eingesetzt, dass die Rüstungs-Export-Richtlinien harmonisiert werden, weil eben Briten, Franzosen und andere deutlich  anders und im Ergebnis weniger restriktiv verfahren als wir. Und just zu dem Zeitpunkt, als die Harmonisierung zumindest innerhalb eines ersten Rahmens möglich ist, gehen die Deutschen hin und verschärfen ihre Richtlinien unilateral, aus koalitionstaktischen Gründen. Das hat übrigens zu einiger  Verstimmung in unseren Nachbarländern geführt, weil man das nicht  gerade als den Gipfel europäischer Gesinnung angesehen hat. Aber wozu das in weiterer Perspektive führen könnte, ist, dass die deutsche industrielle Beitragsfähigkeit ausgehöhlt würde. Ob das dann im Sinne einer deutschen Verteidigungspolitik ist, wage ich zu bezweifeln. Das wird aber die ökonomische Konsequenz sein, wenn in einem unserer Heim-Märkte wesentliche andere, restriktivere Richtlinien herrschen als in den anderen. Ich sage das bewusst im Konjunktiv, weil ich die Hoffnung habe, dass politische Entscheidungsträger auf allen Seiten unter dem Eindruck grenzüberschreitender Firmenzusammenschlüsse wie eben EADS, die Notwendigkeit der europäischen Harmonisierung über innenpolitisches Kalkül stellen.

Frage: Es ist doch höchst unwahrscheinlich, dass die Politik das, was sie im Januar diesen Jahres geändert hat, nun in nächster Zeit wieder zurücknimmt. Wenn man ganz optimistisch ist, vielleicht in zwei Jahren.

Herr Dr. Enders:

Im Vergleich zu anderen wehrtechnischen Firmen in Deutschland haben wir einen großen Vorteil, nämlich dass viele unserer Produkte in zwischenstaatlicher Kooperation hergestellt werden, d.h. für die deutschen Zulieferungen entsteht durch deren Integration in das Endprodukt des Partnerlandes ein neuer Warenursprung, der des Partnerlandes. Wenn beispielsweise jetzt das A400M kommt, ist es völlig klar, dass sich der Export eines solchen Flugzeuges nicht nach den deutschen Export-Richtlinien vollziehen wird, sondern nach den Exportregelungen der für dieses Programm geschlossenen Regierungsvereinbarung.

Frage: Es gibt ja die amerikanischen Bemühungen zur transatlantischen Kooperation, Stichwort „Defense Trade Security Initiative (DTSI)“, die ja vergleichbar dem Farnborough-Abkommen eine Erleichterung der Rüstungskooperation zwischen den USA und einzelnen Staaten erzielen will. Während die Briten und Australier mit den USA bereits ein Abkommen erzielt haben, scheint es auf Seiten der Bundesregierung nicht voranzugehen. Sie müssten doch angesichts ihrer US-Bestrebungen eigentlich ein grosses Interesse an einem solchen Abkommen haben. Haben Sie der deutschen Politik hierzu ihren Standpunkt dargelegt?

Herr Dr. Enders:

Das haben wir getan. Hier gibt es gar kein Problem zwischen uns und der Bundesregierung, wir ziehen hier an einem Strang. Das Problem ist, dass für die US-Regierung die englisch sprechende Welt - Briten, Kanadier, Australier – offensichtlich vertrauenswürdiger ist als etwa Deutschland oder Frankreich. Ich weiß auch nicht, ob es der beste Weg ist, viele bilaterale Abkommen zu schließen. Vielleicht ist es beim jetzigen Stand der europäischen Einigung unumgänglich, denn vorzuziehen wäre in der Tat ein Abkommen zwischen den USA und der EU. Sonst kommen wir in die Situation, dass die Amerikaner - was durchaus ihren Interessen entsprechen mag - mit jedem Staat ein Einzelabkommen abschließen, je nach Gusto und Vertrauenswürdigkeit, und uns Europäer gegeneinander ausspielen können. Das hielte ich nicht für das Optimum, angesichts des erreichten Standes grenzüberschreitender industrieller Integration in Europa. Aber wir sind Geschäftsleute und deshalb pragmatisch. Wenn über die DTSI die Bedingungen für die transatlantische Rüstungskooperation zumindest ein Stück weit verbessert würden, dann wäre das auch schon ein Erfolg.

Frage: Es gibt ja die große Debatte zum Thema „Festung Europa“ und Vorwürfe an die US-Adresse, dass sie uns nur „Black Boxes“ verkaufen wollen, nicht kooperieren und nur in Europa aufkaufen wollen etc. Wie ist das aus Ihrer persönlichen Sicht? Kann man sachlich feststellen, wie es wirklich ist oder ist das ein Knäuel von gegenseitigen Halbwahrheiten und Unsachlichkeiten, so dass man sich ein Urteil darüber eigentlich ersparen sollte?

Herr Dr. Enders:

Nun, wenn es irgendwo eine „Festung“ gibt, dann heisst die heute USA. Ich habe gerade die jüngsten Zahlen für den Lenkflugkörper-Markt gesehen, nach denen die Amerikaner in Europa einen Anteil von mehr als 60 % halten, wohingegen der europäische Lenkflugkörper-Umsatz in den USA praktisch Null ist. Um zu einem ausgewogenen Verhältnis in Europa zu kommen, müssten wir also den Amerikanern eine Menge von ihrem Marktanteil abnehmen, erst einmal in Europa, aber dann hoffentlich auch in den USA. Aber wir beteiligen uns nicht an diesen Festungsdiskussionen; das widerspricht auch völlig unserer unternehmerischen Denkungsart. Wir wollen Märkte geöffnet sehen und uns dann im Wettbewerb entsprechend durchsetzen. Ein Erfolgserlebnis haben wir gerade gehabt: Wir haben im direkten und harten Wettbewerb mit Raytheon und anderen einen Auftrag der US Navy gewonnen. Er beinhaltet den Bau wesentlicher Komponenten des AN/APG-65-Radars für die F/A-18. Wir finden das insofern bemerkenswert, weil das erstens zeigt, dass wir in den USA wettbewerbsfähig sind, und zweitens ein Anzeichen dafür ist, dass sich diese Festung vielleicht doch ein wenig öffnet. Der beste Promotor für eine Öffnung der „Festung USA“ ist übrigens die amerikanische Industrie.

Frage: In einem Interview haben Sie ausgesagt, dass Sie für 2004 eine Steigerung des Profits auf 8 % erreicht haben wollen.

Herr Dr. Enders:

Das Ziel ist, in den Feldern, in denen wir tätig sind, eine Profitabilität zu erreichen, die die Besten dieser jeweiligen Segmente vorweisen. Ob das nun 8 oder 9  oder 10 % sind, ist nicht wichtig. Wenn ich also einen Bereich habe, in dem erwiesenermassen die Konkurrenz 10 oder 12 % erreicht, würde ich nicht sagen, dass 8 % genug sind. Im übrigen gilt für die gesamte EADS, dass die Ziele anspruchvoll sind, auch um den Investoren zu zeigen, dass ihr Geld bei uns gut angelegt ist. Aber Ihre Frage war noch nicht zu Ende?

Ja, mir stellt sich das folgende Problem: Eigentlich ist das für eine moderne Aktiengesellschaft ein bisschen wenig, es müsste ja eine zweistellige Zahl sein. Dazu kommt, dass wenn in den nächsten zehn Jahren die Regierungen lernen, wirklich off-the-shelf zu kaufen, dann müsste angesichts der weltweiten Kapazitäten der Wettbewerb so hart werden, dass man von Gewinn-Margen in der Grössenordnung von acht Prozent nicht mehr ausgehen könnte.

Herr Dr. Enders:

Die Profitmarge hängt immer mit der Wettbewerbsintensität zusammen, das ist klar. Aber bezüglich der Bemerkung, dass das ein „bisschen wenig“ wäre: Wir müssen uns an der Verteidigungsbranche orientieren und sehen, was machbar ist. Und wenn die Besten der Besten eine Umsatzrendite von 10 % haben, dann wäre es unrealistisch zu sagen, dass man 20 % haben will. Aber gehen Sie davon aus, dass wir sehr wohl darauf abzielen, die Profitmargen zu optimieren bzw. zu maximieren. Wie sich das weiterentwickelt, ist eine gute Frage. Ich gehe davon aus, dass sich die Natur des Verteidigungsgeschäfts in der Zukunft sehr stark verändern wird. Es wird sehr viel stärker Service-orientiert sein. Dieser Trend ist in allen westlichen Verteidigungsmärkten, teilweise sogar schon in Exportmärkten zu erkennen. Wir sehen es in Deutschland sehr deutlich an der Rahmenvertrags-Initiative von Verteidigungsminister Scharping, mit der bestimmte Aktivitäten ausgelagert und komplett der Industrie übertragen werden, nicht nur im Bereich der herkömmlichen Industrie, sondern auch im Bereich der Logistik, der Telekommunikation  etc.

Zum Service-Geschäft wird auch gehören, dass man Life-Cycle-Pakete anbietet, den Product-Support, die Ausbildungs-Simulation und alles, was dazu gehört. Dieses ist ein Grund gewesen, der uns letztlich auch bewogen hat zu sagen, dass wir grössere Unternehmen mit grösserer Finanzstärke brauchen, die begrenzt auch Vorfinanzierungen leisten können. Wenn man nur in einem Markt tätig ist und finanziell schwach ist, dann wird man das, was die Kunden in Zukunft wünschen und wahrscheinlich auch fordern werden, kaum erfüllen können. Ist man aber auf mehreren Märkten tätig und hat Off-the-shelf-Produkte verfügbar, deren Entwicklungskosten schon  abgeschrieben sind, dann hat man sehr viel mehr Möglichkeiten, einen solchen Kunden zufrieden zu stellen. Ich denke, dass wir mit der EADS auch hier einen wichtigen Schritt vollzogen haben. Wir haben für die Zukunft die Finanzstärke, die technologische Kompetenz und die Portfolio-Breite, um unterschiedliche Kundenwünsche rasch und flexibel – auch und gerade im Sinne eines umfassenden Service-Angebot - abdecken zu können.   

Herzlichen Dank für das Gespräch und für Sie persönlich alles Gute.

(Die Fragen stellte Michael Forster, GeoPowers)

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