Google
Search WWW Search geopowers.com

European Security and Defense Identity (ESDI)

[DCI] [ESDI]

Sehr gut dazu: www.eu.gasp.de (und die dortigen Links), von Christian Saadhoff.

Das “Headline Goal ” des EU-Rats-Beschlusses von Helsinki (10./11. Dezember 1999) bedeutet:

  • spätestens 2003 (gemeint ist wahrscheinlich Ende 2003)
     
  • “kollektive Fähigkeitsziele in den Bereichen Streitkräfteführung, strategische Aufklärung und strategischer Transport”
     
  • “mit oder ohne Rückgriff auf Mittel und Fähigkeiten der NATO”
     
  • “besonderes Augenmerk”: “Verlegbarkeit, Durchhaltefähigkeit, Interoperabilität, Flexibilität, Mobilität, Überlebensfähigkeit sowie Streitkräfteführung” (vergleiche > > DCI).
     
  • Umfang: Korpsgrösse, d.h. bis zur Stärke von 15 Brigaden, bzw. mit einer Stärke von 50.000 bis 60.000 (Kampf- und Kampfunterstützungs-Kräfte sowie die notwendigen Logistik-Kräfte. In dieser Zahl nicht enthalten sind Luft- und Seestreitkräfte; ihr Umfang muss noch festgelegt werden.
     
  • Verlegezeitraum: 60 Tage
     
  • Einsatzdauer: “mindestens ein Jahr”
  • Verteidigungsminister Scharping hat den deutschen Anteil auf “ca. 20 %” beziffert, was 10 -12.000 Heeres-Soldaten bedeuten würde.

Politische Bedeutung

Ab 2003/4 wollen die EU-Regierungen ohne Rückgriff auf strategische US-Leistungen Konflikte und Kriegseinsätze erfolgreich beenden.

Mit einem Umfang von ca. 60.000 Soldaten kann es sich dabei nur um “Kosovo-Konflikte” handeln, mit der entscheidenden Differenzierung:

Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Landkrieges!

Sind “unsere” Soldaten dabei nicht praktisch “unverwundbar”, werden nach dem Rücktransport von (makaber) 20 - X Leichen die deutschen Medien fordern:

“Bringt unsere Jungs nach Hause”!

Im Hinblick auf diese Wahrscheinlichkeit, verbunden mit dem Zwang zur Glaubwürdigkeit und prästabilisierenden Abschreckung durch die EU-Force, muss die Ausrüstung und Kampftaktik dieser Soldaten revolutioniert werden.

Vorhandene Technologien müssen in einen Ausrüstungsstandard umgeschmolzen werden, der folgende Kriterien beinhaltet:

  • maximaler Körperschutz des Soldaten
  • maximale Aufklärung der gegnerischen (Mikro)Lage (Wärmebild, Radar etc.)
  • Präzisionswaffen und -munition
  • Änderung der Taktik (Umkehrung des Lehrsatzes “Feuer vor Deckung”).

 

Tervuren-Strategie: Sit-Com

20. Oktober 2003

Auf dem sog. Pralinen-Gipfel im April 2003 haben die Regierungs-Chefs von Belgien, Frankreich, Deutschland und Luxembourg beschlossen, eine von der NATO wirklich unabhängige Streitmacht aufzubauen. Kernpunkt war, eine NATO-unabhängige Planungs- und Führungskapazität in Tervuren (nahe Brüssel) aufzubauen. Seit dem hat es nur einen “Fortschritt” gegeben, der offiziell nicht kommentiert worden ist: “SPIEGEL-Online meldete, dass Premier Blair seinem deutschen und französischen Amtskollegen abgerungen habe, die Tervuren-Geschichte zu versenken.

Am vergangenen Freitag (18.10.03) haben sich die entsprechenden Herrschaften wieder zum EU-Rats-Gipfel in Brüssel zusammengefunden (ohne den im Bundestag abstimmenden Kanzler). 45 Minuten haben die europäischen Regierungs-Chefs vertraulich der gemeinsamen Verteidigungspolitik gewidmet. Gemäss der Nachrichten-Agentur ap sind die folgenden Quotes zu vermelden:

  • Ein Sprecher von Tony Blair wird zitiert: “Fühlen wir eine Notwendigkeit für ein seperates EU-Militär-Hauptquartiert? Nein”.
     
  • Silvio Berlusconi meint, dass die EU-Verteidigungspolitik komplementär zur NATO sein sollte und nie eine Alternative zur NATO”;
     
  • Jacques Chirac will die Diskussionen fortsetzen, meint aber, dass “eine europäische Verteidigung ohne England als nicht sehr zusammenhängend erkannt werden müsste”. Der spanische Premier Aznar pflichtet ihm bei;
     
  • Nach Ende der Diskussionen wird wiederum Silvio Berlusconi zitiert, der Einigkeit unter allen Beteiligten sieht, dass die europäische Verteidigungspolitik  eine “Komplementarität zur NATO und niemals eine Alternative zur NATO” sein solle;
     
  • Am deutlichsten ist der gerade durch gesundheitliche Irritationen betroffene TonyBlair:
    “Lassen Sie mich eine Sache ganz deutlich klarstellen: I will never put at risk NATO”;
     
  • In den Tagen vor dem EU-Rats-Gipfel hatte sich der amerikanische NATO-Botschafter Nicolas Burns mit dem Spruch in die Medien (aus einer geschlossenen Sitzung direkt auf den Draht) eingegraben, dass die EU-Initiativen “die grösste Bedrohung der Zukunft der NATO” seien.

Für die “Kriegs”-Veteranen dieses Themas, wie wir welche sind, ist das alles ja wahrlich nicht neu. Die Folgerungen sind relativ deprimierend:

  • In absoluten Kernfragen der “Grand Strategy” gibt es zwischen Europa und den USA
    - Dissenz,
    - Verdächtigungen,
    - echte “Heimlichkeiten” mit grauer Vorzeit (vielleicht winkt sogar manchmal die “Rote Kapelle” aus dem Grab der Geschichte, die immer die amerikanische Unzuverlässigkeit propagierte));
     
  • Krude Allmachts-Phantasien der wie Phoenix aus der Asche entstehenden neuen EUROPA-Führung der Weltgeschicke trösten Blau-Augen wie die deutschen, die Hoffnung, genährt von “unwiderlegbaren” (und hausgemachten) Ökonomie-Rechnungen;
     
  • Absolut Nietzsche-konform (obwohl gerade in Frankreich besonders gefeiert), wird der “Wille zur Macht” wirklichkeitsgetreu zum Ächzer der Ressourcen-Lage;
     
  • Wer wollte dem finnischen General Hagglund (NOKIA-Syndrom!), derzeit Präsident des europäischen Militär-Kommittees, widersprechen, wenn er fragt, ob 450 Millionen Europäer, die im Mai 2004 25 europäische Staaten repräsentieren, “keine militärischen Werkzeuge zu ihrer Verfügung haben?”.

Die Auflösung des Rätsels ist u.E. relativ einfach: Wer wirkliche substanzielle eigene Probleme hat, wird sie gegenüber einem Partner/”Freund”/Alliierten auch dementsprechend “outen” können. Anderenfalls besteht leider der begründete Verdacht ...

{Zur 4711. Sit-Com über “perceptions” kommt kein Zuschauer}

 

Frankreich: Rüstungs-Gesetz

4. November 2002

Am 11. September 2002 hat die französische Verteidigungsministerin Michéle Alliot-Marie dem Parlament den Entwurf eines Gesetz-Entwurfes vorgelegt, welches die Militär-Programme von 2003 bis 2008 enthällt. Im Vorwort hebt Frau Alliot-Marie hervor, dass dieses Rüstungs-Gesetz die Determination des Präsidenten der Republik und die der Regierung wiederspiegelt, Frankreich die Verteidigung zu geben, die

  • “die Anforderungen und ihre internationalen Ambitionen erfüllt”,
  • “den Bedrohungen begegnet...” und
  • “einen Beitrag zu der Konstruktion der Europäischen Verteidigung liefert.”

Auf den folgenden rund 40 Seiten des englischen Textes sind reichlich Informationen zu finden, die man sich in ähnlicher Form vom deutschen Verteidigungsminister wünschen würde. Es hilft nichts - die Dateien muss man abladen und
- nicht die in den Text eingearbeiteten Charts vergessen, die extra heruntergeladen werden müssen (am besten gleich ausdrucken; 13. S.);
- nicht die 50seitige pdf.-Datei “fiches integrale” vergessen, die mit den Seiten 57 bis 108 der “Bill of Law” wichtige Facts enthalten:
www.defense.gouv.fr/english/files/d140/index.htm

Politisch sehr bedeutsam ist der Vorgang allemal:

  • Die französische Regierung verstärkt ihr verteidigungspolitisches Engagement ganz erheblich.
  • In 2003 mit 13,6 Mrd. EUR beginnend, mit 15 Mrd. EUR 2008 endend, wird vor allem die französische Rüstungs-Industrie gesichert und für den europäischen Konzentrations-Kampf gut aufgestellt.
  • Vergleicht man den französischen Ansatz mit der deutschen Verteidigungspolitik, wird sehr deutlich, dass die Regierung “Zivilmacht” werden will. Obwohl die deutschen Streitkräfte in vergleichbarer Lage sind, sollen für ihre Rüstung 2003 knapp 5 Mrd. EUR aufgewendet werden. Der Einwand, dass die Franzosen mit dem knapp Dreifachen auch ihre Nuklear-Streitkräfte modernisieren hilft nicht wesentlich weiter, den dafür sind höchstens 15 % des gesamten Beschaffungsvolumens abzurechnen.
  • Sollte Verteidigungsminister Struck nicht sehr bald radikale Entscheidungen treffen, dürfte den deutschen Rüstungs-Industriellen nichts weiter übrigbleiben, als ihre sehr leistungsfähigen Wehrtechnik-Abteilungen zu verscherbeln - die potentiellen Käufer sprechen alle das markante Englisch.
  • Sicher ist, dass ein deutsches “Immer weiter so” auch eine strategische Entscheidung ist. Hoffentlich wollen uns die Verantwortlichen nicht erzählen, dass es diese Probleme gar nicht gibt.

{Vive la France - hoch lebe der Deutsche weg}

 

Verteidigungsminister Scharping: verheerend

17. Mai 2001

Vom Auslands-Presse-Spiegel (Meldungen von dpa, AFP/dt., rtr/dt.) des Bundespresseamts vom 16. Mai 2001 haben wir über das Treffen der Aussen- und Verteidigungsminister der EU gelernt:

Die Türkei behindert weiter die Zusammenarbeit zwischen NATO und der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), weil sie ein grundsätzliches Mitsprache-Recht bei geplanten Krisen-Einsätzen der neuen EU-Truppe haben will. Der türkische Aussenminister Cem wird zitiert: “Wir wollen nicht aussen vor bleiben.”

Daraufhin habe VM Scharping mit dem Alleingang der EU gedroht; notfalls wolle man von der NATO unabhängige Fähigkeiten aufbauen: “Die EU wird ihren Weg gehen. Wenn die Türkei meint, blockieren zu müssen, wird sie ihn trotzdem gehen.”

Nach unserer Auffassung kann dieses Vorgehen des deutschen Verteidigungsministers nur als verheerend bezeichnet werden:

  • Der politische Hintergrund ist fundamentaler Art und berührt die strategisch unverzichtbare Verbindund mit der NATO, vor allem mit den USA. Vom Nizza-Gipfel berichtete die FAZ am 9. 12. 2000: “In der britischen Delegation kam es zu Verärgerungen über Äusserungen Präsident Chiracs, wonach Europa einen von der NATO unabhängigen Kurs einschlagen solle. ‘Das Europa der Verteidigung muss in Abstimmung, aber unabhängig von der NATO aufgebaut werden.”
     
  • Die “Neue Züricher Zeitung” berichtete aus Nizza (6. 12. 2000): “In unmissverständlicher Abgrenzung zu Frankreich, das immer wieder auf einem in allen Bereichen autonomen sicherheitspolitischen Auftreten der EU beharrt und so das Misstrauen der USA schürt, bekannte sich Scharping vor den Medien vorbehaltlos zu einer einheitlichen, gemeinsamen sicherheitspolitischen Planung in NATO und EU.”
     
  • Zwei wichtige Grundsätze waren vor allem von den USA und der NATO hinsichtlich der Petersberg-Truppe gefordert und von den Europäern auch zugesagt worden:
    1. Keine Duplizierung
    2. Keine Diskriminierung.
    Würde nach der Scharping-Methode verfahren, wären beide Grundsätze verletzt.
     
  • Dass es den EU-Verteidigungsministern nicht gelingt, die türkische Regierung mit einem nicht-diskriminierenden Verfahren zu überzeugen, zeigt deren Unfähigkeit. Statt diesen alten und verlässlichen NATO-Partner und absehbares EU-Mitglied gleichberechtigt zu behandeln, wird er öffentlich demontiert. Dabei ist eines sonnenklar: Aufgrund ihrer geostrategischen Lage ist die Türkei so positioniert, dass sie in den wichtigsten Krisen-Szenaren unverzichtbare Basis, “Flugzeug-Träger” und “Brücke” für NATO und EU wäre. Ohne türkische Zustimmung läuft als einziges die Nase.
     
  • Dabei geht es nicht nur um das Einbinden der Türkei; gleichen Status haben Island, Norwegen, Tschechien, Ungarn und Polen - und letztlich Kanada und die USA.

Sollte der Bundeskanzler seinen VM nicht zurückpfeifen, werden hoffentlich die Briten, Niederländer oder Portugiesen das Problem EU-intern vom Tisch bringen; und letztlich sind die USA und Kanada ja auch noch da.

{Einziger Trost: Das Ende ist in Sicht}

 

Unions-Armeen: Der erste Geheim-Appell

26. 11. 2000

Am 20./21. Nov. 2000 war der erste Appell für die Unions-Armeen: Auf der 1. “Commitment”-Konferenz hatten die Verteidigungsminister der Staaten der Europäischen Union (ausser Dänemark) verbindliche Zusagen abzugeben, welchen Anteil sie zum “European Headline Goal” beisteuern wollen.

Das zweite Ergebnis: “Auf dieser Konferenz konnte ferner eine Reihe von Bereichen ermittelt werden, in denen Anstrengungen zur Verbesserung der vorhandenen Mittel sowie Bemühungen auf dem Gebiet der Investitionen, der Entwicklung und der Koordinierung unternommen werden müssen, um die notwendigen Fähigkeiten für ein autonomes Handeln der Europäischen Union schrittweise zu erwerben und zu verbessern. Die Mitgliedsstaaten haben diesbezüglich erste Zusagen gemacht.” (“Erklärung über die Bereitstellung militärischer Fähigkeiten”, Brüssel, 20. 11. 2000, http://europa.eu.int/pol/cfsp/index_de.htm  5,5 Seiten ).

Zunächst das Herausragendste dieser Veranstaltung: die Geheimniskrämerei:

  • In der “Erklärung” zur Konferenz ist neu, dass es beim “Headline Goal” nicht nur um 60.000 Soldaten (1 Korps, ein Jahr Einsatzdauer, in 60 Tagen einsatzbereit) geht, sondern dass dahinter eine Personalreserve von 100.000 steht, und dass “ungefähr 400 Kampfflugzeuge und 100 Schiffe” dazugehören. Welche Nation was beisteuert, ist geheim. Vom deutschen Verteidigungsminister ist zu diesem Anlass nichts genaueres verlautbart worden (bisher haben wir immer nur 12.000 bzw. 18.000 gehört). bundeswehr.de brachte ersatzweise immerhin ein Interview mit dem für Rüstung zuständigen Staatssekretär Dr. Stützle, der empfahl, sich zwei Zahlen zu merken: D hat 30.000 “Streitkräftedispositiv” gemeldet, von denen “im Bedarfsfalle bis zu 18.000 abgerufen werden”. Ob, und wenn ja welche “Zusagen” (siehe oben, 2. Konferenz-Ergebnis) Verteidigungsminister Scharping gemacht hat, wäre auch geheim. Mal schau’n, ob im Parlament jemand danach fragt.
     
  • Seit März d. J. werkeln bei der Union in der Militärfrage drei neue Gremien:
    1. das “Political Security Committee” (PSE), politisches Krisenmanagement;
    2. das “European Military Committee” (EMC), höchstes militärisches Gremium;
    3. der “European Military Staff” (MSEU); das sind wahrscheinlich die Arbeiter.
    Wir sind sehr dringlich auf der Suche nach Angaben über diese Gremien, den z. B. im Internet findet man keine Namen, keine sonstigen Daten, nichts. Undenkbar ist natürlich, dass man je irgendein Arbeitspapier dieser wichtigen Leute zu Gesicht bekommen wird.
     
  • Das spannendste wäre, die “Risikobetrachtung” zu lesen, aufgrund derer das Ganze veranstaltet wird. Aber das ist keine eigenständige, sondern die der NATO. Auch davon gibt es noch nicht einmal eine entschärfte Version für die lieben Staatsbürger von Union und NATO. Andererseits sollen die sich aber für Sicherheitspolitik interessieren und darüber diskutieren.

Liest man die “Erklärung” jedoch aufmerksam, ist klar, dass sich fast nichts in der europäischen Verteidigungspolitik geändert hat:

  • Es wäre wirklich eine Lachnummer, wenn die Europäer nicht ein Korps, 400 Kampf-Flugzeuge und 100 Schiffe aus ihrem Bestand melden könnten. Der nette Hintergrund ist ja der Buchungstrick:
    “Die NATO-Mitgliedsstaaten haben festgestellt, dass die außerhalb der Bündnisverteidigung nach Art. 5 zwei Kriseneinsätze in Korpsgrösse durchführen können wollen. Diese Feststellung wurde auf der Basis einer umfassenden Risikobetrachtung getroffen. Somit kann die Ausplanung des Headline Goal auf der Basis der gleichen Risikobetrachtung erfolgen. Ein möglicher EU-geführter Einsatz der maximalen Grössenordnung
    wird also nicht zusätzlich zu den möglichen zwei NATO-geführten Einsätzen zu planen sein, sondern wird planerisch einer dieser beiden Einsätze sein” (J. Zimmermann, “Ernstfall Europa”, Truppenpraxis 7/2000, unter bundeswehr.de, “Publikationen”).
     
  • In den Bereichen, in denen durch den Kosovo-Krieg die grossen Lücken aufgezeigt worden sind, tut sich sehr wenig und wird in den nächsten Jahren nicht viel zu erwarten sein. Das wichtigste Feld dürfte die Lage- und Ziel-Verfolgung sowie die Abstandsbekämpfung aus der Luft sein: jede Bestandsaufnahme und Perspektive bis 2010 wäre absolut katastrophal (irgendwann stellen wir die Daten mal zusammen). Der nächste wichtige Bereich wären die Fähigkeiten hinsichtlich der Art der Konflikte, die mit Korpsgrösse europäisch beendet werden könnten. Ein herkömmlich antretender Gegner dürfte allerhöchstens eine Streitmacht von 30.000 Soldaten haben, denn unterhalb einer zweifachen Überlegenheit sollten die Europäer schon gar nicht aufmarschieren. Dreht es sich um eine entschlossen kämpfende Rebellen-Armee mit richtig hässlichen Kampfmethoden, dann dürften rund 5.000 dieser Sorte reichen, um den Somalia-Effekt zu erreichen.

Politisch hat sich allerdings seit den Beschlüssen von Köln und Helsinki einiges verbessert. Durch die Beschlüsse von Feira (19./20. Juni 2000), die aufgrund erheblichen politischen Druckes so gefasst worden sind,

  • gibt es einen institutionalisierten Dialog mit der NATO;
  • werden die sechs europäischen NATO-Staaten, die nicht der Union angehören, in den Kommunikations-Prozess einbezogen (gut dargestellt in Lord Robertson’s Rede am 23. 11. 2000 in der Türkei >> nato.int). Dies ist insbesondere hinsichtlich der Türkei sehr wichtig. Seit 50 Jahren Mitglied der NATO, betont europäisch orientiert, ist dieser Staat für Union und NATO von strategischer Bedeutung: Viele der in absehbarer Zukunft potentiellen Konflikte werden in dieser Region stattfinden und natürlich auch die Interessen der Türkei betreffen.

Interessant zu sehen, dass nun auch ein europäischer Beschluss zum Aufbau einer Raketenabwehr für Europa vorliegt, denn im Abschnitt B, Ziff. 5 der “Erklärung” heisst es:

  • ... Die Mitgliedstaaten haben zugesagt, insbesondere im Rahmen der laufenden Reformen ihrer Streitkräfte weitere Massnahmen zur Stärkung ihrer eigenen Fähigkeiten zu treffen sowie bestehende oder in Vorbereitung befindliche Projekte zur Realisierung multinationaler Lösungen, einschliesslich im Bereich der Zusammenlegung von Mitteln fortzuführen.
    Alle diese Projekte haben Folgendes zum Ziel:
    ... Mittel zur Verteidigung gegen Boden-Boden-Raketen ...”

Dann schau’n mer mal, wie die Republik darüber diskutiert - und was die Eurokraten damit machen.

{Sun Tsu sagt: Be flexible to cover all threats}

 

 

Rahmenvertrag zur Europäischen Rüstungsindustrie

Am 27. Juli 2000 haben hochrangige staatliche Repräsentanten (in der Regel die Verteidigungsminister) aus Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, Spanien und Grossbritannien während der Luftfahrtschau in Farnborough das
“RahmenÜbereinkomen über Massnahmen zur Erleichterung der Umstrukturierung und der Tätigkeit der europäischen Rüstungsindustrie” unterschrieben.
Damit liegt nun ein Übereinkommen vor, dass zuletzt am 6. Juli 1998 durch eine Absichtserklärung von den o. a. Staaten angekündigt worden war.

Für Deutschland hat Verteidigungsminister Scharping das RahmenÜbereinkommen unterschrieben. Das Bundeskabinett hat dem Abkommen am 4. Juli 2000 per Umlaufverfahren zugestimmt mit dem Zusatz, die folgenden zwei Erklärungen bei Unterzeichnung zu Protokoll zu geben:

  1. “In Ergänzung des letzten Absatzes der Präambel des Rahmenübereinkommens vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass dieses Übereinkommen die aus dem Europäischen Recht resultierenden Obliegenheiten und Verpflichtungen nicht berührt.”
  2. “In Kenntnis des Artikels 16 Absatz 2 des Rahmenübereinkommens beim Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, die für eine Kriegswaffe von Bedeutung sind, wird die Bundesregierung auch in Zukunft auf amtlichen Endverbleibserklärungen bestehen.”

Im folgenden Text werden wichtige Punkte des Vertrages dargestellt:

Exekutiv-Ausschuss (Art. 3)

Die Vertragsparteien richten einen Exekutiv-Ausschuss ein, der

  • die “Oberaufsicht” hat,
  • die Wirsamkeit des Vertrages überwacht,
  • einen jährlichen Sachstandsbericht übermittelt,
  • “seine Entscheidungen durch einvernehmlichen Beschluss aller Vertragsparteien” trifft.

Versorgungssicherheit (Art. 4 - 11)

Art. 6 besagt, dass die Vertragsparteien die Versorgung anderer Vertragsparteien mit Wehrmaterial und rüstungsbezogenen Dienstleistungen nicht behindern dürfen.

Die Rüstungsunternehmen werden aufgefordert, die Vertragsparteien im Voraus über ihre Absichten hinsichtlich der “Bildung eines übernationalen Rüstungsunternehmens oder über einschneidende Veränderungen” zu unterrichten. Danach werden alle Vertragsparteien unterrichtet und können “begründete Bedenken ... äussern”.

Jede Vertragspartei ist verpflichtet, andere VP “auf Ersuchen durch Preisprüfungsdienste und staatliche Qualitätssicherungsdienste zu unterstützen”.

In Krisenfällen kann einer VP Vorrang bei der Zulieferung und Änderung von Rüstungsmaterial gewährleistet werden, ebenso Lieferung aus Beständen der anderen VP gegen Kostenerstattung.

Weitergabe- und Exportverfahren (Art. 12 - 18)

Es werden “umfassende Projektgenehmigungen” eingeführt. Wenn VP Kooperationsprogramme durchführen, sollen sie für jedes Programm

  • die Merkmale des Geräts detailliert beschreiben und aktualisieren,
  • die “Export-Bestimmungsorte” festlegen,
  • Embargos laufend aktualisieren, sofern neue UN-Resolutionen oder EU-Entscheidungen entsprechendes vorsehen.

Der Artikel 13, Absatz 3, nennt für die Festlegung/Änderung der Export-Bestimmungsorte die folgenden Grundsätze und Verfahren:

  • nationale Exportkontrollpolitik der einzelnen VP
  • Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen
  • Kriterien des EU-Verhaltenskodex
  • “Schutz der Verteidigungsinteressen der VP einschliesslich der
  • Erhaltung einer starken und wettbewerbsfähigen europäischen rüstungsindustriellen Basis”.
  • die Entscheidungen werden im Konsens getroffen.

Die Ziffer b) des Art. 13 Abs. 3 sei wörtlich zitiert:

“Ein zulässiger Export-Bestimmungsort darf nur gestrichen werden, wenn in dem betreffenden Land wesentliche Veränderungen der inneren Lage eintreten, beispielsweise bei Ausbruch eines allgemeinen Bürgerkrieges oder bei einer ernsthaften Verschlechterung der Menschenrechtslage oder wenn das Verhalten des Landes eine Bedrohung des regionalen Friedens oder des Weltfriedens  sowie der regionalen oder internationalen Sicherheit und Stabilität darstellt, zum Beispiel als Folge einer Aggression oder der Androhung einer Aggression gegen andere Staaten. Können sich die am Programm teilnehmenden VP über die Streichung eines zulässigen Export-Bestimmungsorts auf Arbeitsebene nicht einigen, so wird die Angelegenheit den Ministern zu Entscheidung vorgelegt.”

Bezüglich des Art. 16 Abs. 2 hat die Bundesregierung zu Protokoll erklärt, auf amtlichen Endverbleibsklauseln zu bestehen. Der Wortlaut des Abschnitts ist:

“(2) Die VP beschränken die Verwendung der amtlichen Endverbleibserklärungen und das Erfordernis internationaler Importbescheinigungen für die Weitergabe von Bauteilen auf ein Mindestmass; dies geschieht möglichst zugunsten der Verwendung von Endverbleibserklärungen der Unternehmen.”

Geradezu erheiternd und bezeichnend für das Klischee “europäische Politik” ist der Art. 18:

“Die Erteilung einer umfassenden Projektgenehmigung befreit die betreffenden Weitergaben von Wehrmaterial zwischen den Vertragsparteien nicht von anderen einschlägigen Vorschriften wie zum Beispiel Transitvorschriften oder Vorschriften in Bezug auf Zollpapiere. Die VP stimmen darin überein, die Möglichkeit der Vereinfachung oder Verringerung von Verwaltungsvorschriften für Weitergaben im Rahmen dieses Übereinkommens zu prüfen.”
(Da möchte man wirklich wissen, welcher Eurokrat sich dieser Prüfung annimt und wann er mit der weissen Jacke/Ärmeln achtern den Dienst quittiert).

Sicherheit geheimhaltungsbedürftiger Informationen (Art. 19 - 27)

Hier ist interessant, dass Art. 23 Abs. 5 den Zugang zu VS-Vertraulich- und Geheim-Informationen für Personen, die die Staatsangehörigkeit der VP oder der EU “ohne vorherige Genehmigung” gewährt. Wer diese Vorzüge nicht geniesst, wird durch ein Konsultationsverfahren gezogen (Viel Spass dabei).

In diesem Zusammenhang gehört auch die Beachtung des Art. 24, Abs. 2, der Fragen des Informationsflusses regelt und ihn auch von der Staatsangehörigkeit wie bei Art. 23/5 abhängig macht.

Die Art. 28 - 36 über “Verteidigungsbezogene Forschung und Technologie” sowie
die Art. 37 - 44 weisen keine berichtenswerten Einzelheiten auf.
(Ausnahme ist Art. 36: Man darf gespannt sein, welche “völkerrechtliche(n) Übereinkünfte in Übereinstimmung mit den Artikeln 28 bis 35” die VP  vorlegen - und wann?!).

Harmonisierung des militärischen Bedarfs (Art. 45 - 49)

Allein die ordentliche Erfüllung dieser guten und notwendigen Forderungen erfordert einen qualifizierten Mitarbeiter-Stab von erheblichem Ausmass. Schön wär’s, wenn alle VP das ernstnehmen.

Die Art. 50 -54 über den “Schutz kommerziell sensitiver Informationen”  sind nicht berichtenswert.

Schlussbestimmungen (Art. 55 - 60)

Das Übereinkommen muss ratifiziert/genehmigt/angenommen werden. Verwahrer ist GrossBritannien.

Interessant ist der Art. 56, denn er regelt die Modalitäten für die Aufnahme weiterer VP. Nach Inkrafttreten kann jeder EU-Staat den Beitritt beantragen. Die VP müssen die Neu-Aufnahme einstimmig beschliessen.
“Der Beitritt jedes anderen
europäischen Staates kann von den VP geprüft werden. Eine Einladung zum Beitritt wird nur ausgesprochen, wenn die VP einen einstimmigen Beschluss hierüber gefasst haben.”

Beurteilung

Was bedeutet der Begriff “Rahmenübereinkommen”? Es dürfte eine etwas ernster gemeinte Absichtserklärung sein, irgendwelche Dinge etwas ernster zu nehmen.

Für den allgewaltigen “Exekutiv-Ausschuss” ist weder eine Sitz- noch eine Vorsitz-Regelung beschrieben. Welchen Rang der Vertreter der VP haben sollte, ist ebenso offen wie die wichtige Regelung des Mitarbeiter-Stabes, mit Ausnahme des Hinweises, dass der Vertreter der VP “nötigenfalls durch zusätzliches Personal unterstützt werden kann”.

Der “jährliche Sachstandsbericht” des Exekutivausschusses wird sicherlich nicht nur in hochdiplomatischem Feinschliff geschrieben sein, sondern auch noch den Geheimhaltungsgrad “VS-Vertraulich” haben und umfangreich sein, was wiederum bedeutet, dass ihn nur wenige sowieso Eingeweihte bekommen und die ihn deshalb nicht lesen werden.

Allerdings wird das Rahmenübereinkommen von den Experten der Regierungen gelesen. Die geneigten US-Leser werden sich nicht des Eindrucks erwehren können, das sie, milde geurteilt, etwas diskriminiert werden. Und das mögen die gar nicht (weil sie immer alles so ernst nehmen). Und die US-Skeptiker werden sicher finden, dass damit gegen einen der Albright’schen Grundsätze verstossen worden ist, die die US-Aussenministerin für den “Grabenkrieg” NATO versus ESDI geprägt hat:

  • Do’nt duplicate
  • Do’nt discriminate
  • Do’nt decouple

{Ohooooh}

[DCI] [ESDI]

 

[Home] [News] [Mächte] [Allianzen] [Konzepte] [Kriege] [Szenarien] [i-Views] [Kontakt]