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United States of America

Pearl America: Infinite Justice

19. Sept. 2001

Vorab müssen wir dem seit mehr als 100 Jahren existierenden britischen Hause “Jane’s” alle Hochachtung zollen. Dem weltweit einzigartigen Verlag, der die gesamte Breite der Sicherheitspolitik publizistisch abdeckt, hat mit der August(!)-Nr. von “Jane’s Intelligence Review” den Vogel abgeschossen: Titelgeschichte mit der Überschrift “Cutting Al-Qaeda down to size”, ein Super-Artikel “Blowback” über bin Ladens Organisation Al-Qaeda von Dr. Rohan Gunaratna sowie ein ausführlicher Bericht von Phil Hirschkorn über den Verlauf der Gerichtsverhandlung bezüglich der vier Terroristen, die 1998 die US-Botschaft in Nairobi in die Luft gesprengt haben sollen (224 Tote). Diese Ausgabe wird in 10 Jahren einen erheblichen Sammler-Wert haben, der aber nicht im mindesten die Kosten abdeckt, die ein umfassenderes Abonnement der brillianten Jane’s-Palette heute kostet. Gutes ist halt teuer (deshalb gibt’s uns auch kostenlos).

Diese Ausgabe wird aber mit anderen Faktoren fatale Wirkungen generieren. Zusammen mit den TV- und Print-Meldungen, dass diverse Geheimdienste, wie etwa der französische oder jordanische, lange vor dem 11. Sept. der CIA das tödliche Ereignis vorab “bewiesen” hätten, wird das zu einer ganz einfachen “Verschörungs-Theorie” führen: “Dunkle Kräfte” in der US-Administration haben durch Unterdrückung dieser “Beweise” den Terror-Anschlag bewusst herbeigeführt, um anschliessend den Freifahrtschein für die endgültige Herrschaft der USA über die ganze Welt herbeibomben zu können. Stoff für Bücher, Filme und sonstiges Polit-Merchandising. Weitergehende Verdächtigungen mit Parallelen zu vergangenen deutschen Verschörungs-Theorien ganz Durchgeknallter wird man auch nicht ausschliessen dürfen.

Da sich Geschichte wiederholt, denken wir an Pearl Harbor. Vielleicht gibt es ja in 50 Jahren die (hervorragende) “Österreichische Militärzeitschrift” (ÖMZ) noch. Friedrich W. Korkisch hat sich in Heft 2 + 3/1991 klassisch mit Pearl Harbor beschäftigt:
“So sehr jede Theorie mit einem Kern von Fakten und Aussagen belegt werden kann, ist zumindest die Verschörungs-Theorie unsinnig. Wäre eine solche Verschwörung mit Fakten belegbar gewesen, wäre das Regierungssystem der USA eingestürzt.”
Warten wir, was die ÖMZ in 50 Jahren über den Hergang des 11. Sept. 2001 schreibt.

Nach dieser langen Vorrede (sorry) zum “Outlook”:

  • Unter dem Operations-Titel “Infinite Justice” sind mehr als 100 US-Flugzeuge von den USA auf Basen im Nahen Osten verlegt worden.
     
  • Aufgrund der heutigen TV-Nachrichten-Lage (BBC, CNN) und des Briefings, welches die Chefin des Nationalen Sicherheitsrats der US-Regierung, Condolezza Rice, gegeben hat (“self-defense”), werden die US-Streitkräfte gegen Afghanistan vorerst allein losschlagen (irgendwan nach Ende der Beratungen der Taliban-Regierung). Dazu gehört:
    - Militärisch “effektiv” kann der Krieg nur allein geführt werden; die Kosovo-Erfahrungen aus US-militärischer Sicht belegen das eindeutig;
    - politisch haben höchstens die Briten bei Unterordnung unter das US-Kommando eine “Chance”, militärisch dabei zu sein. Jaques Chirac hat Frankreich beim Bush-Besuch ausmannöveriert durch sein (beabsichtigtes) Begriffe-Klopfen von “Konflikt” und “Krieg”. Die Deutschen fallen wegen der erforderlichen Zustimmungs-Prozedur des Bundestages aus. Ausserdem wird den US-Analysten bei der ansonsten beachtlichen Regierungs-Erklärung von Kanzler Schröder die auf die Wähler gezielte Passage missfallen haben, dass man bei “Abenteuern” der Amis nicht mitmachen würde, er wiederum aber nicht erwarte (ma wäses nisch, würden die Hessen sagen).
     
  • “Infinite Justice” wird
    - als erstes die Luft-Überlegenheit herstellen, was bei ungefähr 15 afghanischen Kampflugzeugen nicht so schwierig werden dürfte;
    - ein und dann mehrere Flugplätze zu “Forts” ausbauen und dann das Regime der Taliban “beenden”. Flächen-Bombardements gegen Zivilisten wird es nicht geben, wohl aber zivile Opfer - da die Presse-Medien nicht dabei sind, auch keine Bilder;
    - wer irgendwie und -wo schiessen will, sollte sich bewusst sein, dass er seine Position verrät (sorry, Sicherheitspolitik macht zynisch).
     
  • Nach Afghanistan folgen keine Militär-Schläge gegen rund 40 - 60 Staaten, die das Al-Qaeda-Netzwerk beherbergen. Aber die jeweiligen Geheimdienste werden Informationen preisgeben und von den USA dringend Verdächtige ausliefern müssen - natürlich geheim.

Des öfteren gehörte “Experten”-Meinungen können wir nicht teilen. Unser US-Bild hat folgende Punkte:

  • Grundsätzlich:
    Im Jahr 1988 haben wir von einem deutschen Freund, der drei Jahre in den USA war, folgendes Geschichtchen gehört, das mit aller freundschaftlichen Gelassenheit und Schmunzeln allseitig “geschluckt” werden sollte: Ein (unbekannter) italienischer Heeres-Attaché habe Amerikaner und Europäer wie folgt verglichen: der einzelne Amerikaner ist eine “Flasche” - gemeinsam sind die Amis unschlagbar. Bei den Europäern ist es genau umgekehrt.
    Während der Nachrüstungs-Debatte haben wir eine sehr kurze Formel für Sicherheitspolitik gelernt: intentions and capabilities.
     
  • Anscheinend “blöde” Sprüche wie der des US-Präsidenten G.W. Bush, man habe einen “Giganten” geweckt”, sollten so leicht nicht in die Tonne getreten werden. Pearl Harbor dürfte bekannt sein. Pearl America ist eine erhebliche Steigerung. Kein US-Kriegs-Einsatz seit dem 2. Weltkrieg sollte mit dem bevorstehenden verglichen werden. Erstmalig gehen die US-Soldaten mit der Motivation der Selbst-Verteidigung in den Expeditions-Einsatz; die “Heimat-Front” steht zu 90 % und erwartet, dass der “Job” getan wird. Der Logistik-Konzern Fed-Ex hat sich den Werbe-Spruch unter den Nagel gerissen, der “typisch” amerikanisch (und wiederum nicht) ist: “... what ever it takes”. Angesichts Einschätzung des quantitaiven und qualitativen Zustands der US-Streitkräfte mögen wir keine Vergleiche mit englischen oder sowjetischen “Erfahrungen” in Afghanistan anstellen (ja, es ist fast doppelt so gross wie die Bundesrepublik Deutschland).
     
  • Wir vermuten sicherlich zu recht, dass den Verantwortlichen der US-Administration der Faktor Pakistan in seiner ganzen Bedeutung bewusst ist. Natürlich hat bin Laden daran gedacht, wie er den Westen in einen Krieg mit Millionen Muslimen ziehen kann. Mit echter Empathie für das Phänomen Macht fabulieren wir aber, dass die sanfteste US-Zurückhaltung von der Taliban-Fraktion nur als Ansporn für neue Siege verstanden werden könnte.

Vielleicht treffen sich wir Teufel und die Gotteskrieger irgendwan bei der Frage, inwieweit der ALLMÄCHTIGE hier mitspielt.

{No fear, Sergeant, I send the second echelon}

 

Pearl America: Dschihad

18. Sept. 2001

Die Zeit sollte man sich nehmen, um einen, wenn nicht den zentralen Begriff, des islamischen Glaubens einwenig zu verstehen: Dschihad (abgeleitet von Dschahada = sich (total) anstrengen).

Ibn Qayyim al-Dschaussiyya (751 nach Hidschra = 1350 unserer Zeitrechnung) hat in seinem Buch “Sad al-Ma’ad” den Dschihad wie folgt aufgegliedert und definiert (zitiert in: Said Nursi im Spiegel westeuropäischer Diskussionen, Hrsg. Jama’at-un Nur, Köln, 1999, S. 25 f. Said Nursi, 1876 - 1960, ist ein bedeutender Reformer des Islam türkischer Herkunft):

  • “1) Dschihad gegen die Triebseele
  • 2) Dschihad gegen Satan
  • 3) Dschihad gegen Ungläubige
  • 4) Dschihad gegen Madigmacher

Die erste Stufe (Dschihad gegen die Triebseele) hat wiederum vier Teile:

  1. Sich anstrengen mit der Seele, um die “Wahre Religion” zu erlernen,
  2. Streben, um gemäss dieser Erkenntnis zu handeln,
  3. Streben, dieses Wissen anderen mitzuteilen,
  4. Geduld zu haben; standhaft bei Schwierigkeiten und Bedrängnissen zu sein, wenn man andere zur Religion Allahs ruft.

Der Dschihad gegen Satan (zweite Stufe) hat zwei Teile:

  1. Streben, den Zweifel zu beseitigen, den Satan hinsichtlich des Glaubens ins Menschenherz einsät.
  2. Streben, die verdorbenen Begierden zu unterdrücken, die Satan anreizt.

Die erste Dschihad-Form, die Arbeit an der eigenen Seele, gewinnt ‘festen und sicheren Glauben’ für den Menschen.
Durch die zweite Dschihad-Form gewinnt man Geduld und Ausdauer.

Die dritte und vierte Dschihad-Form, der Kampf gegen Ungläubige und Madigmacher (= falsche Moslem) besteht wiederum aus vier Teilen:

  1. Dschihad mit dem Herzen
  2. Dschihad mit der Zunge
  3. Dschihad mit dem Besitz
  4. Dschihad mit dem Leben.

Der Dschihad gegen Ungläubige und gegen die Madigmacher ist mit der Zunge, d.h. mit Argument, Beweis, Überzeugung.

Al-Dschausiyya fügt eine letzte Stufe hinzu: der Dschihad gegen Unterdrücker, Revisionisten und Bösewichte. Und dieser Dschihad hat wiederum drei Teile:

  1. Hat man die Macht, dann kämpft man mit Gewalt.
  2. Hat man nicht die Macht, dann kämpft man mit dem Wort.
  3. Ist auch das nicht möglich, dann leistet man Widerstand im eigenen Herzen.

Angesichts dieser Definition ist klar, dass ein Muslim eine in unseren Augen terroristische Tat aus dem zum Koran gehörenden, begründenden Schriftum herleiten kann. Dass das wiederum nur sehr wenige Muslime tun, dürfte ebenso unbestritten sein.

{Leben ist Macht - ich lebe (macht nichts)}

 

Pearl America: make no mistake

16. Sept. 2001

Die von US-Präsident Bush des öfteren genutzte Formel “make no mistake” werden wir im folgenden in ihrer US-Bedeutung und im Sinne der Direkt-Übersetzung benutzen. Allen Bemerkungen sei “make no mistake(s)” (im folgenden mnm) voran gestellt (für alles gilt: im folgenden ist Teufelei, Zynismus, Sarkasmus, Ohnmacht, Unwissenheit, Klugscheisserei, Wut, Unbetroffenheit und Unausgesprochenes etc. enthalten):

mnm: es ist offensichtlich, dass man bei szenarischen Überlegungen durchaus Entwicklungsmöglichkeiten finden kann, die ein teuflisches Gelingen möglich machen.

mnm: es ist furchtbar einfach, die Analogie zu der symbolischen (“religiös” erklärten) Intention der Täter zu finden und die Retourkutsche durch ebenso Radikale von “unserer Seite” durchzuführen. Wir würden in der Prioritäten-Liste diesen Schutz ganz nach oben schieben. Einzelne für diese Ruchlosigkeit lassen sich auch bei uns sehr leicht finden.

mnm: Die Zahl der Opfer mit ca. 5.000 ist für Kriegs-Analytiker geradezu gering. Es mag nur niemand aussprechen - alle Anti-Pathiesanten der USA werden dies jedoch sehr wohl kalkulieren - vor allem in Hinsicht auf die Folgen der Gegenmassnahmen.

mnm: Alle mit glorioler Staatsmine vorgetragenen Beteuerungen, dass dieser Terror “gegen uns Alle” gerichtet ist, sind (best before) im ersten Moment ausgesprochen worden, dadurch entschuldbar. In Ruhe nachgedacht: Kein Wort davon ist wahr. Allein die USA sind das Ziel dieser Terroristen. Würden sie die USA richtig besiegt haben, wären wir vielleicht die nächsten - das kann aber noch sehr lange dauern - und vielleicht würde uns was (münchnerisches) einfallen.

mnm: Der “Westfälische Friede” mit den Millionen “Taliban-Islamisten” wird uns einiges abfordern:
- weitreichende Zugeständnisse in der christlich/taliban-islamistischen Ökumene, wobei die Taliban gnädig mit uns sein sollten;
- Verzicht auf das Öl, wenigstens aus deren Macht-Bereich;
- Unterstützung des bewaffneten Kampfes der Taliban gegen die (wirklich) unglaublich korrupten Regime des Islam: Saudi-Arabien incl. alle kleineren Golf-Staaten, Pakistan, Palästina, Irak, Ägypten, Indonesien etc.;
- Unterstützung des bewaffneten Kampfes der Taliban gegen Israel, dessen seit einiger Zeit wirklich ausserhalb jeden Verständnisses operierende Regierung Sharon mit der Rücktritts-Offerte des Aussenministers Peres konfrontiert ist;
- Rückzug der US-Truppen aus Saudi-Arabien (was man wirklich den USA als Sofort-Massnahme empfehlen sollte);
- die unglaublichen Prozente, die alle westlichen Staaten z.B. staatlicherseits auf den Verkauf des Öls aufschlagen, werden ab sofort vollständig nicht mehr in die eigenen diversen Taschen gelenkt, sondern in Gänze zur Entwicklungshilfe verwandt.

mnm: Ernsthaft sollte schon überlegt werden, was nach Darstellung gemässigter Muslime gegen das tiefste Innere des Islam verstösst. Und, was gegen das tiefste Innere der USA verstösst.

mnm: Der grösste Fehler der USA ist aber, dass es ihnen bis heute nicht gelungen ist, wirklich ernstgenommen zu werden. Die Völker aller vergangenen “Hochkulturen” aller Kontinente (bis auf den nordamerikanischen) blicken heute mit stolzem Wohlgefallen auf ihre Geschichte. Was ist dagegen die derzeitige? Jüngstes Beispiel war die N3-TV-Diskussion heute nacht. Ist Bush “doof oder zynisch”? Antwort: beides. (mnm). So “angemessen” aus real-politischer Sicht die Massnahmen der US-Regierung auch sein werden: Keine Chance. Schade, dass Deutsche, Engländer, Franzosen, Russen, Chinesen oder sonstwer nicht Weltmacht ist - alle, nur nicht die Amis.

{when the shit hits the fan}

 

USA: Pearl America II

12. Sept. 2001

Am Tag Zwei tragen wir in unser Tagebuch ein:

  • Wirklich beeindruckend war die Regierungs-Erklärung des Bundeskanzlers sowie alle Erklärungen der Partei-Vorsitzenden incl. PDS. Die Reden rahmen wir uns ein und werden ggfs. auf sie zurückkommen. Wir ahnen, dass nicht wenige Partei-Mitglieder sich nicht “wiedergefunden haben”.
     
  • Interessant ist die Omnipotenz, die der CIA zugetraut wird. Die “Schuldigen”, die da ausgemacht werden, sind nicht allmächtig und können nicht bei jeder Besprechung von Top-Terroristen gegenwärtig sein. Wie hier ein Perfektionsglaube stilisiert wird, ist schon beachtlich.
     
  • Nach un-unterbrochener Beobachtung von allerlei TV-Berichten und vor allem -Diskussionen ist man ziemlich genervt. Wir erlauben uns die Unbescheidenheit, auf die Knack-Punkte hinzuweisen:
    - Nach Pearl Harbor haben die USA in einem Krieg gegen Japan alle verfügbaren Kräfte mobilisert. Und der Angriff auf Pearl Harbor kostete ungefähr 2.500 US-Bürger das Leben.
    - Nach Pearl America werden die USA keinerlei Leben und Kosten scheuen, die Schuldigen zu bestrafen - so ist das Leben.
     
  • Fromme Wünsche, dass es keine Rache oder Vergeltung geben möge, werden nicht in Erfüllung gehen. Diskussionsbedürftige Thesen über die (angeblich) das Drama verursachende fehlerhafte US-Politik in Nahost (und sonstwo) werden nicht ehrlich und erkenntnisleitend ausdiskutiert werden können; dazu ist die fundamentalistisch vermutete Ausrichtung der Kontrahenten viel zu sperrig.
     
  • Den Terrorismus als die erste und beherrschende globale Gefahr darzustellen, rechtfertigt sich einzig und allein an diesem einzigartigen Geschehen. Alles weist darauf hin, dass die Schergen des Osama bin Laden ein satanisches “Glück” gehabt haben, dass ihr “Gefecht” im Moment so erfolgreich war. Einen Krieg können sie nicht führen, schon gar nicht gewinnen.
     
  • Nicht zu vergessen ist: Ausser Afganistan wird von allen anderen in Frage kommenden Regierungen angenommen, dass sie angesichts der Macht der USA bei aller erklärten Feindschaft nicht so weit gehen würden, wie es nun jemand gewagt hat.
     
  • Wir erinnern uns unseres Hinweises auf die Meldung russischer Provenienz. Und heute haben wir irgendwo ein Ticker-Band aufgeschnappt: “Die Taliban appellieren an die USA, nicht Afghanistan anzugreifen.” Ja, eine Kabuler Zeitung zitiert bin Laden, er sei es nicht gewesen. Wildeste Meldungen ansonsten aus Kabul. Nicht unbedeutsam: Die heldenhaften Taten des anti-amerikanischen Kampfes können gar nicht stattgefunden haben, denn die Helden sind äusserst feige: bisher hat sich keiner zu der Tat bekannt (eigentlich eine Frage der “Ehre”).
     
  • Die Vermutungen über die kommenden US-Aktionen erscheinen grotesk; die Amis müssen Stümper sein! Unser “Blutbild” ist ganz einfach:
    - Es wird sich herausstellen: Verantwortlicher ist Osama bin Laden;
    - Gastgeber ist die Taliban-Regierung.
     
  • Die Konsequenzen sind genau so einfach:
    - Die USA werden, wenn für sie die Beweislage ausreichend ist - und das dauert noch einige Zeit - kein böses Bombardement Afghanistans verstalten, sondern mit einem Maximum an Landstreitkräften in Afghanistan anlanden und die Taliban-Herrschaft beenden. Die Einwände sind uns ja nicht verborgen geblieben: die Engländer haben es nicht geschafft - die Russen auch nicht. Vorsicht - wenn die Amis so abrundtief blöde wären, wären sie wohl nicht die Macht, die sie nun einmal sind (wir verkneifen uns Neid, Überheblichkeit, und denken an unsere dementsprechenden deutschen Versuche).
    - Mit der NATO-Art.V-Geschichte von heute und den darüber hinaus gehenden Powell-Aktivitäten zeichnet sich ab, dass es eine “coalition of the willing” geben wird, die mit einem erheblichen Vorab-Momentum aus Afghanistan den Aufmarsch-Platz für eine Militär-Walze abgeben wird, die ihresgleichen sucht. Und die Bundeswehr wird dabei sein (müssen). Die Vorstellung allein reicht aus, die bereits erwähnte Tickermeldung zu verstehen, die da lautet: “Taliban appeal to US no to attack Afghanistan”.
     
  • Die “After-Afghanistan”-Geschichte der Terrorismus-Bekämpfung ist auch nicht ohne. Auch sie ist so ziemlich voraussagbar.

{Hope for the best, but prepare for the worse}

 

USA: Pearl America
(To translators: Beware of the cynicism)

11./12. September 2001

Nicht unbedingt bezüglich der Opfer, aber es freut augenscheinlich nicht wenige, dass das Symbol des imperialistischen US-Kapitalismus im Staub liegt, das Ende der neo-römischen Unverwundbarkeit besiegelt ist. Jene, die die Solidarität mit ”ihren” amerikanischen Freunden beschwören und unisono von der “Kriegserklärung” sprechen, ahnen sicherlich, was auf sie zukommt:

  • Neue Regel, vom US-Präsidenten verkündet, ist, dass die Staaten, die die Terroristen beherbergen, in Haftung genommen werden (“keine Unterscheidung”). Sonnenklar ist, dass US-Präsident George Walker Bush nun die unkonditionierte Freifahrt-Karte für seine Sicherheitspolitik in der Tasche hat.
     
  • Bereits heute werden drei Staaten genannt, die nach Erkenntnissen des US-Geheimdienstes (und anderer Dienste?) die Terroristen-Szene massgeblich unterstützen: Afghanistan, Iran, Irak und evtl. Libyen (und Syrien, und ...?).
     
  • Selbst wenn die USA allein Krieg gegen einen oder gar mehrere dieser Staaten führen wird, werden die aus amerikanischer Sicht als Freunde betrachteten Staaten (Regierungen) Europas, Asiens und des Nahen Ostens, insbesondere Saudi-Arabien und Ägypten, eher erhebliche innenpolitische Schwierigkeiten bekommen.
     
  • Sollten die USA gar militärische Mithilfe einfordern, um z. B. Afghanistan zu durchkämmen, ist das Horror-Szenar komplett. Dagegen ist die Auseinandersetzung um den NATO-Doppel-Beschluss ein laues Lüftchen. Mit tödlicher Sicherheit werden die Amerikaner insbesondere ihre NATO-Freunde beäugen, ob die der “Kriegserklärung” Taten folgen lassen werden. Real-zynisch, wie wir nun einmal sind, empfehlen wir der deutschen “Division spezielle Operationen” (DSO), gute Landkarten von Afghanistan zu ordern.
     
  • Die Perspektive eines “umfassenden Waffenganges” in Nah-Ost ist so unmöglich auch nicht.
     
  • Wer war noch der erste, der kommentierte, dass die Welt nach dem 11. September 2001 eine “neue” ist?

Sicher haben wir keine Sachkompetenz hinsichtlich der beiderseitig ins Feld geführten religiösen Aspekte dieses Krieges. Bei aller intellektuellen Zurückhaltung, Abstraktion, distanziertem “Fair play” wird aber als gesichert gelten müssen:

  • Sicher wird unser dekadentes Kapitalismus-Leben nicht den Beifall göttlicher Liebe finden.
  • Die wieviel Prozent auch immer betragende Anhängerschaft des politisch radikalisierten Islam (1 % reicht ja) wird doch wohl nicht im Ernst behaupten, dass unser gemeinsamer GOTT ein Wohlgefallen an den Selbstmord/Mord-Terroristen hat? Scheich Jassin wird das bald erfahren.

{Die schwärzeste Nacht war das noch nicht}

 

USA: Abladen

10. September 2001; am 11. 9. geändert.

Heute sollten Sie zum Download vorbeigehen, denn die folgenden “Washington Files” sind wichtig:

 

US-Strategie: gegen den Rest

6. September 2001

Wenn das Wetter vom heissesten Sommer nahtlos in den November wechselt, dazu deutsche Verteidigungspolitik trübsinnig ohne Ende ist, dann fehlt nur noch eines: Ein guter Freund ruft kurz vor Mitternacht an und fragt Dich als bekannten US-Sympathiker nach der grundlegenden sicherheitspolitischen Strategie der US-Administration, die nun gerade auch noch die B-Waffen-Konvention über Bord gehen lässt.

Gefragt ist u. E. eine “intelligente” Antwort auf die Frage, nicht die tibetanische Texas-Melodie nach “Spiel mir das Lied vom Tod”, weder die linksintellektuelle noch rechtsnationalistische europäische Überheblichkeit gegenüber der Marlboro-Kultur der fettleibigen Fast-Food-Einfalt, die noch nie etwas von Winnifried Wagner gehört hat und die französische Vorliebe für Nietzsche schon gleich gar nicht verstehen kann.

Eine stimmige Erklärung muss sich auf einfache Tatsachen aufbauen, weil komplizierte Zahnräder-Muster höchstens Geistes-Wissenschaftler verstehen - die wiederum nur einzeln für sich selbst; der Kollege von nebenan ist gänzlich anderer Meinung. Wir versuchen es nach der Melodie: Wahrheiten sind trivial - und Trivialitäten sind wahr:

  • Die Bush-Regierung ist eine konservative; es gibt weder Carter’sche Erdnuss-Butter noch wird Saxophon gespielt. Wieviele Schlachtenlenker kommen direkt aus der Wirtschaft an die Schalthebel der Administration?
     
  • Wer genug über das Phänomen Macht nachgedacht hat, wird feststellen, dass alle Machthabenden (jedweder Kategorie und Stärke) nichts anderes als permanenten Krieg gegeneinander führen, vor allem den Wirtschaftskrieg.
     
  • Nirgends ist so sichtbar wie in den USA, dass die Politik von den Mächtigen der Wirtschaft ganz erheblich durchdrungen wird. Und die Politik steht und fällt mit der wirtschaftlichen Wohlfahrt.
     
  • Aus US-Sicht stellt sich die Wirtschafts-Kriegslage, insbesondere in der Perspektive, wie folgt dar:
    - rund 275 Mio. US-Amerikaner erprassen ein gigantisches Aussenhandelsdefizit;
    - knapp 400 Mio. Euro-Peoples - und immer mehr - sind die ärgsten Technologie-Konkurrenten;
    - den Milliarde-starken Billig-Produzenten chinesischer Provenienz folgen dicht die Inder.
    Verbleiben also 0,275 Amis gegen - der Einfachheit halber 2,750 Mrd. Konkurrenten: 1 : 10.

Wenn man 1 : 10 unterlegen ist, hilft nur die brachiale Suvention der Wirtschaft durch den Staat:

  • Microsoft wird nicht zerschlagen;
  • Kyoto schadet der Wirtschaft: Tschüss;
  • die B-Waffen-Konvention spioniert die US-Pharma-Industrie aus: Ciao;
  • Nuklear-Waffen werden massiv abgerüstet: kostet nur Geld;
  • Raketen-Abwehr bringt Hoch-Technologie und Arbeitsplätze - auf gehts;
  • Weltall-Dominanz bringt noch mehr Technologie - noch mehr Tech-Vorsprung;
  • America first: 800 Mio. Amerikaner gegen das schlappe Euro-Land;
  • Rückzug aus Europa - auf nach Asien;
  • alle Daumenschrauben auf den Tisch der WTO;
  • Öl aus dem Kaukasus;
  • und viele Waffen verkaufen;
  • und das mir ja niemand “Deutschländer”-Bockwürstchen in New York isst!

In Abwandlung eines Kissinger-Spruches: “Handeln, als wäre Amerikas strategische Überlegenheit unsterblich”. Da wir Europäer aber gern das subtile “Gleichgewicht der Kräfte”, den Weltfrieden, die strategische Stabilität, die Rüstungskontrolle und die Abrüstung wollen, sind Anthropologen mit Spezialkenntnissen über Texas gefragt. Wer geistreich auf den Busch klopfen will, hat bei uns das Forum. Betreff: Baywatch Amerika

{Sun Tsu sagt: “Wenn Du nicht siegst, hast Du gewonnen (an Erfahrung)”}

 

US-Sicherheitspolitik: Denkmuster

20. August 2001

Seit langem angekündigt, skizzenhaft schon vorgetragen, werden die konzeptionellen Reformziele des US-Verteidigungsministers Rumsfeld immer deutlicher. Werden sie Auswirkungen auf die Verteidigungspolitik der Europäer haben - und wenn ja, welche?

Sicher ist, dass der Reform-Ansatz von Rumsfeld, konzeptionell unterfüttert von Andrew Marschall, die US-defense-community bereits mächtig durchgewirbelt hat und man alle Strukturen handfester Interessen von Militär, Politik und Industrie deutlich erkennen konnte. Insbesondere ist es ein “Krieg” des Primats der Politik gegen die Militärs, konkreter die Waffengattungen.

Genau wie in Deutschland (oder sonstwo) ist die 1. Front zwischen “strategy-driven” und “budget-driven” festzumachen. Rumsfeld begeht nicht wie Rudolf Scharping den Fehler, für das Denkmuster einer hergebrachten Strategie schlicht das Geld zu fordern oder gar mit windigen Einsparungs-Parolen die Einlösung zu versprechen. Als wichtigste Massnahme kürzt er bei der Konzeption (Pressekonferenz Rumsfeld, 17. 8. 01, defenselink.mil):

  • Bisher galt der strategische Grundsatz, dass die USA gleichzeitig zwei grosse Kriege (Major Theater Wars, MTW) “gewinnen” wollten. Rumsfeld: “Wir haben schlicht nicht die Streitkräfte für solche Fähigkeiten.”
     
  • Neues Denkmuster ist: Einen MTW will man, bis zur Eroberung der Hauptstadt (“the most stressfull”), gewinnen wollen können, beim zweiten gleichzeitig stattfindenden grossen regionalen Krieg aber will man nur noch die Aggression stoppen, dem Gegner “eins auf die Nase hauen” (kein Rumsfeld-Zitat).

Die Gründe dafür sind eindeutig:

  • Für alle strategischen “Wünsche” reicht selbst in den USA nicht mehr das Geld. Alle Bereiche, wie z. B. Personal, Material und Infrastruktur, sind überdehnt. Selbst die Organisation ist es: Bei jüngsten Untersuchungen wurde festgestellt, dass für Milliarden-Beträge keine Rechnungen vorhanden sind!
     
  • Der wichtigste Punkt aus der Sicht der neuen Administration ist: Für - aus europäischer Sicht - “abgedrehte”, mehr zukünftig orientierte Bedrohungen (z. B. Weltall) fehlt das Geld für Forschung und  Entwicklung (und Beschaffung).

Für die Ebene unterhalb der MTW-Frage hat der stellvertretende US-Verteidigungsminister, Paul Wolfowitz (als Verteidigungs-”Intellktueller” eingestuft), in einem Briefing zur “Defense Planning Guidance” am 16. Aug. 01 die folgende Priorisierung vorgestellt (Übersetzung GP):

  1. Schutz der Operationsbasen; fähig sein, nukleare/biologische/chemische Waffen und Angriffe ballistischer Raketen abzuwehren;
     
  2. US-Streitkräfte in entfernte Regionen, in denen ein gegen-zugriffs- oder gebiets-verweigerndes Umfeld (anti-access or area-denial environment) besteht, zu projezieren und durchhaltefähig zu machen;
     
  3. Fähig zu sein, gegnerische Sanktuariums(strategie) durch verschiedenen Massnahmen abzuweisen (denial), speziell durch weitreichende Präzisions-Angriffe verschiedener Art;
     
  4. Fähig zu sein, Weltall(Space)-Operationen durchzuführen;
     
  5. Gemeinsame und kombinierte Interoperabilität und darin die Integration der Angriffs-Fähigkeiten für grosse Reichweiten und in der Tiefe operierende Kräfte sicherzustellen.

Daraus, dem erweiterten Zusammenhang bisheriger US-Briefings zum Thema “Transformation” des US-Militärs, und der allgemeinen Szenerie, ergeben sich für Europa (und Deutschland) Konsequenzen:

  • Die sicherheitspolitische Aufmerksamkeit der USA geht eindeutig nach Asien;
    - jegliche russischen Bedrohungs-Bilder sind absolut out,
    - US-Stationierungen in Deutschland (und Europa) werden auf das absolute Mindestmass abgeschraubt,
    - US-Beteiligungen an “europäischen” Konfliktfragen ebenfalls,
    - System-Bilder hergebrachter Art (“Stabilität, Rüstungskontrolle” usw.) fliegen in Fetzen,
    - die NATO zerbröselt, weil den USA der Führungs-Bonus entzogen wird - gleichzeitig werden diese sich - aus europäischer Sicht - mit bisher nicht gesehener Ignoranz über alles hinwegsetzen.
     
  • Die (wirtschafts)politische Konkurrenz zwischen der EU und den USA wird die sicherheitspolitische Debatte verschärfen:
    - Während die Europäer Profit oder Appeasement oder nationales Ego vor Sicherheit vorziehen, werden die USA bezüglich der Weitergabe von Technologie immer “hysterischer” (das Zukunfts-Thema),
    - die strukturelle Schwäche der US-Wirtschaft im Kampf gegen alle auf dem freien Weltmarkt auftretenden Konkurrenten (China, Japan, Europa - siehe traumatisches Aussenhandelsdefizit) “zwingt” die USA in eine militär-finanzierte Forschungs-Flucht in neue Technologien.
     
  • Die “kulturpolitische” Konkurrenz tut das Ihrige, den Graben zu vertiefen:
    - natürlich halten die Amerikaner sich für was besseres,
    - die Europäer aber sicherlich nicht weniger, noch weniger Chinesen, Japaner oder sonst wer (man ist halt der Nabel der Welt),
    - der Neid auf gewisse amerikanische Erfolge wie Coca-Cola und McDonalds ist so ätzend wie der Neid im täglichen Leben,
    - die Europäer interessiert das Thema “Zukunfts-Szenarien” (im Gegensatz zu den Amerikanern) so sehr wie eine Kuh das Entwicklungspotential ihrer Seelensubstanz nach dem Tode (die Europäer halten sich eh für unsterblich, während die Amis daran noch zweifeln - war mal eine tolle Überschrift eines ZEIT-Artikels, von und mit Henry Kissinger über Grundsätzliches der Aussenpolitik: “Handeln, als wäre Amerika unsterblich”.

In diesem Sinne: Da wir uns über weite Zeiträume bewegen, wollen wir uns dann doch nicht zu sehr echauffieren.

{Hoch lebe die Zukunft - sie wird besser als erwartet}

 

US/Rus/Missiles/ABM/MD: Da

16. August 2001

Nachdem die US-Maschinerie in Sachen “Konsultationen” mit der russischen Regierung auf Touren gekommen ist, US-VM Rumsfeld in Moskau war, wir den ganzen Käse (samt US-Presse-Echo) aus unserem Cyber-Bunker aus Bonn verfolgt haben, präsentieren wir unsere Vorschau auf den November, wenn der russische Präsident Putin bei George W. Bush auf dessen Ranch in Texas weilen wird (entschuldigen Sie, wenn wir nicht alles genau mit Quellen belegen - dabei wird man wahnsinnig). Zur texanischen Dramaturgie gehören die folgenden Beigaben:

  • Auf den aus der Clinton-Regierung vorgesehenen Haushaltsbetrag für Raketen-Abwehr im Jahr 2002 (beginnt Okt. 01) hat die Bush-Administration 3 Mrd. US$ aufgesattelt: 8,3 Mrd. US$ also für 2002.
     
  • Ein im Juni 2001 bekanntgewordener Bericht (NYT, 25. Juni 01) des US-Verteidigungsministeriums (Office of Operational Test and Evaluation) nennt die Schwachstellen der Test-Methoden und äussert Zweifel, dass ein effektives System schnell disloziert werden kann.
     
  • Am 12. Juli 01 tritt der Luftwaffen-General-Leutnant Ronald Kadish vor dem “Armed Services Committee” des US-Senats auf und schildert ((17 S.) detailliert die Planung der “Ballistic Missile Defense Organization” (BMDO), siehe defenselink.mil (Lese-Muss); nach neuesten Berichten will er die Test-Methoden verschärfen;
     
  • Am 31. Juli 01 gibt der Sprecher des Pentagon, Craig R. Quigley, bekannt, dass die “ABM Treaty Compliance Review Group” ihre erste Einschätzung abgeliefert hat; zwischen den Zeilen und in den Presse-Berichten kann man lesen, dass die Test-Ehrgeizlinge in Verdrückung kommen, wenn man den ABM-Vertrag nicht verletzen will, was bisher erklärte US-Politik ist.
     
  • Schon am 12. Juli 01 hatte das “Carnegie Non-Proliferation Project” ( www.ceip.org) die Sprachregelung veröffentlicht, die die Regierung an alle US-Botschaften weltweit versandt hatte. Mehr oder weniger der einzige interessante Punkt darin ist:
    Man habe die Alliierten und Russland darüber informiert, dass die geplanten Tests mit dem ABM-Vertrag nicht in Jahren, sondern in Monaten in Konflikt kämen.
     
  • Am 2. Aug. 01 brachte Bill Gertz in der “Washinton Times” (www.washtimes.com) seine Story “U.S. seeks flexible pact on ABM”, die auch ein “Lese-Muss” ist, da sie augenscheinlich auf einem Hintergrund-Gespräch mit der Nationalen Sicherheits-Beraterin Condoleezza Rice beruht und Zeile für Zeile notizwürdig ist, weil es “quer durch den Garten” der US-Brennpunkte geht. Zum Thema sagt “Conny”: Putin sei mit dem Link zwischen offensiven und defensiven strategischen Waffen einverstanden, gäbe aber den ABM-Vertrag nicht auf.
     
  • Als kostenfreie e-mail-Abonnenten des US-Verteidigungsministeriums (DoD) staunen wir aber nicht schlecht, dass dasselbige am 16. August die Worte des Präsidenten Putin nachliefert, die der beim Treffen mit VM Rumsfeld im Kreml gesprochen hat:
    “Wir hoffen sehr, dass die Hochrangigkeit des Dialoges, die wir zwischenzeitlich erreicht haben, uns zu einem Einverständnis (agreement) auf dem Gebiet der offensiven Waffen und defensiven Waffen führen wird.”
     
  • Dazu ist der DoD-Text zu lesen, der die Bemerkungen des russischen VM Sergei Ivanov und VM Rumsfeld während des Presse-Briefings am 13. August wiedergibt (veröffentlicht am 14. 8. 01); dass ist ein ganz neuer Ivanov, “lesen!”. Demgemäss zeichnet sich ab:
    - Nichts läuft ohne ein Link zwischen offensiven und defensiven strategische Waffen;
    - die Russen möchten den “komplizierten Algorithmus” vergangener Rüstungskontroll-Verträge (Verifikation, genaue technische Bestimmung etc.), der aber Jahre von Verhandlungen benötigt;
    - die Amerikaner haben es brandeilig; sie möchten ein “ungenaues” (loose) agreement.
     
  • Deshalb läuft es so auf das November-Finale auf Busch’s Ranch hinaus:
    - Bis dahin sind die Amis mit ihrer “nuclear posture review” fertig und können den Russen genau sagen, wieviele offensive Nuklearwaffen sie abbauen wollen - das allein wird noch ein mordsmässiges inner-amerikanisches Gekasperl (VM Rumsfeld ist von den Russen immer nach den entsprechenden Zahlen gefragt worden - hat Presseschelte bezogen - und in einer Diskussionsrunde mit russischen Polit-Wissenschaftlern am 13. August in Moskau hat er die schelmenhafte Ironie-Dreistigkeit besessen, die Verzögerung für die Herausgabe der konkreten Zahlen seiner eigenen Un-”fähigkeit für die Aufnahme aller Komplexitäten des Problems” zuzuschreiben!);
    - Wenn Putin dann trotz aller hier gar nicht aufzählbaren Dreingaben nicht einschlägt, wäre der nächste US-Schritt klar: 6 Monate Kündigungszeit für den ABM-Vertrag - ohne jeden Gewinn für die Russen (Henry Kissinger hat in der “Washington Post” vom 14. August seine Ratschläge erteilt - “What To Do With The New Russia” - treffendster Hinweis: wenn Russland ein jährliches Wirtschaftswachstum von 8 % in den nächsten 15 Jahren hinlegt, erreicht es das derzeitige Pro-Kopf-Einkommen in Portugal);
    - Falls jemand das unstillbare Verlangen nach der Geschichte hinter der US-Aufkündigung des ABM-Vertrages hat, lese er/sie bitte die “Washington Post” vom 5. August 01 (S. B4). Prof. Walter Clemens, Boston University, schreibt sauber zu dem Thema, inwieweit denn das US-Parlament an der Auflösung von völkerrechtlichen Verträgen zu beteiligen ist.

Abschliessend wollen wir nicht verheimlichen, dass wir eine gewisse Freude daran haben, Interview-Texte (o. ä.) des US-Verteidigungsministers zu lesen, weil allein sein Humor, seine Ironie und etwas versteckte argumentative Kompetenz ihn doch wohltuend z. B. von seinem deutschen Amtskollegen unterscheidet:

  • Im Moskauer “Grand Marriott Hotel” zieht er am 13. Aug. eine nachlesenswerte Presse-Konferenz mit russischen Journalisten ab (defenselink.mil). Für uns absolut neu kommt er mit einer guten “Bedrohungskiste” (vorher “kalkuliert” er in “seinem Kopf, was davon nun geheim sei und was nicht” - (Gelächter) - “A rogue state has done that”):
    -  Auf See habe ein “Schurken-Staat” eine ballistische Rakete abgefeuert (“... simply by peeling back the top, erecting it, firing it off, launching it a good distance, and covering it back up and moving the ship away”): Unsere (ernsthafte) Frage ist: Wer war das? Sachdienliche Hinweise nehmen wir gern entgegen (wegen leerer Kassen leider keine Entlohnung);
    - Gerade sei vorgekommen, dass ein Staat eine ballistische Rakete in einem anderen Staat getestet habe (wir tippen auf Nord-Korea, aber auch “sachdienliche Hinweise ...”).
     
  • In dem am 14. August dokumentierten Interview mit Conan Nolan von KNBC-TV, Los Angeles, meint Rumsfeld, dass die meisten Menschen in den USA glauben würden, dass die USA bereits über die Fähigkeit zur Abwehr ballistischer Raketen verfügen würden (Wir sollten betreiben, dass “Alfonso” von NDR3-TV bei uns eine Umfrage macht).

{Noch irgendwelche Fragen? - alles auufff}

 

US/Irak: No tit for tat?

1. August 2001

Nach der US-Medien-Lage kann es jeden Moment passieren: Ein erneuter, heftiger Luft-Angriff der amerikanischen und englischen (?) Luftwaffe gegen militärische Ziele im Irak. Was spricht “dafür”:

  • Nach den Zahlen des Sprechers des US-Verteidigungs-Ministeriums, Rear Admiral Craig A. Quigley, während der Pressekonferenz am 31. Juli 01 im Pentagon, ergibt sich folgende Lage:
    - Im Jahr 2000 hat es 221 “Provokationen” (Abschuss von Waffen aller Art incl. “locking up” von Feuer-Kontroll-Systemen gegen die in der nördlichen und südlichen Flugverbots-Zone patrouillierenden US- und UK-Flugzeuge) durch die irakischen Streitkräfte gegeben; im Jahr 2001 waren es bisher 370 (im Norden 145 in 2000, 62 in 2001);
    - in der nördlichen Zone haben die zwei Alliierten im Jahr 2000 48 Angriffe (strike-missions) geflogen, in 2001 bisher sieben;
    - in der südlichen Zone sind im Jahr 2000 32 US/UK-strikes geflogen worden, 2001 19.
     
  • In den US-Medien (z.B. AFP, AP) hervorgehobene Vorfälle waren:
    - letzte Woche ein Raketen-Einsatz gegen den legendären US-Aufklärer des Typs U-2;
    - ebenso gegen einen “über Kuwait” fliegenden AWACS-Flieger des Typs E-2 Hawkeye;
    - die (von anderen nicht bestätigte) Beobachtung eines AWACS im Luftraum von  Saudi-Arabien über einen irakischen Raketen-Abschuss in den saudi-arabischen Luftraum (aufgesprürt über eine Entfernung von 320 km).
     
  • Nach Jim Garamone, American Forces Press Service (31. Juli 01), beläuft sich am meisten zitierte Summe, die Sadam Hussein für den Abschuss eines Feind-Fliegers ausgelobt hat, auf 1 Mio. US$.
     
  • Die im stratfor.com-Bericht vom 30. Juli zitierte Angabe des Londoner “Daily Telegraph” vom  26. Juni, dass Bagdad “signifikante” Truppen-Verstärkungen in die kurdischen Enklaven des Nordens entsandt hat.
     
  • Der Irak für seine 500 russischen Kampf-Hubschrauber des Typs “Hind” (Mi-24) Ersatzteile von Weiss-Russland, der Ukraine und FRY bezogen hat, die über Iran, die Türkei und Dubai eingeschmuggelt wurden (so “Janes Defence Weekly” (JDW), 25. July 01), die von dem durch UN-Sanktionen nicht abgedeckten Flug-Verbot durch US/UK nicht betroffen sind.
     
  • Frau Dr. Condoleezza Rice (von ihren Freunden Conny genannt), Nationale Sicherheits-Beraterin des US-Präsidenten, wird vom “Philadelphia Inquirer” (1. 8. 01) mit den folgenden Aussprüchen vom vergangenen Sonntag zitiert:
    - Bush würde eine “Irak policy” anfertigen, die beabsichtigt “the use of military force in a more resolute manner and not just a manner of tit-for-tat with them every day”, zu deutsch: “Auf einen Schelmen mehr als Anderthalbe setzen” (vgl.
    tit-for-tat);
    - “Saddam Hussein is on the radar screen for the administration”;
    - ähnlich lautet das Urteil (ebenfalls Phil. Inquirer) des Alt-Experten Anthony Cordesman vom “Center for Strategic and International Studies” in Washington, der die militärische Weisung beschreibt und die nicht lautet, dass man mit gleicher Münze heimzahlen werde, sondern “reichlicher” (“don’t do this nickel-and-dime”).

Natürlich gibt es nicht weniger “wichtige” Gründe, warum ein US/UK-Luftangriff nicht wahrscheinlich ist (wir hoffen, dass unser “wording” nicht als kriegslüstern oder “what have you” empfunden wird - entspann’ Dich und hoffe auch):

  • Der Februar 01-Angriff war ein halber Fehlschlag (Munition des Typs ?(vergessen)? ging daneben).
     
  • Die im Nachgang von vielen Staaten geforderte Änderung des UN-Food-for-Oil-Programms sowie die entsprechenden US-Änderungsvorschläge wurden im UN-Sicherheits-Rat abgebügelt und die bisherige Praxis wurde verlängert (selbst die Franzosen haben sich mit ihren Vorschlägen bei den Irakern blutige Nasen geholt). Sogar die “treuesten” Alliierten der USA in Nah-Ost, Kuwait und Saudi Arabien, meinten, dass die Sanktionen nur die “arme Bevölkerung” treffen würden (wir bilden uns ein, über das Oil-for-Food-Programm schon einen GP-Bericht gemacht zu haben, finden ihn aber nicht! auweia).
     
  • Die Briten um Tony Blair müssen ja mitmachen - oder nicht?
     
  • Die Syrer, bei denen US-Aussenminister Colin Powell vor einigen Monaten einen hoffnungsvollen Antritts-Besuch gemacht hatte, haben trotz US-Warnungen den Pipeline-Hahn für “illegale” irakische Öl-Einkünfte in Höhe von täglich 2 Mio. US$ aufgemacht (JDW).
     
  • Da Saddam Hussein die Palisinenser angeblich massiv unterstützt und die Israelis alles tun, um mit mehr oder weniger masslos überzogenen Gegen-Attacken die auch nicht untätigen Feinde noch mehr zu reizen, hätte in der derzeitigen Nahost-Situation ein US/UK-Schlag gegen Bagdad zusätzliche negative Folgen (falls man das überhaupt noch übertreiben kann); “es ist alles mit der Palästina-Frage verbunden” (Shibley Telhami, Nah-Ost-Experte gegenüber CBS, zit. bei AFP, 31. 7.).
     
  • Ebenfalls mehrere Quellen (man schreibt ja immer beim Anderen ab) melden, dass die irakische Regierung verstärkt fortfährt, militärisch wichtige Ziele direkt neben zivilen Infrastrukturen zu plazieren. Der bereits erwähnte Anthony Cordesman meint gar, dass Anlagen für biologisch-chemische Waffen auf Geländen von Universitäten versteckt werden.
     
  • Letztlich kann die irakische Regierung medienwirksam Tote und Verwundete reklamieren; seit Dezember 1998 sollen durch US/UK-Angriffe 353 Tote und mehr als 1.000 Verletze zu beklagen sein.
     
  • Auch CBS hat lt. AFP (31. 6.) hat einen “Offiziellen” zu Hand, der eingesteht, dass Luftangriffe die USA mehr als den Irak treffen würden. Der strafor.com-Report kommt abschliessend zu der Auffassung: “Jede Bombe, die den Irak trifft, wird ein zusätzlicher Nagel im Sarg der Sanktionen sein, und Anstrengungen, das (Hussein)Regime zu isolieren und deren Bedrohung gegen die Region zu reduzieren, sind tot - anyhow.” Dummerweise heisst es in einem Satz drei Abschnitte vorher: “Washington hat vergleichsweise wenig zu verlieren, wenn es eine Serie von “careful, pinpoint strikes now” abfeuert.”

Damit uns darüber hinaus die Freude an der Behandlung sicherheitspolitischer Fragen (“wie würde ich entscheiden” - komm, lass uns “Siedler” oder “Polis” spielen) nicht ausgeht, werden wir auch noch unsere Meinung zu dem Text der “Nachrichten-Spiegel Ausland”-Meldung (rtr, AFP) des cvd.bundesregierung.de (toller Dienst des Presse-Amtes, leider nur für Journalisten) vom 1. 8. 01 bilden müssen:

  • “Die EU-Kommission hat Kritik am Beschluss des US-Kongresses geübt, die US-Sanktionen gegen Iran und Libyen zu verlängern, und hat den USA mit einem WTO-Verfahren gedroht, wenn die Sanktionspolitik gegen Firmen aus der EU angewandt wird ... Die EU lehne einseitige Sanktionen mit grenzüberschreitenden Konsequenzen auch für andere Länder ab. Ein solches Vorgehen bedrohe das internationale Handelssystem. Zudem gefährde das einseitige Vorgehen der USA das mit Präsident Bush beim EU-USA-Gipfel in Göteborg vereinbarte Ziel, gemeinsam gegen den internationalen Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtswaffen vorzugehen.” (Der letzte Satz müsste eigentlich ein Rohr-Krepierer sein - deutsche Präzisions-Hydraulik für indische Raketen-Rampen ist ja auch nicht schlecht).

Nicht verzagen - wir haben ja die Lösung: Saddam lassen wir gewähren, aber gegen die Amerikaner bestehen wir auf einem saftigen Krieg - mit Bananen (non-lethal!).

{Sun Tsu sagt: “Sprachlosigkeit fördert die Kreativität ungemein”}

 

ABM-Vertrag: Heimlicher Sieg?

14. Juni 2001

Nach dem Treffen der Staats- und Regierungs-Chefs der NATO in Brüssel gestern und dem heutigen der EU und der USA stellt sich für den Daheimgebliebenen anhand der Kommunique´s, Reden, Hintergrund-Briefings und Interviews die Frage, wie sich US-Präsident George W. Bush in Sachen Raketen-Abwehr geschlagen hat und was für das erste Treffen mit dem russischen Ministerpräsidenten Putin heute zu erwarten ist.

  • Das Treffen mit dem konservativen Spanier Aznar war hervorragend eingefädelt. Bilder von Presse-Konferenzen sprechen Bände. Als Gegensatz dazu ist die Freiburger Presse-Konferenz des deutsch-französischen Treffens zu nehmen. Wenn die Kamera während der “Reden” von Chirac oder Jospin den Blick auf unseren Bundeskanzler freigab, konnte man einen grimmig dreinschauenden Schröder sehen, dessen Knurren man als Begleitmusik zu hören glaubte.
     
  • Die Analyse einiger Reden auf dem NATO-Gipfel zeigt, dass der US-Präsident hoch zufrieden sein kann:
    - Wäre Schröders Zustimmung nicht schon durch die Veröffentlichung diverser Gesprächsprotokolle von höchst-amtlichen Plaudereien hinter verschlossenen Präsidenten-Türen bekannt, müsste sein veröffentlichter Rede-Beitrag als Bush-konform eingestuft werden;
    - Polens Präsident Kwasniewski findet Raketen-Abwehr eine “visionäre, mutige und logische Idee”;
    - der Niederlande Premier-Minister Willem Kok vollbringt zwar einen eine etwas kompliziertere Drehung, kann aber sein faktisches Ja auch nicht verheimlichen;
    - die grösste Überraschung hält Jacques Chirac bereit. Punkt 1 seiner “fundamentalen Prinzipien” lautet: ... “die Notwendigkeit der Beibehaltung der strategischen Balance, deren Säule der ABM-Vertrag ist” (das klassische Argument, aber der nächste Satz!). Falls wir einen neuen Rahmen ins Auge fassen, welcher das Aufkommen einer multipolaren Welt in Rechnung stellt, dann müssen wir sichern, dass er bindende Vorkehrungen vorsieht, die die internationale Stabilität (Zauberwort der Ober-Strategen) garantieren.” Punkt 3 unterstreicht natürlich, dass die Franzosen bei der “nuklearen Abschreckung” bleiben wollen als “die ultimative Garantie von Sicherheit angesichts jeder Bedrohung seiner (kursiv von uns) vitalen Interessen”.
     
  • Beim EU/US-Gipfel heute in Göteborg gab es wieder ein Kommuniquè, wohlklingend und proper. Aber:
    - zum Thema Raketen-Abwehr findet sich kein Wort - es gibt also keine EU-Position;
    - nachdem US-Aussenminister Powell mit seiner Afrika-Reise das Thema HIV/Aids etc. amerikanisch thematisiert hat, endecken es auch die Europäer;
    - nichts erfährt man vom weiteren Verlauf der “Gemeinsamen Deklaration zum Rüstungs-Export”, die man auf dem
    Dez.-2000-EU/US-Gipfel beschlossen hatte und die gerade für die Bundesregierung pikant wäre;
    - hoffen darf man, dass Frankreichs Ankündigung zu Vorschlägen für verbesserte Vorkehrungen gegen die Weitergabe von Waffen-Technologie auch tatsächlich umgesetzt wird, was bei der Dual-Use-Problematik praktisch unmöglich ist;
    - noch spannender erscheint die EU-Übereinkunft über Konflikt-Prävention; die Punkte der Strich-Aufzählung lassen aber eher erwarten, dass in Brüssel wieder geklöppelt wird.

Richtig ins Zeug legen wird sich Präsident Bush aber erst bei seinem Treffen mit Präsident Putin. Dabei geht es um den einen grossen Deal: “heimliches” Ende des ABM-Vertrages gegen alle möglichen Zugeständnisse, Kooperationen etc. Bereits Verteidigungsminister Rumsfeld hat es bei mehreren Presse-Konferenzen in Brüssel, vor allem bei dem sehr nachlesenswerten Auftritt mit dem russischen Verteidigungsminister Ivanov, deutlich gemacht, und Präsident Bush ebenso in seiner Brüsseler Presse-Konferenz: Die Amerikaner wollen dringend volle Handlungsfreiheit hinsichtlich der umfassenden Entwicklung und Erprobung aller technischen Möglichkeiten von Raketen-Abwehr-Techniken, die der ABM-Vertrag nicht erlaubt. Erreicht Bush die Zustimmung Putins dafür, kann der ABM-Vertrag zunächst fürs Schaufenster in Kraft bleiben, ist Zeit gewonnen. Zur Not kann man ja die ganz fetten Köder geheim oder informell per Handschlag besiegeln. Die Avancen, die Bush gegenüber Russland macht, sind unübersehbar.

{Würde selbst Sun Tsu sehen}

 

Präsident Bush: Time Lag

27. Mai 2001

Innenpolitisch hat US-Präsident Bush jun. ein wichtiges Projekt schon durch: die Steuer-Reform. Eigentlich sollte seine Rede zur Verabschiedung der Crew 2001 der Marine-Akademie in Annapolis am 25. Mai die neue US-Militär-Strategie enthalten, aber sein ohne Konzept ins Pentagon gekommene Minister Donald Rumsfeld ist mit seinen Schularbeiten noch nicht fertig. Trotzdem muss er seinem Präsidenten einige Einzelheiten durchgeschoben haben, die der in seiner Rede aufblitzen liess; als Vision, die in 15 Jahren für den oder die dann amtierenden Präsidenten/tin Tatsache sein soll:

  • Die “Flugzeugträger-Fraktion” ist beruhigt worden mit der ausführlichen Erwähnung, wo sie denn derzeit alle Bösewichte in Schach halten. Aber Vorsicht: 2015 werden modifizierte Trident-Uboote mit “Hunderten” von modernsten, smarten Marschflug-Körpern rumtauchen, agile Marine-Task-Forces mit erheblich grösserer Geschwindigkeit, Reichweite und Präzision die Wellen pflügen.
     
  • Die “wilde” Raketen-Abwehr-Fraktion macht auch lange Gesichter, denn der/die 2015-Präsident/tin sieht keine US-land-basierten Schurken-Killer, sondern “Aegis”-Zerstörer mit Abwehr-Raketen, die “ganze Kontinente vor der Bedrohung mit ballistischen Raketen schützen”. Damit können sich alle Experten bestätigt fühlen, die eine Raketen-Abwehr nur in der Start-Phase (Boost-Phase) für demnächst durchführbar halten, was natürlich nicht bedeutet, dass die derzeitige und kommende US-Administrationen nicht Unsummen für die Forschung und Entwicklung der Raketen-Abwehr für die verbleibenden Flug-Sequenzen von Raketen ausgeben werden.
     
  • Bei der Übersetzung der Bush-Äusserung über die “nahezu totale ‘battle space awareness’” kommen wir natürlich ins Stocken. Klar ist aber, dass die US-Industrie aberwitzige Milliarden an Entwicklungsgeldern bekommen wird, damit im Himmel nichts vergeigt wird.

Interessant und bezeichnend ist, dass George W. Bush als weiteren Schwerpunkt seiner Rede etwas zur “Militär-Kultur” des Offizier-Korps äussert. Nach der namentlichen Erwähnung mehrerer Militär-Reformer fordert er die Auszeichnung der intelligenten, risiko-bereiten und vorwärts-denkenden, sich nicht fürchtenden Führenden. Klar ist, dass Rumsfeld ihm das in die Feder diktiert hat, denn der schlägt sich mit den “Krokodilen” der Teilstreitkräfte herum, die ihre grosse Show-Force behalten möchten.

Wir empfehlen dem Bundeskanzler, bei nächst-bester Gelegenheit an der Führungs-Akademie einen Generalstabs-Lehrgang per Rede zu verabschieden. Mit einem aus US-amerikanischen Reform-Elementen abgeleiteten Rede-Manuskript könnte er unseren Krokodilen zeigen, wie man aus 45,678 Mrd. DM deutsche “battle space awareness” zimmert.

{Nichts ist unmöglich - Gerhard}

(Warning to Translators: sometimes some irony)

 

MD-Konsultationen: Weichen gefettet

11. Mai 2000

In Ausführung des von US-Präsident Busch angeordneten weltweiten Konsultations-Schlages hat sich das US-Haupt-Team Hadley/Wolfowitz nach Stationen in London und Paris auch in Berlin eingefunden: Konsultationen in Sachen Raketen-Abwehr samt Drumherum. Insgesamt fünf Stunden unterhalten haben sich:

  • Steve Hadley, stellv. Sicherheitsberater des US-Präsidenten; Paul Wolfowitz, stellv. US-Verteidigungsminister, plus eine mehr als 20-köpfige Delegation;
  • Michael Steiner, Sicherheitsberater des Bundeskanzlers; Staatssekretäre aus dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium sowie “anderer interessierter Behörden”.

Der 1,5seitige Text, der von der Bundesregierung im Anschluss veröffentlicht wurde, lässt deutlich erkennen, dass nicht unerhebliche Teile der SPD und Bündnis 90/Die Grünen ihren Partei-Vorderen zunehmend Beschuss zukommen lassen werden, denn die Weichen für die deutsche Zustimmung zur neuen Sicherheits-Strategie der US-Administration werden schon gut gefettet:

  • “Die Bundesregierung teilt die amerikanische Einschätzung, dass es nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation eine völlig neue strategische Konstellation ... Herausforderung darstellt, die nach neuen Antworten verlangt. Es ist daher auch richtig, die bisherigen sicherheitspolitischen Gegebenheiten einschließlich der vertraglichen Grundlagen auf ihre Brauchbarkeit und Angemessenheit hin zu untersuchen und daraus gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen.”
     
  • “Bei den Gesprächen wurde deutlich, dass es in der Beurteilung der geostrategischen Ausgangslage mehr Übereinstimmung als Divergenzen zwischen den beiden Bündnispartnern gibt. Einigkeit besteht auch hinsichtlich des Ziels, nämlich gemeinsam mit den Partnern im Bündnis und unter Einbeziehung Russlands eine neue Grundlage für strategische Stabilität und Sicherheit zu finden.”
     
  • “Die Bundesregierung stellt gleichzeitig fest, dass sich das vertragliche Regelwerk der zurückliegenden Jahrzehnte bei der Konfliktprävention insgesamt bewährt hat. Es liegt daher in ihrem Interesse, wenn die Rüstungskontroll-Vereinbarungen zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion - einschliesslich des ABM-Vertrages - den heutigen Verhältnissen angepasst werden. Es wäre aber nicht wünschenswert, wenn das bisherige Vertragswerk durch ein vertragliches Vakuum abgelöst würde.”
     
  • “Wichtigstes Anliegen bei den Gesprächen deutscherseits war es, die amerikanischen Partner von der Notwendigkeit eines kooperativen Ansatzes bei allen derzeitigen und künftigen Überlegungen zur Änderung der gemeinsamen Verteidigungsstrategie zu überzeugen.”

Merkwürdig ist, dass am Schluss des Kommunique`s der “kooperative Ansatz” als das “wichtigste deutsche Anliegen” dem US-Präsidenten schon attestiert wird:
“Die Bundesregierung begrüsst es, dass die Regierung von US-Präsident Bush den Diskussionsprozess mit ihr und den anderen Partnern im Bündnis eröffnet hat. Sie hält diesen kooperativen Ansatz unter Einbeziehung ihrer mittel- und osteuropäischen Partner einschliesslich Russlands für angemessen.”

Nach den Konsultationen hat es “aus gewöhnlich gutunterrichteten Regierungskreisen” eine Darstellung gegeben, die incl. Presse-Fragen 10 Seiten umfasst. Herausragend ist hier:

  • Die Deutschen haben den Amerikanern eine “wichtige Fussnote” mitgegeben: Aus deutscher Sicht sei es “besonders wichtig, dass man auch die substrategischen Systeme nicht ausser Acht lässt, die ja bisher aus dem Netz herausgefallen sind und doch einen sehr gefährlichen Faktor darstellen”. Schön, dass unsere Regierung die vielen russischen taktischen Nuklearwaffen nicht vergessen hat. Sie aber als “sehr gefährlich” hinzustellen, ist wohl nur deshalb so formuliert, um die “deutsche Position” aufzupumpen, was zwar auch lobenswert ist, aber zu durchsichtig.
     
  • Befragt nach dem Aufbau einer deutschen “Gegenposition”, meint man in hochrangigen Regierungskreisen: “Wir sind schliesslich in einer gemeinsamen Allianz verbunden. Wir wollen zu gemeinsamen Lösungen kommen, wenn das möglich ist.”
     
  • Auf eine Regierungsformulierung in Sachen MD kann man sich getrost einstellen; sie hat für einige Zeit nur scheinbar “Notbremsen-Charakter”, ist eine Zierde für die “Grossmacht” Deutschland, hilft aber nicht mehr lange:
    “Die deutsche Position zu MD ist weiter offen. Wir werden diese Position im Licht der Antworten auf unsere zahlreichen Fragen zu gegebener Zeit festlegen.”
    Im offiziellen Kommunique´ ist der letzte Satz ähnlich formuliert, allerdings mit dem Hinweis auf die “deutschen Interessen” und die der mit uns “befreundeten Staaten”. Es gibt es also doch, das “deutsche Interesse”.

{Volksmund: “Können Sie mir bitte sagen, wo ich hinwill? Ich geh’ schon mal vor”}

 

Raketen-Abwehr: Kleine Anfrage

6. Mai 2001

Bei jeder sich bietenden Möglichkeit wird die fehlende sicherheitspolitische Debatte in Deutschland beklagt. Das könnte sich schon bessern, wenn das Parlament mit gutem Beispiel voranschreiten würde und z.B. in der Raketenabwehr-Frage recht frühzeitig die Bleistifte spitzen und durch Anfragen an die Regierung das Thema besetzen würde. Bescheidenheit zwingt uns, nicht gleich eine Große, sondern erstmal eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu entwerfen. Und der Zweck ist kein anderer als die Hoffnung zu nähren, dass die sicherheitspolitischen Experten aller Parteien die grosse Chance wahrnehmen, ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen. Wir hoffen, nach einem gewissen Zeitablauf ein tatenbezogenes Ranking der sicherheitspolitischen Parteien-Kompetenz aufzeichnen zu können.

Sie als User sind herzlich willkommen, unseren spärlichen Anfang zu komplettieren
(office@geopowers.com ):

  1. Gilt für die Bundesregierung die hergebrachte Formel, dass Verteidigungs-Anstrengungen plus Entspannungspolitik die Sicherheit gewährleisten soll?
     
  2. Teilt die Bundesregierung die allseits anzutreffende Feststellung, dass innerhalb der NATO Konsens darüber besteht, dass von Staaten, die eine besorgniserregende Politik verfolgen, eine ernsthafte Gefahr hinsichtlich ihrer derzeitigen und zu erwartenden Waffensysteme (Trägermittel + atomare, biologische oder chemische Sprengköpfe) ausgeht?
     
  3. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die russische Regierung die entsprechenden Bedrohungen ebenfalls festgestellt hat?
     
  4. Ist die Bundesregierung bereit, dem Parlament jährlich einen Bericht vorzulegen, aus dem die Situation und die zu erwartende Entwicklung der Weitergabe von Teilen und Systemen für Trägermittel und Massenvernichtungs-Waffen weltweit detailliert hervorgeht?
     
  5. Ist die Bundesregierung der Auffasung, dass angesichts der Entwicklung von “ziviler” Technologie, die gleichfalls für militärische Anwendungen taugt, eine wirksame Verhinderung der Weitergabe international verbindlich geregelt werden kann?
     
  6. Kann die Bundesregierung konkret politische Mittel und Strategien benennen, mit denen Staaten, die eine diesbezüglich besorgniserregende Politik verfolgen, von ihrem Vorhaben abgebracht werden können?
     
  7. Hat die Bundesregierung bezüglich ihrer Empfehlungen hinsichtlich einer kooperativen Sicherheits- und Rüstungskontroll-Politik in Regionen wie Nah- und Fernost irgendwelche konkreten Erfolgsaussichten zu vermelden?
     
  8. Hat die Bundesregierung in der Vergangenheit versucht, die israelische Regierung von der Stationierung ihres Raketen-Abwehr-Systems “Arrow” unter Hinweis auf die destabilisierende Wirkung für die strategische Stabilität abzubringen?
     
  9. Kann die Bundesregierung Beispiele dafür nennen, dass Rüstungskontrolle bisher irgendwo erfolgreich war (abseits von politischen Änderungen wie z.B. Wandel in Russland, technische Undurchführbarkeit, Reduzierungen auf Höchststände wie SALT, fehlende Ressourcen)?
     
  10. Wird die Bundesregierung dem Parlament verdeutlichen, welche Konzepte hinter der folgenden Aussage des Aussenministers zu vermuten sind: “Aber wir wollen darüber hinaus, dass bewährte Rüstungskontrollmechanismen, wenn sie ersetzt werden sollen, nur durch bessere oder wirksamere ersetzt werden”?
     
  11. Sind der Bundesregierung Beispiele für nukleare Erpressung (blackmail) aus der Vergangenheit bekannt und wie bewertet sie dieses Phänomen?
     
  12. Hält die Bundesregierung die Darstellung der US-Nuklear-Strategie durch die derzeitige US-Administration für zutreffend? Ist es richtig, das die Strategie der “beiderseitig gesicherten Zerstörung” (mutual assured destruction) nie erklärte Nuklear-Strategie der USA war, sondern zuletzt die einer “Counter-Vailing-Strategy”?
     
  13. Befürchtet die Bundesregierung das Aufleben der Argumente der Kritiker, die in dem US-Vorhaben nichts anderes sehen als die Vorbereitung der Option, einen nuklearen Erstschlag gegen einen missliebigen Konkurrenten durchzuführen und seine danach verbleibenden Fähigkeiten durch Abwehr-Raketen zu neutralisieren?
     
  14. Ist der Bundesregierung bekannt, dass Zeitungsberichte über zukünftige Raketen-Bedrohungen aus Nah-Ost mit einer Reichweite bis Berlin dazu geführt haben, Recherchen über bestehende Bunker-Plätze in Berlin auszulösen, die wiederum (bis auf einen einzigen vorhandenen Bunkerplatz) negativ ausfielen und deshalb nicht unerhebliche Unruhe in der Regierung ausgelöst haben?

{Fragen ist Bronze - Antworten sind Blech}

 

US-Präsident Bush: way of life

1. Mai 2001

US-Präsident George W. Bush hat in einer Rede vor der “National Defense University” (NDU), Washington (Fort McNair) den offiziellen Start-Schuss für die Raketen-Abwehr-Debatte, 2. Teil, gegeben. Nach dem 1983 der damalige US-Präsident Ronald Reagan mit der “Sternen-Kriegs”-Debatte vor allem politische Erfolge in Hinsicht auf die “Aufweichung” der sowjetischen Führung erreicht hatte, ist jetzt unter veränderten Vorzeichen eine Stationierung von Abwehr-Raketen im Lauf dieses Jahrzehnts zu erwarten.

Der Hervorhebung bedürfen die folgenden Punkte der Rede (www.usinfo.state.gov):

  • Seit der Ost-West-Konfrontation verfügen mehr Staaten über nukleare Waffen und noch immer mehr verlangen nach ihnen. Besonders beunruhigend (most troubling) ist, dass die Liste dieser Staaten solche enthällt, für die Terror und (nukleare) Erpressung (blackmail) ihr “way of life” ist. In dieser Welt ist die Abschreckungs(Strategie) des Kalten Krieges nicht länger hinreichend. Wir brauchen neue Konzepte der Abschreckung, die auf offensiven und defensiven Waffen basieren. Verteidigungs-Möglichkeiten können die Abschreckung stärken und den Anreiz für die Weitergabe von Waffen-Technologien reduzieren.
     
  • Der 30-jahre alte Vertrag über die Begrenzung von Anti-Raketen-Waffen (ABM) hüllt die Vergangenheit ein. Er ist nicht in unserem Interesse, dem Interesse unserer Alliierten und Freunde oder dem des Weltfiredens.
     
  • Bush’s Ziel ist die baldige Reduzierung der (offensiven) Nuklearwaffen.
     
  • Verteidigungsminister Rumsfeld hat die Kurzfrist-Optionen ermittelt, die eine erste Kapazität gegen begrenzte Bedrohungen ermöglichen. In einigen Fällen können vorhandene Fähigkeiten land- und see-basierter Systeme nutzen, um Raketen in der mittleren Flugphase und nach Wieder-Eintritt in die Atmosphäre abzufangen. Substanzielle Vorteile sind für das Abfangen in der Start-Phase erkannt worden. Die Vorarbeiten haben gezeigt, dass die Stationierung auf See oder in Flugzeugen eine begrenzte, aber effektive Verteidigungs-Möglichkeit ergeben. Wir werden alle Optionen weiterhin untersuchen.
     
  • Nachdem Bush vor seiner Rede mit wichtigen Alliierten (auch Bundeskanzler Schröder) telefoniert hatte, kündigt er nun die Aussendung von Teams an, die “wirkliche Konsultationen” in den Hauptstädten Europas, Asiens, Australien und Kanada durchführen sollen. Diese Teams werden geleitet von:
    - Richard Armitage, Staatssekretär im Aussen-Ministeriums;
    - Paul Wolfowitz, Staatssekretär im Verteidigungs-Ministerium;
    - Steve Hadley, Staatssekretär des Nationalen Sicherheitsstabes.
    Auch andere “interessierte” Staaten wie China und Russland werden besucht.
     
  • Dann folgt eine halbseitige “Adresse” nur an Russland, die voller Signale steckt und äusserst geschickt angelegt ist: “Wir mögen auf einigen Feldern Differenzen mit Russland haben werden, aber wir sind nicht und müssen nicht strategische Gegner sein. Russland und Amerika sehen sich beide neuen Bedrohungen ihrer Sicherheit gegenüber.”
     

Beurteilung:
Seit längerem ist klar, dass irgendeine Form von Raketen-Abwehr von allen politischen Kräften in den USA gewollt wird. “Wirkliche Konsultationen” wird deshalb nicht bedeuten können, dass irgendein Staat oder Staaten-Gruppe die USA davon abhalten werden kann. Diese Art von Ankündigung von Konsultationen ist aber in ihrer Art einmalig. Und sie verlangt von den konsultierten Staaten eine erhebliche und ernsthafte Vorbereitung auf die Thematik, die gegenüber der eigenen Bevölkerung nicht verschleiert werden kann. Sollte die US-Regierung ihre Position mit  einem fakten-reichen und plausiblen Konzept detailliert begründen, werden einige Pass-Gänger in ihrem Way of Life erheblich tangiert werden. Eines ist sicher: Es geht wieder ein Wahnsinns-Debatte los. Aber was soll’s: Wir haben auch die Nachrüstungs-und Star Wars-Diskussion überstanden.

{Irgendwann wird das Leben zum Dauer-Deja Vu}

 

Pentagon: Kukident-Revolution?

12. März 2001

Andrew Marshall ist 79 Jahre alt, sitzt seit irgendwann im Pentagon, jetzt “Center for Strategic and Budgetary Assessments”, vorher wohl “Office of Net-Assessment”. Unter Rumsfeld-Vorgänger Cohen war er nicht wohlgelitten und seiner recht radikalen Ansichten wegen scheint er nicht viele Freunde zu haben. Zum Schrecken aller Beteiligten hat er aber bei Donald Rumsfeld ein Stein im Brett und wurde genau als der richtige Mann für die (radikale) “Betrachtung von Grund auf” angesehen, die US-Präsident Bush bei Rumsfeld in Auftrag gegeben hat.

Am 12. Februar 2001 hat er ein “Quick Look”-Assessment (Vortrag vor D. Rumsfeld) durchgeführt, dessen MS-Power-Point-Slides wir von einem guten Freund bekommen haben. 25 Seiten Sprengstoff, nach unserer Meinung das Allerbeste vom Allerfeinsten - bester Stoff für die deutsche Debatte (allein die fachgerechte Übersetzung und Einordnung würde hier wohl kaum jemand leisten können). Da wir auch nicht zu Experten gehören, übersetzen wir nur das, was wir halbwegs verstehen; we do our best - and others the rest:

  • Zu den “prinzipiellen, zukünftigen Herausforderungen” gehören
    - die US-Macht-Projektion gegen einen bestimmten Feind, der über die Kapazität verfügt, Zugriffe und Zugang zu Räumen zu verwehren (oft wiederkehrende Begriffs-Verwendung: “anti-access and area denial capabilities”). Damit sind feste, “vorgeschobene” Basen und maritime Kräfte in Küsten-Nähe gefährdet;
    - neue Formen der Blockade;
    - Aufrecht-Erhaltung der US-Überlegenheit im Weltraum;
    - wachsende Ausbreitung urbaner Konflikte;
    - Nutzung der Informations-Kriegführung;
    - Vervielfältung der militärischen Stärke kleiner Kampfgruppen (irreguläre Kräfte, Terroristen und internationale kriminelle Organisationen) durch Massen-Vernichtungswaffen.
     
  • Marshall sieht folgende Trends:
    - Der drastische Rückgang im Wettkampf der grossen Mächte beginnt sich zu drehen;
    - In Ost- und Süd-Asien kommen grosse Regional-Mächte auf;
    - Die Abhängigkeit der Weltwirtschaft vom Informations-Wesen (incl. dem elektro-magnetischen Spektrum), dem Weltall und fossilen Brennstoffen wird sichtbarer;
    - (Kriegs-) Koalitionen, die auf einem gemeinsamen politischen Willen basieren (coalitions of the willing), sind wahrscheinlicher als solche durch Allianzen (sprich NATO);
    - Die “Revolution in Military Affairs (RMA)” zwingt die USA, zunehmend Ressourcen für die Verteidigung im eigenen Staatsgebiet (homeland) abzuzweigen.
     
  • Mit den “Findings” geht es langsam los:
    - Die ‘Quadrennial Review 97” hat nicht die Anforderungen an das benötigte Strategie-Papier erfüllt, um den aufkommenden Bedrohungen zu begegnen;
    - die “Revolution in Military Affairs” geschieht bereits;
    - die derzeitigen Verteidigungs-Programme (Grundlage ist der Febr. 2000-Clinton-Plan für die nächsten 6 Jahre) ist mit 120 Milliarden US$ unterfinanziert (!);
    - der (bisherige) Standard-Mass-Stab, zwei grössere konventionelle Kriege in verschiedenen Welt-Regionen führen zu können (2 MTW - major theater wars), ist zunehmend unzureichend, um die Wirksamkeit der Verteidungs-Strategie und des -Programms zu messen (folgen drei Einzel-Erläuterungen, z. B. gegen Flugzeugträger-Gruppen und amphibische Kräfte);
    - die Aufstellunge einer effektiven Nationalen Raketen-Abwehr (NMD) in naher Zukunft ist zwar höchst wünschenswert, aber derzeit keine verfügbare Option.
     
  • Zu den notwendigen Elementen, die die Transformation bewirken können, gehören:
    - eine Zukunfts-Vision der Kriegführung, die den Transformations-Anstrengungen die (richtige) Richtung verleiht (Defense Vision 2025) - auf deutsch: Drall und Richtung;
    - die Auswahl der (senior) Führungs-Persönlichkeiten auf der Grundlage ihrer Fähigkeit, eine Transformation bewirken zu können (also richtige Kukident-Alligatoren und nicht Nach-Dienst-Lobbyisten);
    - eine robuste Finanzierung von “Übersprung”-Technologien (leap-ahead) und nachhaltig geführten Erprobungen;
    - Erzeugen einer organisierten Offenheit (organizational slack), die für die Innovation und institutionelle Reform des Verteidigungsministeriums, der Streitkräfte und der Verteidigungs-Industrie notwendig ist;
    - eine Beschaffungs-Politik für den nahen und mittleren Zeitraum, die eine begrenzte Produktion eines weiten Spektrums neuer Systeme sowie Nutzungsdauer-Verlängerungen  und Kampfwert-Steigerungen existierender Systeme nachdrücklich befürwortet;
    - “Ausmusterungs”-Strategien (divestment), um Kapazitäten, die nicht in das aufkommende strategische Umfeld passen, zu beseitigen und Ressourcen zu öffnen, die die Transformation  unterstützen.
     
  • Auf S. 7 kommen wir zu den “Initiativen für die Transformation”:
    - Präzisions-Einsätze mit erweiterten Reichweiten;
    - Tarnung (stealth);
    - Beweglichkeit anstatt Schutz;
    - umfassende Architekturen für C4ISR (Command, Control, Communication, Computer, Intelligence, Beobachtung, Aufklärung);
    - Verteidigung gegen das Spektrum von elektronischen und Informations-Angriffen;
    - Vermeidung grosser, verwundbarer (fest-installierter) Stützpunkte, auf die man sich für den Einsatz oder der Abstützung nicht verlassen kann;
    - Vermeidung von übermässiger Konzentration von Kampfkraft auf wenigen Plattformen.
     
  • “Findings, vermischtes”:
    - grössere Abstützung auf unbemannte Systeme und informations-intensive, Netzwerk-basierte Streitkräfte;
    - wahrscheinlicher Bedarf für reichweiten-gesteigerte Macht-Projektion mit kleineren, tarnfähigen Kräften;
    - zunehmende Bedeutung der Unterwasser-Kriegführung.
     
  • Um die kurzfristigen Anforderungen der Sicherheits-Erfordernisse zu erfüllen, empfiehlt der Altmeister:
    - die Neu-Betrachtung der 2-Kriege-Postierung:
    grössere Abstützung auf Süd-Korea bezüglich der Land-Streitkräfte;
    falls die Europäer eine Rapid Reaction Force aufstellen, ermuntert sie, sie für den Einsatz am Persischen Golf zur Verfügung zu stellen;
    - Re-Strukturierung der nahe von Konfliktzonen (forward) stationierten Präsenz:
    die Marine sollte die wachsende Kampfkraft ihrer Unter- und Überwasser-Einheiten nutzen, um innovativ vorn/vorwärts-präsente Kräfte zu schaffen;
    luftbewegliche Expeditions-Kräfte sollten - angemessen - Marine-Kräfte ersetzen;
    NATO-Verbündete mit ausreichend grossen Marine-Kräften sollten ermuntert werden, eine grössere Rolle in der Vorn-Stationierung im Mittelmeer zu übernehmen;
    die US-Marine-Streitkräfte sollten sich mehr zum Persischen Golf, Süd- und Ost-Asien orientieren.
    - Verstärkung der Friedens-Überwachung:
    erkennbar grössere (significant) Teile des Heeres und der National-Guard sollten auf die Rolle der Friedens-Überwachung (peace-keeping) re-orientiert werden;
    die von Amerika’s Verbündeten stationierten Peace-Keeping-Forces (e. g. Australien und Kanada) sollten unterstützt werden.

Soweit für heute - morgen folgen (so nichts dringenderes ist), Marshall’s detaillierte und konkrete Empfehlungen (restlichen 15 Seiten) für Heer, Marine, MarineCorps, Luftwaffe etc. Wird ‘ne Mords-Arbeit (allein die Abkürzungen sind ein Graus) - aber die Story ist es absolut wert. Wenn das annähernd der “Blue-Print” für die US-Bottom-Up-Review wird, haben einige Vorwärts-Einparker erhebliche Probleme.

{Der blanke Hans fragt: “Hab’m wir nicht so einen?”}

 

Pentagon II: (stupid?) ... it works

13. März 2001

Die Slides des Marshall-Vortrages über die konkreten Änderungs-Vorschläge bei den Teil-Streikräften zeigen, wie weitreichend die Änderungen des Streitkräfte-Dispositivs der neuen US-Administration sein könnten. So Sie die US-Presse (nicht nur) zu diesem Thema verfolgen wollen, empfehlen wir, regelmässig (mit genügend Geduld für den Site-Aufbau) bei www.globalsecuritynews.com (ist derzeit vom Sender) vorbeizuschauen (z. B.: “Pentagon faces transformation”, The Sun, Tom Bowman, 13. 3. 01).

Für die neue US-Army schlägt Sir Marshall u. a. vor:

  • Struktur der Streitkräfte:
    - 2 aktive (schwere) Divisionen und 4 National Guard-Div. werden gestrichen;
    von den verbleibenden 8 aktiven Div. werden 5 für Kriegs-Einsätze, 2 für Peace-Keeping-Operations und eine Lehr-Div. (experimentation) strukturiert;
    die verbleibenden 4 National Guard-Div. konzentrieren sich auf “homeland defense”;
    (die weiteren Spezifizierungen werden hier nicht aufgeführt, weil zu speziell und auch nicht ganz verständlich für uns Brüder vom Land).
     
  • Bei der Bewaffnung:
    - Weiter mit
    FCS, HIMARS (leichter, luftverlastbarer Raketen-Werfer, “halber” MLRS auf LKW) ... restart ATACMS Block IIA (MLRS-Rakete mit 300 km Reichweite);
    - Beschleunigung der Entwicklung unbemannter Kampf-Fahrzeuge und Roboter;
    - Forschung und Entwicklung von fortgeschrittenen Transport-Technologien, Quad-Tilt-Rotor (MV-22 Osprey - absturz-geschüttelter, senkrecht-startender Kampfzonen-Transporter), stealthy Luft-Transport für Spezial-Eingreif-Kräfte (SOP) und over-the-beach See-Transport;
    - beende “Crusader” (erfolglose PzHaubitze) ... vielleicht britische oder
    deutsche Alternative beschaffen (Glückwunsch an KMW und Rheinmetall für den Ruf der PzH 2000 - ist übrigens das einzige Mal, wo “German” vorkommt);
    - keine spezifischen Empfehlungen für luftbewegliche Army, incl. Apache/Comanche;
    - reduzierte Priorität für die Digitalisierung und Kampfwert-Steigerung der herkömmlichen schweren Divisionen (niedrige Priorität für Upgrade des M1 Abrams Panzers, je nach den Ergebnissen der Transformations-Übungen).

Für die Marine gibt es auch einige Überraschungen:

  • Die Zahl der Flugzeugträger wird von 12 auf 10 reduziert;
    bei Flotten-Mannövern sollen neue Missionen gegen “anti-access/area-denial”-Bedrohungen erprobt werden, incl. “Network-Centric Warfare” (merken: ein neues Super-Schlagwort)
     
  • 4 Atom-U-Boote vom Typ Trident sollen nicht stillgelegt, sondern zu konventionellen “strike”-Plattformen umgebaut werden;
    - die für die vorzeitige Still-Legung vorgesehenen Jagd-U-Boote der Los-Angeles-Klasse werden mit neuen A-Brennstäben versehen;
    - Klein-Schiffe des Typs “Streetfighter” (bisher nur Konzeption) werden entwickelt und in kleiner Anzahl beschafft (und wir verschrotten unsere schönen Schnell-Boote!);
    - Fortführung der Entwicklung des neuen Flugzeugträger-Typs CVX und des neuen Zerstörer-Typs DD-21 (mit verstärkten Land-Angriffs-Fähigkeiten);
    - beschleunigte Entwicklung eines fortgeschrittenen “Gun”-Systems (was für Rheinmetall?) und unbemannter Kampf-Flugzeuge (UCAV’s);
    -
    und das ist der Hit: “cancel JSF” (Joint Strike Fighter):
    Der gemeinsame Fighter für Marine und Luftwaffe - 3.000 Stück für schlappe 200 Milliarden US$ - wird gestrichen - lt. usnews.com vom 26. 2. 01 “a bull’s eye for budget cutters - für Boeing oder Lockheed/Martin nicht “the winner takes it all”, sondern “the loser looks so small”. Die Überbrückung für kurzfristige Lücken leistet F/A-18 E/F. Ausserdem wird gesteigert Nachdruck auf alternative Mittel für überlebensfähigen Strike-Support durch land- und seegestüzte Raketen-Kräfte und UCAVs gelegt.
    - Noch ein Hit - der Ersatz für zunehmend gefährdete, vorgeschobene Fest-Basen:
    stationiere den Prototyp einer “Joint Mobile Offshore Base (JMOB)”, um ihre Nützlichkeit als Alternative für Fest-Basen zu bestimmen. JMOB heisst: Schwimmende Plattform, die die sechs-fache Grösse eines Flugzeugträgers hat und mit 5 See-Meilen schippert! (So’n Ding brauchen wir auch: HDW baut neueste Maritim-Technologie, ETrUS und A400M sparen wir ein; - einen JMOB - Dschäimobb - bitte!).

Das US Marine Corps bleibt auch nicht ungeschoren:

  • Die amphibischen Einsatz-Kräfte (ARG’s) werden von 12 auf 10 reduziert;
    - eine aktive Brigade der Marine-Expeditions-Streitkräfte wird gestrichen;
    - die Missionen werden wie bei der Marine angepasst.
     
  • Bei der Ausrüstung
    - mit dem Kauf der MV-22 Osprey fortfahren, wenn die derzeitigen technischen Probleme gelöst werden können;
    - signifikante Reduzierung der AAAV-Beschaffung (zukünftiges amphibisches Landungs-Fahrzeug) vornehmen;
    - wird die (senkrecht-startenden) Version des Joint Strike Fighter JSF abgekanzelt - Alternativen wie Marine, s. o.;
    - erwogen werden, Abstand zu nehmen von der herkömmlichen Strike-Unterstützung durch Starr-Flügler, hin zu grösserer Verlässlichkeit der Kombination von Angriffs-Hubschraubern mit Raketen-Artillerie (e. g. ATACMS).
     

Last, but not least - die Luftwaffe:

  • Von den 20 taktischen Geschwader-Äquivalenten werden 3 eliminiert:
    - Hinsichtlich der Aufgaben-Zuweisung werden die Anstrengungen verstärkt, dass das US-Militär jeden zukünftigen Wettkampf im Weltall und im elektro-magnetischen Spektrum dominiert;
    - Nachdruck auf Anstrengungen gelegt wird, die “anti-access/area-denial”-Herausforderung zu bestehen.
     
  • Ausrüstung/Bewaffnung:
    - JSF wird gecancelt (Lückenfüller F-16/Block 60 und Land/See-Raketen und UCAV’s wie gehabt);
    - beschleunigte Entwicklung weitreichender, flug-ausdauernder Drohnen und UCAV’s;
    - Petition an das Parlament, die Finanzierung der “Discover II Proto-Typen” (Radar-Satelliten) wieder aufzunehmen;
    - in gemeinsamen Übungen sollten die Teil-Streitkräfte hohe Priorität auf die Untersuchung der Frage legen, ob der B-2 Bomber Fähigkeiten für die anti-access/area-denial-Problematik hat - falls ja, sollte die Produktion einer signifikanten Zahl zusätzlicher B2 wieder aufgenommen werden;
    - falls die Air Force nicht demonstrieren kann, dass die F-22 im anti-access/area-denial Kriegsführungs-Umfeld gefährlich und überlebensfähig ist, sollte die Beschaffung auf eine “silver-bullet force” reduziert werden (das müssen die goldenen Wasserhähne im Bad sein) - Ersatz sind wieder die F-15 E;
    - Die geplante JSTAR-Beschaffung (fliegender Feldherrn-Hügel) soll um zwei auf 17 geschraubt werden;
    - erwogen werden sollte die Umwandlung von 18 B-1B oder B-52-Bombern für die elektronische Kampf-Führung;
    - für das anti-access...-Umfeld sollte ein strategischer Luft-Transporter entwickelt werden.

Sorry - sorry - sorry: Jetzt sind wir mit Seite 14 fertig - fehlen noch 11; wird doch eine längere Serie. Aber wir können ruhigen Gewissens eines sicher versprechen: Wer sich da durchkämpft, hat ausgesorgt: Er legt sich für rund fünf Jahre hin, steht wieder auf und ist noch immer top - auf der Höhe der Zeit.

Vorher aber muss es noch ein Schmanker’l/Betthupfer’l geben: ein guter Freund hat uns - thank’s a lot - Grundsätze von “Murphy’s Laws of Combat” geschickt (Quelle: ein Freund von swiss.military.net). Wahllos greifen wir die Nr. 5:

{If it’s stupid but works, it’s not stupid}

 

Pentagon III: bitte durchhalten!

15. März 2001

Am letzten Arbeitstag der Woche (Do) geht uns immer die Puste aus: Bei der Übertragung der letzten 10 Seiten wollen wir uns beschränken, damit  nicht noch Pentagon IV entsteht. Deshalb lockere Übersetzung der Highlight’s:

  • Empfehlungen für Bündnisse und die Stationierung
    Eine neue Arbeitsteilung mit den Allierten muss einrechnen:
    - die Beständigkeit und Verlässlichkeit
    - neue Aufgaben-Stellungen durch die “Revolution in Military Affairs;
    - eine mögliche Verschiebung der Schwerpunkt-Setzung der amerikanischen Sicherheitspolitik von Europa nach Asien.
    Die USA sollten demgemäss eine hohe Priorität auf folgendes legen:
    - Verleih statt Transfer fortgeschrittener Militär-Technologien (spart uns ‘ne Menge Geld);
    - Unterstützung der Anstrengungen
    ausgewählter Verbündeter bei der Entwicklung fortgeschrittener Technologien/Fähigkeiten (was für die Germans?);
    - Ansteuern einer neuen globalen Stationierungs-Architektur, weil
    wegen der weniger sicheren Vorhersagbarkeit der Verlässlichkeit der Verbündeten Vorsorge betrieben werden muss,
    wegen der ansteigenden Risiken fest-installierter, vorgeschobener Stützpunkte Gegenmassnahmen ergriffen werden müssen,
    Asien eher als Europa die Region ist, in der die US-Sicherheits-Interessen einem Risiko unterliegen.
     
  • Andere Empfehlungen:
    - Kreation einer neuen Position, des “Transformations”-”Zaren” (wird Andy) und administrative Vorkehrungen für “Transformations”-Offiziere (weil Eiferer als Verräter der Teilstreitkräfte eingestuft werden und keine Beförderungs-Schnitte mehr bekommen);
    - Absenkung der nuklearen Sprengkopf-Level (potentielle Einsparen = 2 Mrd. US$ jährlich);
    - Neue strategische “Triade”:
    1. konventionelle Präzisions-Einsatz-Kräfte mit grossen Reichweiten,
    2. elektronische Einsatz-Kräfte und
    3. verbleibende nukleare Einsatz-Kräfte.
    - Effizienz-Steigerung weiterbetreiben, aber nicht auf signifikante Profite hoffen (neueste GEBB-Empfehlung?).
    - Nationale Raketen-Abwehr: Weiterhin “aggressive” (mit Wahnsinn’s-Nachdruck) betriebene Forschung und Entwicklung, aber nicht zu frühzeitige Bindung an eine (bestimmte) Technologie;
    - eine eventuelle Stationierungs-Entscheidung muss die mögliche Reaktion anderer Nuklear-Mächte, speziell China’s und Russland’s in Rechnung stellen und
    im Zusammenhang mit einer umfassenden konzeptionellen Vorgehensweise mit der “Heimat”-Verteidigung inclusive Massen-Vernichtungswaffen, Marschflug-Körper-Angriffe und dem verdeckten Einsatz von biologischen und radiologischen Waffen stehen.
    TMD (Theater Missile Defense = “regionale” Raketenabwehr) sollte sofort ab (technischer) Durchführbarkeit stationiert werden, um ein besseres Verständnis für Operationen und die Streitkräfte-Struktur zu erhalten.
    - Gesteigerter Nachdruck sollte auf die Festigung der Nationale Verteidigung gelegt werden, und zwar gegen
    Angriffe auf die Struktur des Informationswesens (Computer-Netzwerke) und
    Terrorismus mit biologischen Waffen.
     
  • Versuche (Experimentation)
    - Eine nachhaltige, intensive Forschungs- und Entwicklungs-Strategie ist gefordert;
    - erhebliche Steigerung der Haushaltsansätze um mehr als 10 Milliarden US$ über einen langen Zeitraum;
    - die Haushalte für die Transformations-Phase müssen dramatisch erhöht werden (hört Hans Eichel gern);
    - neue Trainings-Einrichtungen und -Formationen müssen geschaffen werden;
    - etc., etc.
     
  • Betreiben erfolgversprechender Technologien
    - verteilte Satelliten-Konstellationen, raumgestützte Radare mit Zielverfolgungs-Kapazitäten (Premium-SARLupen), Radare, die Abdeckungen und Mauern durchdringen (!);
    - breitbandige, netzwerk-basierte Kriegführung;
    - unbemannte Luft-, Boden- und Unterwasser-Fahrzeuge, Mikro-Roboter und Mikro-UAV’s, “performance-enhancing exoskeletons” (sorry ?), und Raketen “in a box” (Zigaretten-Schachtel’n wahrscheinlich);
    - reichweiten-gesteigerte elektronische Kriegführung incl. Technologien, die falsche Ziele vortäuschen und andere Technologien, die aktive Informationen schützen;
    - gesteigerte unterwasser-stationierte Macht-Projektion für adäquate, umfassende Einsätze und amphibische Verbringung;
    - hypersonische, direkt-gerichtete Energie und elektromagnetische Kanonen-Systeme (bekannt von Reagan’s StarWars-Movies);
    - neue Energie-Ressourcen (Brennstoff-Zellen);
    - Kontrolle des Weltalls (space control) mit Mikro-Satelliten, die als Nah-Begleiter feindlicher All-Systeme diese zeitweise oder andauernd in ihrer Funktion behindern können;
    - Technologien für Computer-Attacken und solche zur Verteidigung dagegen;
    - fortgeschrittene Verteidigungs-Möglichkeiten gegen biologische Kriegführung (Sensoren und Impfstoffe) und Materialien für “bio-enhanced operations”
     
  • Allgemeiner Zeitplan (das US-Haushaltsjahr geht jeweils von Okt. bis Sept.)
    - Haushaltsjahre 2002 - 2007: Forschung und Entwicklung incl. Wissenschaft und Technologie und Versuche; einige (militärische) Fähigkeiten werden aufgegeben, um Mittel frei zu bekommen; stufenweise Steigerung in die Verlässligkeit der Verbündeten (oh, oh);
    - Haushaltsjahr 2007: Beginn der Entscheidungen;
    - nach dem Haushaltsjahr 2010: umfassende organisatorische Änderungen;
    - Haushaltsjahr 2020: die neue US-Streitkraft ist fertig.

Nach diesem nicht ganz unwichtigen Element des Zeit-Horizonts folgen noch drei Seiten einer “allgemeinen Beurteilung”, eine mit “einleuchtenden Widersprüchlichkeiten”, eine mit “Gesprächs-Punkten”, die insgesamt schon wichtig sind, uns dann aber teilweise überfordern oder ins Ober-Seminar von Andrew bringen. Eigentlich müssten wir jetzt eine auführliche und “intelligente” Beurteilung anhängen. Weil Sie die aber selbst schon im Kopf haben, lautet unser Abgesang:

{Beam me up, Andrew}

 

Irak-Strike IV: China-Net

21. Februar 2001

Im Januar 2001 hat die chinesische Regierung sich eine Demarche (starker diplomatischer Tobak) der alten US-Regierung eingefangen. Grund: Unter Umgehung des UN-Sanktions-Büros haben chinesische Firmen und Mitarbeiter das irakische Telekommunikations-Netz incl. seiner militärischen Verwendbarkeit auf die neueste Glasfiber-Technologie gehievt. Heute hat US-Aussenminister Powell den chinesischen Botschafter erneut mit der Frage-Stellung konfrontiert, weil die chinesische Regierung bisher auf die Vorwürfe nicht reagiert hat. Zwar hat der Sprecher des chinesischen Aussenministeriums betont, er wisse davon nichts, aber die US-Regierung wartet immer noch auf eine detaillierte Antwort. Der Vorgang ist nicht ganz undelikat, denn wenn das UN-Sicherheitsrats-Mitglied China UN-Sanktionen umgeht, wäre das nicht so nett (siehe “Washington Post”-Bericht und Briefing Richard Boucher, Sprecher des US-Aussenministeriums).

Von www.xinhuanet.com/english/htm/20010221/376616.htm lernen wir, dass unser Verteidigungsminister in einem Inverview mit “Xinhua” in China einen “verlässlichen Partner für Europa” sieht. dpa muss am 19. 2. gemeldet haben, dass General Zhang Wannian, Vize-Vorsitzender der Militärkommission, China’s Willen unterstrichen habe, eine friedliche Wiedervereinigung mit Taiwan zur erreichen, die Frage aber ‘unter bestimmten Bedingungen’ auch mit resoluten Mitteln zu lösen bereit sei.

Schade, dass bundeswehr.de in einen Dornröschen-Schlaf verfällt, wenn der Meister fernab Weltpolitik macht. Wenigstens den Rede-Text “Scharping vor Studenten der Militär-Akademie” hätten wir gern einmal überflogen. Aber es fehlt uns Glasfieber.

{Sun Tsu sagt: “Zuviel sachliche Einzelheiten hindern Dich an Deiner Urteilskraft”}

Nachtrag 22. 2. 01

Sorry, sorry, bundeswehr.de: Die Rede von Scharping an der “Nationalen Verteidigungsuniversität” in Peking über “Entwicklungen und Herausforderungen europäischer Sicherheitspolitik” war da! Ja, wir sind Schlafmützen, unpräzise etc. Richtig, richtig. Aber andererseits, sorry: Jede neue Nachricht wird mit aufspringenden Kästchen, die extra gekillt werden müssen, angezeigt. Wie können wir in unserem Tran wissen, dass Ihr lieben Freunde hinten was reingeschoben habt? Trotzdem, mea culpa, maxima ...

Zur Rede von VM Scharping nur kurze (unmassgebliche) Anmerkungen:

  • 5. Absatz: “Vor 50 Jahren war Deutschland ein zerstörtes und geteiltes Land”. Nach diesem Satz hätten wir uns - in Hinsicht auf die chinesischen Militär-Studenten - und nicht nur die - eine Erklärung dafür gewünscht. Sonst könnte jemand auf die Idee kommen, dass es nicht Adolf Hitler - und nicht er allein - war, die Auslöser waren.
     
  • Absatz V: “Europa kann sich weniger denn je allein auf Europa konzentrieren ... Ein Beispiel wäre der Kaspische Raum ...” Oh meine Güte, Kosovo hoch zehn! Das ist europäische Grandezza, Flamenco, what have You. Was ist das für ein Anspruch?
     
  • Gesamte Rede: Nichts Unangenehmes stört den Verlauf: Kein NMD, Irak, NATO-Erweiterung, Proliferation, Taiwan, etc. Wenn man wenigstens die Ahnung einer Andeutung auf einen kritischen Bereich finden könnte. Nichts dergleichen. Wohlfeiles Polit-Marketing. Marketing zeichnet sich dadurch aus, dass es 1. keinerlei Probleme gibt, und 2. man die Wirklichkeit auf die leichteste Handhabbarkeit reduziert, noch nicht einmal annähernd die halbe Wahrheit; die Lüge ist die Weg-Lassung. Erlaubt? - ja, allgemein als “Not”-Lüge. Ja, wir wissen, was wir tun.

Und es war sonst noch was: Wundervoll ist cvd.bundesregierung.de (leider nur für Journalisten):

  • Pressekonferenz, 21. 2. 01:
    Sprecherin des AA, Frau Sparwasser: “Wir haben Verständnis für die Haltung der Briten und der Amerikaner, die aus einer Bedrohungssituation zum Schutz der Kurdischen Bevölkerung (die lebt ja im Norden der No-Fly-Zone! d. Verf.) und auch zum Schutz ihrer eigenen Soldaten diese Einsätze durchgeführt haben.”

    Staatssekretär Heye (Regierungssprecher): “Wir werden innerhalb der EU mit unseren Partnern darüber sprechen und dann eine abgestimmte Position Europas in der Sache und zu allen Fragen, die jetzt anstehen, entwickeln” (d.Verf.: F ist klar, I-AA Amato auch, gegen). Auf den Eiertanz sind wir hämisch (sorry) gespannt.

    Frau Sparwasser, wunderbar: “Das heißt, man darf bei dieser ganzen Debatte nicht verkennen, wo das Problem im Land, im Irak, sitzt. Das sitzt in der Führung.”

    Frage: ... F hat deutlich kritisiert .. “Sieht sich die Bundesregierung mit ihrem Hauptpartner nicht mehr einig in dieser Frage?”
    STS Heye: “Im Gegenteil. Gerade mit Frankreich wir hier eng abgestimmt wie mit den anderen EU-Partnern auch ... “
    Nachfrage: F und D “weit auseinander”? “Was passiert, um eine Angleichung zu erreichen?”
    STS Heye: “Wir sind mit unseren französischen Freunden im engen Gespräch. Ich sehe diese Differenz nicht, die Sie beschreiben.” (Wie man sieht, muss ein Presse-Sprecher eine gewisse “Arroganz” an den Tag leben).
     
  • Auch der Presse-Spiegel I (Inland) vom 22. 2. ist wieder ein Hochgenuss:
    Da ist BILD/Brüssel/Lambeck verzeichnet: “Verärgerung über Fischer soll es auch bei Kanzler Schröder geben. Ein Schröder-Mitarbeiter zu BILD: “Fischer hätte schweigen sollen. Jetzt hat er Frankreich vor den Kopf gestoßen.”
    (F-AA Vedrine wird am 27. März seinen amerikanischen Kollegen in Brüssel treffen; das schauen wir uns an - für Spezies: auf
    http://www.france.diplomatie.fr/actualite.gb/article.asp?cat=3&th=0&ar=468
    sind ¥ie F-statements alle zu finden)
     
  • Aus den vom “Fernseh-/Hörfunkspiegel II (Inland)” vom 22. 2. mit-geplotteten Wellen-Salaten ist Vorstands-Sprecher Fritz Kuhn, Bündnis90/Die Grünen erhellend:
    “Ich glaube, dass es gestern einfach eine Fehleinschätzuing war, dass es grosse, massive Proteste in der der Partei gäbe.” Gemeint war Trittin, der sich in Scharfschützen-Manier auf Fischer während der Presse-Konferenz versucht hatte - war wohl daneben.
     
  • Und wir haben uns ansonsten noch zugeschüttet mit:
    - den russischen “Tactical Ballistic Missile” (TMD)-Plänen: Sie kommen mit der S-300! ist so ein Geschoss ähnlich wie die “Patriot”, aber natürlich 1000mal besser. Wir warten auch sehnsüchtig auf die Parteien- und Medien-Proteste gegen diese abscheulichen Pläne der Russen (ist aber gar nicht so schlimm, weil “taktisch”!) Wir wollen die Probleme doch “politisch” lösen. Igittigitt.

    - von dem lang-erwarteten Newcomer
    www.globalsecuritynews.com (die einst uns Blümchen reichten, jetzt aber mit unserer lieben Konkurrenz sipotec.net bundeln) lernen wir aus deren Link-Bombardement, welches für geduldige English-Könner durchaus reizvoll ist:
    1. Weil der böse Powell den Kim-Jong-il als “Diktator”  bezeichnet hat, wollen die armen so gescholtenen Nord-Koreaner die Raketen-Testerei wieder aufnehmen (BBC).
    2. Aus Honkong (besser über global.... gehen) lernen wir, dass Experten die Möglichkeit studieren, wegen der NMD-US-Kiste eine chinesisch/russisch/indische Koalition zu schmieden. Das sei aber wiederum nicht ganz einfach, weil die chinesisch-indischen Beziehungen wegen der Tibet-Frage (und der chinesisch-pakistanischen “Verbindungen”, d. Verf.) nicht ganz unvorbelastet seien.
     
  • Von Jim Garamone, American Forces Press Service, 22. 2., wissen wir, das die Defense Intelligence Agency (DIA) in Gestalt des Vize-Admirals Thomas Wilson am 7. 2. vor dem US-Senate, Select Commit¥ee on Intelligence, für die nächsten 10 - 15 Jahre “turbulente, if not more so” als in den letzten 10 Jahren voraussagte. Noch haben wir das Statement nicht gefunden ... aber wir bemühen uns ...

{Ja, wir bemühen uns doch: “Immer den Ball flach halten - entspann’ Dich mal”}

 

US/UK-Irak Strike III: Fischer-Amazing

20. 2. 2001

Was für Szenen müssen sich abspielen in den internationalen Regierungs-Stuben, Redaktions-Konferenzen, Partei-Sitzungen und sonstigen Polit-Zirkeln: Fassungslosigkeit, Aufschreie, Entsetzen, Tumulte, schieres Grauen - aber auch schlichtes Staunen, feines Grinsen, schallendes Gelächter, satter Beifall. Alle haben das gleiche Papier gelesen:
Text der Presse-Konferenz von US-Aussenminister Colin Powell und seinem Gast, dem deutschen Aussenminister Josef Fischer; Washington, 20. 2. 2001):
http://usinfo.state.gov/cgi-bin/washfile/display.pl?p=/products/washfile/latest&f=01022057.wlt&t=/p roducts/washfile/newsitem.shtml

Da wir relativ sicher sind, dass “auswaertiges-amt.de” sich nicht traut, den Text in vollständiger Übersetzung einzustellen (wetten dass?), bringen wir die schönsten Passagen in diesmal sehr angestrengter GP-Übersetzung (nicht schön, aber recht eng am Text):

Aussenminister Powell:

  • “Ich bin sicher, dass dies der Beginn einer sehr engen und personalen Beziehung zwischen uns ist und eine günstige Gelegenheit, die Beziehung zwischen unseren Nationen zu verstärken.
    Minister Fischer ist ein sehr nachdenklicher und den transatlantischen Beziehungen verpflichteter Champion und ein treuer Freund der Vereinigten Staaten ...
     
  • “Diese Administration ist verpflichtet - und Präsident Bush speziell ist verpflichtet - zusammen mit unseren deutschen  F r e u n d e n  (im Original nicht gesperrt) unsere exellente Tradition enger Kooperation fortzusetzen.”

Nun bitte volle Aufmerksamkeit für unseren Freund Joschka:

  • “Die Vereinigten Staaten sind unser wichtigster Alliierter ...
     
  • “Und wir redeten ebenso über die Situation im Irak, und wir würdigen sehr, was wir hörten, dass Sie nach einer politischen Lösung suchen. Und Sie betonten, dass Sadam Hussein und seine Politik, die danach trachtet, Fähigkeiten für Massenvernichtungs-Waffen und Raketen-Technologien zu erlangen, tatsächlich der wirkliche Grund ist; und das die Embargo-Politik nic¥t gegen die irakische Bevölkerung gerichtet ist, sondern gegen diese Politik. So, in der Tat, stimmen wir überein, dass wir entlang dieser Linien gehen sollten, aber gleichzeitig sehr klar machen, dass es für Saddam Hussein keine Möglichkeit geben darf, den Frieden in der Region oder der internationalen Gemeinschaft zu bedrohen.”
     
  • Auf die deutsche Frage eines Reporters, ob der Angriff legitim und sinnstiftend sei, antwortet Fischer in deutsch; wir rück-übersetzen:
    “Wir haben über diesen Punkt lange geredet, und wir sind sehr besorgt - wie die amerikanische Seite - über die immensen Sicherheits-Risiken, die die irakische Regierung darstellt, in Hinsicht auf die Verbreitung von Massen-Vernichtungswaffen und Träger-Raketen.
    Wir stimmen darin überein, dass es notwendig ist, den Irak zur Einhaltung der UN-Resolutionen zu bewegen - aller Resolution - und wir haben mit grossem Interesse gehört, was Aussenminister Powell in Bezug darauf in dem Briefing über die Situation gesagt hat. Wir verstehen die Aktion unserer Alliierten, die sie in einer immens schwierigen Situation zu unternehmen hatten, um zu gewährleisten, dass die Sicherstellung des Lebens der Kurden und ihrer eigenen Truppen gewährleistet ist.”
     

In dem acht-seitigen Text sind von Seiten Colin Powell’s noch ein paar goodies versteckt, die wir aber nicht bringen, weil sonst die Lust am Lesen des Gesamt-Textes vergeht. Aber einen Kracher bringen wir noch: Powell wird nach seiner Denke über Fischer gefragt, der gegen US-Raketen, den Vietnam- und Golf-Krieg war und nun hier mit ihm über Raketen gegen den Irak rede:

  • Powell: “Amazing, isn’t it?” - (Laughter). Und zum Schluss:
  • “We are now the best friends between our nations, and I think the best of friends between two men.”

Wir grübeln allerdings noch über einen Punkt, den wir für wichtig erachten. Wie war das eigentlich: Amerikaner und Briten bomben los. Hat der deutsche Kanzler, sein AussenMinister, die restliche Welt der Alliierten, Freunde, Partner und what have you ein Fax oder eine e-mail oder sonstwas von USA bekommen, wo verzeichnet war:
Um soundsoviel Uhr haben wir Bomber gegen 5 (oder 6) Ziele (spezifiziert) eingesetzt, aus diesem und jenem Grund (z. B. konkret “Schlagzahl” der irakischen Anti-Flugzeug-Aktionen), um unsere Piloten zu schützen, No-Fly-Zone add add add add. Alles auf einer Seite ... Sincerly Yours ... Please, be so kind .... und haut uns nicht in die Pfanne, weil wir die Drecksarbeit machen ...
Und dann kann der Kanzler hingehen und eine ernste Miene machen und erzählen, dass er informiert worden sei über diese und jenes und dass man für dieses und jenes Verständnis haben müsse add add add add ... und ein Gesamtkonzept für den Frieden entwerfen müsse ...

Das sollte man wissen - You should know:

{GeoPowers is Your unmatched consultant for Communication Warfare - CW}

 

US/UK-Irak Strike II: Freunde, Partner und Gegner

19. 2. 2001

Verwunderlich ist, dass das Britische Verteidigungs-Ministerium auf www.mod.uk von 6 Zielen redet. Als begeisterte Nutzer des leider nur für Journalisten zugänglichen Angebots des Bundes-Presseamtes (cvd.bundesregierung.de) können wir mit der Quellen-Angabe BPA-Pressespiegel (Inland I + II, Ausland) vom 17. - 19. 2. folgendes berichten:

  • Nach irakischen Berichten sind eine Frau getötet und elf weitere Menschen verletzt worden;
     
  • Sadam Hussein will 21 Freiwilligen-Divisionen für die “Armee zur Befreiung Jerusalems” aufstellen. In einem Interview des “Deutschland-Funk” (19.2.) erinnert das SPD-MdB Gert Weisskirchen daran, dass Sadam Hussein im letzten Jahr angekündigt habe, er wolle “6,5 Mio. (!) Freiwillige in die Region entsenden, um die Palästinenser zu befreien”.
     
  • Einem dpa-Bericht zufolge hat Bundestags-Präsident Thierse, z.Zt. Teheran, vor der Presse erklärt, der iranische Aussenminister Charrasi “habe die Angriffe nicht verurteilt, vielmehr habe er sich dafür ausgesprochen, das irakische Regime zu überwachen, weil es Massenvernichtungs-Waffen besitze und UN-Resolutionen nicht befolge.”
     
  • Der BPA-Pressespiegel I + II vom 19. 2. zeigt, dass Präsident Bush in Deutschland keine gute Presse hat. Die Kommentare sind mit wenigen Ausnahmen kritisch, gehen erkennbar nicht auf das konkrete Problem ein, ausser BILD. Herbert Kremp begründet fast zutreffend (s.o.): “Seit Bush’s Amtsantritt richtet Sadam massives Feuer auf die alliierten Patrouillen über der Flugverbotszone.”

Zu sonstigen Merkwürdigkeiten des Wochenendes lernen wir:

  • Gespannt sein dürfen wir auf den für heute angekündigten Alternativ-Vorschlag, den die russische Regierung NATO-Generalsekretär Lord Robertson machen will: ein euro-russisches Raketen-Abwehr-System (mobil, nicht-strategisch) “in unmittelbarer Nähe des potentiellen Aggressors”. Aber erst werden Schul-Arbeiten gemacht: 1. Risiko-Analyse, 2. politische und andere nicht-militärische Strategien zur Abwehr (AFP, rtr, ITAR-TASS) Viel Spass! Gute PR-Arbeit!
     
  • AFP meldet: “Die neue israelische Regierung wird keinen endgültigen Friedensschluss mit den Palästinensern mehr anstreben, erklärte der Sprecher des künftigen Minister-Präsidenten Sharon, Gissin, in Jerusalem.
     
  • Der jugoslawische Aussenminister Syilanovic hat an NATO-Generalsekretär Robertson geschrieben, dass die Regierung “das Problem (Albaner in Süd-Serbien) adäquat zu lösen” gedenke, sollte das Bündnis nicht umgehend reagieren (AFP).

Am besten gefallen hat uns die Presse-Mitteilung Nr. 70/01 “Bundeskanzler Schröder zu den Luftschlägen gegen Irak”. Mit der Forderung nach einem “politischen Gesamtkonzept für die gesamte Region” und deren Mittelpunkts-Beschreibung “Israel” sowie der Vermeidung von Solidaritäts-Effekten für Sadam dürfte das Signal klar sein. Es ist eine alte politische Fuchs-Regel: Fordere ein “Gesamtkonzept” und Du bist fein raus; hört sich toll an und man kann sich in jede Ecke verdünnisieren (der Begriff wurde erstmals beim NATO-Doppel-Beschluss von allen Seiten als extra Weichmacher benutzt).

Die Krone der Schröder-Erklärung ist aber der folgende Satz:
“Deutsche Aussen- und Sicherheitspolitik wird eng mit den europäischen Partnern und den französischen Freunden abgestimmt.”
Der arme Joschka muss nun den Amerikanern erklären, warum der Kanzler die deutsche Aussen- und Sicherheitspolitik nicht auch eng mit den Amerikanern, dem Bündnis, abstimmt - und warum nur die Franzosen die Freunde der Deutschen sind. Wie war das denn noch in Nizza? Hat unser Kanzler da nicht ganz geschickt seinen Freund mächtig auflaufen lassen? Keine Schläge, aber Berliner Luft?

{Staaten haben Freunde, keine Interessen - Churchill hatte unrecht!}

 

US/UK-Strike I: schädlich?

18. Febr. 2001

Als Routine-Angelegenheit ist der Luftangriff amerikanischer und britischer Flugzeuge auf irakische Luftabwehr-Stellungen von Seiten des Sprechers des Weissen Hauses, Ari Fleischer, bzeichnet worden.

Am 16. Febr. 2001, 12.30 Washingtoner Zeit, 4.30 Bagdad-Zeit, waren 16 US-Flugzeuge der Typen F-15, F-16 und F-18 und acht britische des Typs MRCA Tornado parallel zum 33. Breitengrad im Einsatz, begleitet von einer ungenannten Zahl zusätzlicher Kampf-Unterstützungs-Flugzeuge ( elektronische Kampfführung, Unterdrückung gegnerische Luftabwehr), und schossen eine nicht genannte Zahl präzisions-gesteuerter Abstandswaffen ungenannten Typs auf die fünf folgend benannten Ziele, die in einem Umkreis zwischen fünf und 20 Meilen um Bagdad liegen, bzw. ein Ziel, welches direkt am 33. Breitengrad liegt:

  1. “Bagdad”, Radar-Stellung ((nahe Bagdad),
  2. “Al Taqaddum”, Führungs- und Radar-Stellung,
  3. “An Numanijah”, Führungs-Stellung (nahe 33. Breitengrad),
  4. “As Suwayrah”, Führungs-Stellung,
  5. “Taji”, Führungs- und Radar-Stellung

(vgl. die Dias (slides) über die Radar-Abdeckung, die Radar-Typen “Tall King” und “Volex” sowie die ungefähre Lage der Ziele unter:
www.defenselink.mil/news/Feb2001/g010216-D-6570C.html; siehe dazu auch die Statements der britischen Regierung sowie das “Fact Sheet” unter
www.fco.gov.uk/news/

Alle fünf Ziele sollen von nicht-militärischen Einrichtungen separiert gewesen sein. Zum Zeitpunkt der Presse-Konferenz hatte man keine Anzeichen, dass ein oder mehrere Bomben ihr Ziel verfehlt hätten.

Folgende Begründung wird angeführt:

  • Rahmen ist die seit 1992 von amerikanischen und britischen Flugzeugen überwachte “No-Fly-Zone¥ nördlich des 33. und südlich des 36. Breitengrades, eingerichtet zum Schutz der Kurden im Norden und der Shia im Süden sowie zur Begrenzung irakischer militärischer Macht-Entfaltung. Im Dez. 98 sowie im Sept./Okt. 99 drangen amerikanische/britische Kampf-Flugzeuge sogar in den irakisch-kontrollierten Luftraum ein und beschossen Ziele.
     
  • Kern ist: Der Irak würde permanent seine Luft-Abwehr-Fähigkeiten verbessern, womit sie zu einer zunehmenden Bedrohung für die amerikanischen und britischen Piloten würden, die die No-Fly-Zone überwachen. Für das Jahr 2000 werden 221 “Provokationen” genannt, für 2001 51 Beschüsse durch Rohrwaffen und 14 durch Luftabwehr-Raketen. Der Einsatz wurde von Amerikanern und Briten vorsätzlich geplant, von G.W. Bush und Tony Blair abgezeichnet und “orchestriert” durchgeführt; völkerrechtlich/politisch wurde er als “Akt der Selbst-Verteidigung dargestellt.

Beurteilung:

  • Derartige militärische Aktionen sind keinesfalls ein Akt der Erbauung; sie können aber nicht von dem politischen Hintergrund abgelöst werden.
  • Zentrale Frage ist, ob die Einhaltung der No-Fly-Zones 10 Jahre nach Ende des Golf-Krieges weiterhin (auch mit allen konkreten militärischen Implikationen) umgesetzt werden soll. Klar ist, das Sadam Hussein deren Ende will und er vorsätzlich alle Orchestrierungen unternimmt, diesen Etappen-Sieg zu erringen und in letzter Zeit generell gute Ergebnisse hatte. Dass Russland und China das Bombardement ablehnen, ist nicht weiter verwunderlich; sie können gar nicht anders.
  • Für Europa ist die regierungs-amtliche Kommentierung des politischen Gesamt-Zusammenhanges aber von erheblicher Bedeutung, wenn die französische Regierung der Meinung ist, dass der Vorgang eine politische Spannung fördere, die “schädlich für eine ‘konzertierte Lösung des Irak-Problems’ sei” (nach WamS, 18. 2. 2001). Soviel politischen Grips haben wir ja auch noch, um die Bedeutung für die gesamte Nah-Ostpolitik zu sehen.

    Als deutsche Bürger interessiert uns, was denn unsere Bundesregierung zu dem Vorgang sagt, sozusagen zwischen den britischen Bombern und französischen Musikern.
    Wir sind gespannt, ob unser Aussenminister passend zu seinem USA-Besuch filibustert, ob aus Indien oder China der Verteidigungsminister sich räuspert oder der eigentlich geforderte Bundeskanzler aus der Deckung kommt (we track them all).

{Sun Tsu sagt: “Vermeide stets konkrete Aussagen - dann lebst Du länger”}

 

US-Präsident: Message an die Alliierten

14. Februar 2001

Gestern hat sich US-Präsident George W. Bush vor militärischem Personal in der Norfolk Naval Air Station, Virginia, direkt an die Alliierten gewandt:
(
www.whitehouse.gov/news/releases/20010213-1.html )

“Ich bin heute hier mit einer Botschaft für Amerika’s Verbündete. Wir wollen in der Arbeit für den Frieden kooperieren. Mit unseren Verbündeten in der NATO wollen wir uns frühzeitig und aufrichtig konsultieren. Wir erwarten umgekehrt das gleiche von ihnen. In Diplomatie, Technologie, in der Raketen-Abwehr, im Führen von Kriegen, aber vor allem in der Verhinderung von Kriegen müssen wir als Einheit arbeiten. Transatlantische Sicherheit und Stabilität ist ein vitales amerikanisches Interesse, und unsere Einheit ist für den Frieden in der Welt äusserst wichtig. Nichts darf uns jemals trennen.”

Danach folgen zwei zentrale Punkte:

  • Als erstes müssen wir unsere Nationen gegen die Gefahren einer neuen Ära vorbereiten. Die schwerwiegende Bedrohun¥ durch nukleare, biologische und chemisch Waffen ist mit dem Ende des Kalten Krieges nicht vorüber. Sie hat sich in viele vereinzelte Bedrohungen entwickelt, son denen einige schwerer zu erkennen und zu beantworten sind. Und die Gegner, die diese Werkzeuge des Terrors erlangen wollen, sind weniger leicht vorher zu bestimmen und mannigfaltig. Den Bedrohungen durch Raketen müssen wir mit fortgeschrittener Technologie begegnen. Den Bedrohungen, die in Schiffs-Containern oder Reisekoffern aufkommen, müssen wir mit gemeinsam geteilten Nachrichtendienst-Informationen und (rechtlicher) Erzwingung begegnen. Wir haben keine höhere Priorität als die Verteidigung unserer Landsleute gegen terroristische Attacken. Amerika weiss, dass es, um weiterhin Erfolg zu haben, mit seinen Alliierten zusammenarbeiten muss. Wi¥ haben nicht gemeinsam den Kalten Krieg überwunden, um jetzt getrennte Wege zu gehen, getrennte Pläne mit getrennten Technologien zu gehen. Den vor uns liegenden Gefahren stehen wir alle gegenüber. Die Verteidigung, die wir aufbauen, muss uns alle schützen.
     
  • Und zweitens müssen wir, wie sie wissen, in erster Linie unseren Frieden erweitern durch Förderung unserer Technologie. Wir sind Zeugen einer Revolution des Kriegswesens durch  Technologie; Kampfkraft wird zunehmend nicht durch Grösse, sondern durch Mobilität und Geschwindigkeit bestimmt, Überlegenheit resultiert zunehmend aus der Information ... Schutz wird durch Tarnung sowie weitreichende, präzise gelenkte Abstands-Waffen erreicht.”

Seinen Verteidigungsminister Rumsfeld hat der US-Präsident beauftragt, die gesamte Militärmacht einer ganzheitlichen Neu-Bewertung (bottom-up-review) zu unterziehen. Die Ziele beschreibt Bush:

  • Das Heer wird leichter, kampfkräftiger, leichter zu stationieren und widerstandsfähiger.
  • Die Luftwaffe soll mit bemannten und unbemannten Flugzeugen zur weltweiten Punktziel-Bekämpfung in der Lage sein.
  • Die Marine wird Informations-Technologie und Waffen in neuartiger Weise verknüpfen, um Kampfkraft auf Land zu projezieren.
  • Im Weltraum soll das Netzwerk der Satelliten geschützt werden.

Dies hat zur Folge, dass alle bisher geplanten Waffen-Systeme neu bewertet werden; seit längerem verbreitet das von der neuen Administration genutzte Wort “skip” (Überschlagen einer Waffen-Generation) Schrecken in vielen Rüstungs-Abteilungen. Einen wichtigen Teil seiner Wahlkampf-Versprechungen löst Bush jedoch gleich ein: Die Ausgaben für Gehälter, Soziales und Infrastruktur werden umgehend angehoben (allerdings hatte die Clinton-Administration gleiches geplant).

Eine kleine Rück-Versicherung hat sich Präsident Bush jedoch eingebaut: Sein Vize, Ex-Verteidigungsminister Cheney, habe öfters das Militär als Super-Tanker (“ship” im Original) bezeichnet. Bleibt abzuwarten, ob erhebliche Kurs-Korrekturen befohlen, umgesetzt und befeuert werden ... und welche Krängung die europäischen Dschunken durch die Hecksee dabei kriegen.

{Ahoi ... und ‘ne Handbreit Wasser unterm Kiel}

 

Jahresbericht: US-rüstungs-industrielle Kapazitäten

1. Februar 2001

Heute hat’s (¥inmal) geklappt: Versuchen Sie, den “Annual Industrial Capabilities Report to Congress, January 2001” runterzuladen: www.defenselink.mil  > publications. Irgendwo haben wir gelesen, dass die EU einen Aerospace-Bericht (?) herausgegeben habe - war aber unauffindbar.
(Nachtrag 13. 2. 2001: Durch eine lieben Userin (herzlichen Dank) haben Sie jetzt auch die Adresse:
http://europa.eu.int/comm/research/growth/aeronautics2020/en/index.html )

Für die Analytiker der deutschen Rüstungs-Industrie ist der US-Bericht Pflicht-Lektüre; vielleicht findet man eine Position, die einen kooperativen Ansatz bietet.

Der Wille zur transatlantische Kooperation wird deutlich: “The construction of a transatlantic ‘industrial bridge’ is underway and accelerating”. Immerhin, fast vier Seiten sind der Darstellung der Entwicklung der europäischen Verteidigungs-Industrie gewidmet, unser Lieblings-Thema “Defense Trade Security Initiative (DTSI) fehlt auch nicht. Und eine schöne Tabelle über alle Firmenkäufe in 2000 mit Preis-Angabe.

{Wer schreibt den europäischen Report?}

 

US-Aussenpolitik: “Ausgeprägter (amerikanischer) Internationalismus”

21. 1. 2001

Colin L. Powell, Aussenminister unter dem 43. US-Präsidenten George W. Bush, wesentlich durch das Militär sozialisiert, aber mit erheblicher Erfahrung als oberster (Nationaler) Sicherheitsberater des Präsidenten-Vaters George Bush, hat sein Eröffnungs-Statement zum Zweck der Bestätigung seiner Nominierung durch den Senat am 17. Januar mit dem W-Bush-Zitat “a distincly American internationalism” begonnen (nach den allgemeinen Bemerkungen, S. 7). Das Engagement soll aber einer seriösen und durchdachten Aussenpolitik nationalen Interesses folgen und nicht nach dem Zufalls-Prinzip auf die Krisen der Zeit reagieren, womit sicher die Clinton-Administration gemeint ist.

Powell, der 1991 seinem damaligen Präsidenten vom Krieg gegen Hussein’s Irak abriet, verspricht einen Grundsatz, der sich recht un-europäisch anhört: “Wir werden immer sehr, sehr klar in Dingen sein, von denen wir nachdrücklich überzeugt sind.”

Zu den Einzelheiten (die Übersetzung ist wie üblich “geopowers-like”):
http://usinfo.state.gov/topical/transition/01011703.htm

  • NATO:
    ... ist das “Fundament unserer Beziehung zu Europa ... es ist sakrosant.”
    Die europäischen Verteidigungs-Anstrengungen müssen “die NATO stärken, nicht schwächen ... mit ihrer kontinuierlichen Stärke, Spannkraft und Effektivität vereinbaren lassen.” “Wir werden gegen jeden Schritt sein, der dagegen verstösst.”
     
  • Asien-Pazifik:
    “Ähnliches Fundament (wie NATO)... feste Beziehung zu den Alliierten und Freunden, besonders Japan.”

    China:
    “China ist ein Gigant ... in der Zwischenzeit werden wir mit China so umgehen, wie es sich verhält (“treat China as she merits”). “China ist kein strategischer Partner, aber es ist weder unser unausweichlicher unversöhnlicher Feind.” Wie China und Taiwan ihre intra-staatlichen Probleme lösen, “ist ihnen überlassen - so lange, wie nicht militärische Macht eine der benutzen Methoden ist.” “In der Zwischenzeit stehen wir an der Seite Taiwans ...”
     
  • Russland:
    “ ... ein weiterer Gigant, der seinen Weg sucht.” “Und Russland muss, wie Bush gesagt hat, mit der Reform fortfahren - insbesondere” Rechtsstaatlichkeit, Beendigung der Korruption, Stop der Weitergabe von Raketen-Technologie, nuklearem Material und destabilisierenden konventionellen Waffen an Nationen wie Iran. Für Tschetschenien muss eine politische Lösung gefunden werden; Normen der Genfer Konvention und die Verpflichtungen gegenüber UN und OSZE müssen eingehalten werden.
     
  • Zum “Gesamt-Bild” (defense posture) der Streitkräfte:
    “Wir müssen hinreichende militärische Kräfte für den Atlantik, hauptsächlich in der NATO, und für den Pazifik, besonders in Korea und Japan, haben. Und unsere Verteidigungs-Kapazitäten am Persischen Golf müssen ebenfalls für Abschreckung und Macht-Projektion sorgen ...  Of course, die Vereinigten Staaten können nicht alles allein schaffen - wir benötigen unserer Alliierten und Freunde, um uns angesichts der sicherheitspolitischen Herausforderungen des neuen Jahrhunderts zu helfen.”
    Alle Verpflichtungen, nicht nur die auf dem Balkan, werden überprüft. Die Bindung der Streitkräfte für langandauernde Peace-Keeping-Aufgaben muss (genau) abgewogen werden. Wenn Streitkräfte stationiert werden, sind sie auch durch Massen-Vernichtungswaffen bedroht, wie die Soldaten der Alliierten, Freunde und die Zivilbevölkerung. Wichtig ist, dafür eine regionale (theater) Raketen-Abwehr zu schaffen.
     
  • Nationale Raketen-Abwehr (NMD):
    NMD ist in einem strategischen Gesamt-Zusammenhang (strategic framework) zu sehen. “In diesem Zusammenhang ist der ABM-Vertrag in seiner derzeitigen Fassung nicht länger relevant ...”
     
  • Weitergabe von Massen-Vernichtungswaffen (Proliferation):
    Review des bisherigen Ansatzes, hat hohe Priorität (Erwähnung in Bush`s Antritts-Rede). Bush wird den Senat nicht erneut wegen der Ratifikation des A-Waffen-Test-Verbots-Vertrages (CTBT) fragen. Die “US-Tests werden in der absehbaren Zukunft nicht wieder aufgenommen, solange keine Notwendigkeit dafür besteht.”
     
  • Nah-Ost:
    ... halbes Jahrhundert alter Konflikt, der in der Vorzeit wurzelt (“roots in Antiquity”). “Wir schlagen auch vor, unsere eigenen Anstrengungen in der Region als Ganzes zu fokussieren und nicht nur auf den Friedensprozess als solches.”
    Das Sanktions-Regime gegen den Irak soll mit den Alliiierten “re-energized” werden (das wird besonders Frankreich und Russland interessieren).
     
  • Afrika:
    In Afrika wird das Töten, Kinder-Soldaten und Korruption angesprochen. Die Profite durch das Öl und Diamanten sollen Schulen, Krankenhäuser und Verkehrs-Struktur erhalten. Powell lobt den “African Growth and Opportunity Act”, der den Freihandel mit Afrika fördert.
     
  • Indien:
    Der bald bevölkerungsreichste Staat der Erde habe das Potential, den Frieden in der Region zu befördern. Dabei müsse man assistieren, ohne die Freunde in Pakistan zu vernachlässsigen (wir verfolgen weiter, was mit dem
    indischen Export von Vorprodukten zu C-Waffen-Herstellung und sonstiges geschieht).
     
  • Vereinte Nationen:
    Die UN werden hervorgehoben als “eines der besten Werkzeuge für die internationale Diplomatie” (es ist ja vor kurzem eine Einigung erfolgt - neuer Verteilungsschlüssel für die Finanzierung und Bezahlung der ausstehenden US-Beiträge). Zwar wird das Peace-Keeping der UN nicht erwähnt, wohl aber die zerstörerische Wirkung von HIV/AIDS: In den nächsten 10 Jahren könnte ein Viertel der Bevölkerung Afrikas getötet werden - und Hinweis auf die Entwicklung in Indien und Russland.

Ein Zitat vom neuen US-Präsidenten wollen wir dann doch noch bringen, weil er so schön zum Titel “distinctly American internationalism” passt: “The United States doesn’t want to be the world’s 9-1-1” (emergency phone number).

{Wir rufen in Brüssel an, wenn wir die Nr. haben}

 

Rumsfeld-Effekt II

16. Januar 2001

Heute haben wir das Rede-Manuskript von Rumsfeld’s Auftritt im US-Senat gefunden:
http://usinfo.state.gov/topical/transition/01011104.htm
Und von Jacquelyn S. Porth (
www.usinfo.state.gov ) haben wir noch einen Bericht zum Ereignis erhalten, dessen Infos verarbeitet werden.

Dem unten nachfolgenden Text (Rumsfeld I) ist folgendes nachzutragen:

  • Eine der ersten Massnahmen wird die “umfassende Überprüfung” der US-Verteidigungspolitik sein.
     
  • Die Ablehnung verschiedener Abkommen fällt sehr deutlich aus:
    - ABM: “ancient history” (alte Klamotte)
    - CTBT: Rumsfeld ist besorgt über die Verlässlichkeit und Sicherheit der US-Nuklear-Sprengköpfe und Verifizierbarkeit; aber er will den
    Shalikashvili-Bericht lesen.
    - Sog. “Rom-Vertrag” (Internationales Strafrechts-Gericht): “Potentielle Risiken für US-Soldaten”.
     
  • Bei Einsätzen der US-Streitkräfte muss der Auftrag klar und das Ziel erreichbar sein. Und es muss eine vernünftige Strategie für die Beendigung des Engagements (exit-strategy) geben.
     
  • Rumsfeld will nicht nur die USA, sondern auch die Freunde und Alliierten gegen Raketen schützen. Da wird ja rechtzeitig zur Bundestagswahl den Berliner Parteien eine schöne Frage vorgelegt (es stimmt nicht, dass schon alle an den Argumentationshilfen basteln - auch nicht für die Kehrt-Wendung).

Sehr interessanten Lese-Stoff zum Thema hat das US-Verteidigungsministerium heute in den e-mail-Kasten geworfen: Die Niederschrift des letzten Presse-Gesprächs des dann-noch-Verteidigungsministers Cohen (wäre auch für Rumsfeld lesenswert). Von den guten Geschichten können wir heute leider nur die folgenden bringen:

  • Nach Cohen will sich die neue Regierung wohl für ein sog. “robustes” Raketen-Abwehr-System entscheiden, nicht für ein “limitiertes” System. Für diesen Fall sieht Cohen erhebliche Probleme voraus (S. 2).
     
  • Cohen argumentiert sehr gut für das US-Engagement in Sachen Peace-Keeping. Lernt Rumsfeld von ihm? Andererseits weist auch er darauf hin, dass die US-Truppen arg gestretched sind (“very, very thin” - S. 4).
     
  • Auf S. 8 wird aus dem Nähkästchen plaudert: Putin und die politischen Tricks der Russen in Sachen Raketen-Abwehr - muss man gelesen haben:
    http://www.defenselink.mil/speeches/2001/s20010110-secdef.html

{Immer lesen - man wird doch nicht klüger}

 

Ausblick: Der Rumsfeld-Effekt

15. Januar 2001

Am 11. Januar 2001 hat der (zu dieser Zeit designierte) Verteidigungsminister der Bush-II-Mannschaft, Donald H. Rumsfeld, seine erste Vorstellung vor dem US-Verteidigungsausschuss (Senate Armed Service Committee) absolviert. Die folgende erste Analyse versucht, die zu erwartenden Trends in der US-Verteidigungspolitik zu zeichnen.

Rumsfeld’s Hauptpunkte vor dem Ausschuss, abgeleitet von Bush’s Hauptzielen (vgl. Jim Garamone, American Forces Press Service, 12. 1. 2001)):

  1. Stärkung des Vertrauens zum US-Militär: Es muss die beste Unterstützung bekommen.
     
  2. Die USA müssen Kapazitäten entwickeln, um sich gegen Raketen, Terrorismus und neuere Bedrohungen wie raumgeschützte und Informations-Systeme zu verteidigen.
     
  3. Das US-Verteidigungsministerium muss die Vorteile nutzen, die die fortschreitende technologische Revolution bietet.

Daraus ergäben sich fünf operative Ziele:

  1. Der Grundgedanke der “Abschreckung” müsse  entsprechend dem gewandelten Umfeld nationaler Sicherheit modernisiert werden, denn glaubwürdige Abschreckung könne nicht länger auf Bestrafung hauptsächlich durch massive Vergeltung aufgebaut werden, sondern müsse ein Mix aus offensiven nuklearen und defensiven nicht-nuklearen Waffen enthalten.
     
  2. Sicherung der Bereitschaft und der Durch-Haltefähigkeit der Streitkräfte.
     
  3. Modernisierung des Kommunikations-Infrastruktur (Command, Control, Communications, insbesondere der Nachrichten-Gewinnung und der all-gestützten Kapazitäten).
     
  4. Beschleunigung der Forschung, Entwicklung und Beschaffung von Waffen-Systemen.
     
  5. Reform der Strukturen, Prozesse und Organisation des Verteidigungsministeriums.

Pauline Jelinek von “Associated Press” hat in ihrem Bericht (11. 1. 2001) ein hübsches Zitat von Patrick Cohin (U.S.-Institute of Peace) zu dem, was Rumsfeld abseits aller tollen Forderungs-Lyrik im Parlament bevorsteht. Zunächst meint Cohin, Rumsfeld werde wie ein Stealth-Flieger durch die Feindlinien düsen, unbeschädigt und mit hoher Wirkung, und dann: “Aber sie (Congress) werden versuchen, ihn bezüglich der Prioritäten festzunageln (pin down) ... weil du nicht alles bezahlen kannst.”

Die zur Einschätzung dann nötige Unterlage lieferte der wissenschaftliche Dienst des US-Parlaments (Congressional Budget Office - CBO). In einer Studie vom September 2000 haben die allseits anerkannten Experten vorgerechnet, was eine propere US-Armada unter jeweiligen Umständen kostet:

  1. Wenn die US-Streitkräfte nach den derzeitigen Stärken sauber ihre Lücken auffüllen, kostet das - nicht wie derzeit für den Haushalt 2000 vorgesehen 289 - sondern 340 Mrd. US$.
     
  2. Wenn man die Akzente auf “mehr Friedens-Operationen” verschiebt, sind es “nur” 320 Mrd. US$. Liegt der Nachdruck auf “gleichzeitig zwei grössere Kriege führen”, sind es 325 Mrd.
    http://www.cbo.gov/showdoc.cfm?index=2398&sequence=0&from=1 (S. 27).

Zu diesem “Aufgeld” von zwischen 35 - 50 Mrd. US$ pro Jahr sind die Beträge zu addieren, die für die Forschung, Entwicklung und Beschaffung von

  • Raketen-Abwehr-Systemen für die verschiedensten Schichten,
  • Systemen für den “Space-War” (vgl. Space Pearl Harbor) und
  • sonstigen “Geschichtchen” wie Cyber-War, Heimat-Verteidigung gegen Terroristen-Attacken mit ABC-Waffen

bereitzustellen wären. Sicher ist eigentlich, dass Rumsfeld als Vorsitzender bei dem einflussreichsten Bericht zur Raketen-Abwehr-Frage Vorsitzender war (1998) und bei dem “Space War”-Report (Jan. 2001) ebenfalls und deshalb wird Rumsfeld sein Denkmal bauen wollen. Die wirtschafts- und technologie-politische Bedeutung einer solchen Strategie muss nicht besonders hervorgehoben werden.

Andererseits wird die Budget-Enge erheblich kneifen und dazu führen, dass die USA sich massiv aus internationalen militärischen Bindungen (z. B. Kosovo, UNO, NATO) zurückziehen und die Europäer zum Entsatz auffordern werden. Und die werden insgesamt keine müde Mark mehr für Sicherheitspolitik aufbringen. Die durch den Rumsfeld-Effekt entstehenden Folgen werden durchgereicht bis zum letztmöglichen Spar-Bereich - dem Beschaffungs-Titel für militärisches Gerät.

{Wichtigster Grundsatz für Journalisten: Erstmal schreiben - vielleicht wird’s noch wahr}

 

Die amerikanische Europa-Strategie

3. Dezember 2000

Am 1. Dezember 2000 hat die US-Regierung nach fünf Jahren wieder einen Report auf den Tisch gelegt, der ihre “Europa-Strategie” erläutert:
“Strengthening Transatlantic Security - A U.S. Strategy for the 21st Century” (63 S.),
abzuladen unter
www.defenselink.mil.

Wenige Tage vor der NATO-Tagung und dem Nizza-Gipfel haben die Mitarbeiter in den betroffenen Ministerien aller europäischen Staaten alle Köpfe voll zu tun, um das Dokument nach Trendzeichen abzuklopfen, die neu sein könnten.

Der Hintergrund ist klassisch und hochpolitisch:

  1. Da die Bush-Mannschaft kritische Töne gepfiffen hat, glauben europäische Auguren an ein Nachlassen des amerikanischen Beistands;
     
  2. Die Engländer, die 1998 (überraschend) mit der St. Malo-Initiative die Franzosen enger an die europäische Verteidigungs-Integration führen wollten, haben Schwierigkeiten, ihre Führungsrolle auf diesem Gebiet aufrechtzuerhalten, weil sie als einzige Nation eine innenpolitische Debatte über die Sinnhaftigkeit der europäischen Ambitionen führen.
     
  3. Die Franzosen, die seit Jahrzehnten von ihrer Führungsrolle in Sachen eigenständige Sicherheitspolitik Europas, abgesetzt von den “dominierenden” USA, träumen, mussten in der Vergangenheit sehen, dass alle Versuche, NATO-Staaten und Nicht-NATO-Staaten in Europa auf eine leichte Weise zu diskriminieren, gescheitert sind. Der gesamte Europäisierungs-Prozess ist nun so geplottet, dass es eine enge Verzahnung nicht nur zwischen EU und NATO, sondern auch Staaten gibt, die in der “Twillight-Zone” shippern.
     
  4. Die USA haben nach diesem Prozess hochoffiziell durch Verteidigungsminister Cohen in Birmingham im Okt. 2000 versichert, dass ihnen der gesamte EU-Verteidigungsprozess durchaus genehm ist.

Abseits mancher netter Einzelheiten liegt der Knalleffekt des US-Papiers aber in folgendem:

  • Die US-Regierung fordert die Europäer auf, zur Sicherheit jenseits der europäischen Region beizutragen.

Es geht schon im Vorwort von US-Verteidigungsminister Cohen los:

  • S. 3, vorletzter Absatz: Da gibt es “key regions” wie Kaukasus, die Area rund um die Türkei und die südlichen mediterranen Küsten-Regionen, wo die transatlantische Community “sich als ein ganzes effektiv engagieren muss.
  • Auf S. 57 gibt’s dazu mehr: “Es ist dafür in unserem gemeinsamen Interesse, für die amerikanische und europäische Säule der transatlantischen Gemeinschaft bessere Wege zu finden, um zusammen die Sicherheit und Stabilität in Regionen ausserhalb Europas zu stärken.”
  • Danach geht’s in den “Persischen Golf, den Mittleren Osten” und die mediterranen Küsten, in die Sub-Sahara Afrikas bis nach Asien.

Bisher war sicher, dass die USA nicht nur die militärischen Fähigkeiten, sondern auch den politischen Willen hatten, sich für die sicherheitspolitischen Belange der Welt einzusetzen - wie auch immer man Einzelheiten beurteilen mag (in Vietnam haben sie sich lt. McNamara “schrecklich geirrt”, in Europa - speziell in Deutschland jedenfalls nicht).

In Zukunft werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin die Einzigen sein, die sich für sicherheitspolitische Belange der Welt interessieren - im Gegensatz zu den Europäern. Die können weder den politischen Willen generieren noch die entsprechenden politischen - auch militärischen - Mittel aufbringen, um tatsächliche Effekte zu erreichen.

Der US-Bericht hat eine politische Grössenordnung, die eigentlich eine wie auch immer geartete Antwort aus Europa verlangt. Wir werden verfolgen, ob z. B. in Deutschland irgend jemand irgendeine Reaktion zeitigen wird. Wir haben unsere Presse-Mitteilung schon fertig:

  1. beklatschen wir diesen wichtigen Beitrag des “unverminderten Engagements” unseres wichtigsten Bündnispartners und weisen auf seine unverzichtbare Rolle in der Sicherheitspolitik der vergangenen Zeiten hin:
  2. weisen wir (natürlich) auch auf unsere Leistungen hin, die wirklich gewaltig waren;
  3. werden wir alle Anregungen sorgfältig prüfen und gemeinsam diskutieren und
  4. alle notwendigen Schritte für eine verbesserte Zusammenarbeit erarbeiten.

Auf deutsch: Wir werden einen Teufel tun, solche heissen Eisen anzupacken. Wir leben auf einer Insel der Glückseeligen und wollen es auch zukünftig so belassen.

{Sun Tsu sagt: “Es wird immer komplizierter, einfach zu leben.”}

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